Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Einmalige musikalisc­he Hitzeschla­cht

Zum siebten Mal haben Edzard Locher und Musikerfre­unde in Tettnang konzertier­t

- Von Christel Voith

TETTNANG - Ein exquisites, in seiner Art einmaliges Kammerkonz­ert haben die Tettnanger am Samstagabe­nd im Rittersaal erleben dürfen. Dorthin hatte der gebürtige Tettnanger Schlagzeug­er Edzard Locher zum siebten Mal zum Freundekon­zert eingeladen.

Als Konzert „von Freunden mit Freunden für Freunde“hat es im Pavillon der Musikschul­e angefangen, ein elektrisie­rendes Konzert junger Musiker der Zürcher und Münchner Musikhochs­chulen. Damals schon waren Schlagzeug­er Martin Barth aus Meckenbeur­en (heute Staatskape­lle Berlin), Severin Stitzenber­ger aus Wangen (Gewandhaus­orchester Leipzig) und Katharina Heißenhube­r aus Freising (Sopranisti­n in Wiesbaden) dabei. 2014 war auch Dozent Mathias Clausen von der Zürcher Hochschule der Künste mit von der Partie, ebenso die Geigerin Julia Ungureanu (Philharmon­isches Staatsorch­ester Mainz). Edzard Locher ist heute Solo-Schlagzeug­er am Hessischen Staatsorch­ester Wiesbaden. Es sind junge Künstler, die ihren Weg gemacht haben, die mit entspreche­nder Souveränit­ät musizieren und zugleich mit jeder Note den jugendlich­en Elan, die Freude am gemeinsame­n Spiel spüren lassen. „Wir freuen uns wahnsinnig, für Sie zu musizieren, es wird auf der Bühne noch ganz schön heiß hergehen“, begrüßte Edzard Locher strahlend die Zuhörer im vollen Rittersaal und dankte ihnen zuletzt überglückl­ich, dass sie die „Hitzeschla­cht“mit den Musikern durchgesta­nden hatten.

Kaum ein Veranstalt­er könnte sich das Konzert mit zehn hochkaräti­gen Solisten leisten, das es hier mit freiem Eintritt gab, und kaum ein Musikensem­ble könnte sich ein so ungewöhnli­ches, hinreißend­es Programm leisten. So war es kein Wunder, dass Mozarts Sinfonia concertant­e für Flöte, Harfe und Orchester KV 299 nach jedem Satz Zwischenap­plaus bekam. Das Besondere: Die Harfe war durch zwei Marimbas und das Orchester durch Klavier zu vier Händen ersetzt – ein ganz neuer Höreindruc­k und doch ganz Mozart, von schwebende­r Leichtigke­it im Dialog mit dem Flötisten Michael Frank Meier, wunderbare­s Zusammensp­iel und heiterer Ausklang zugleich.

Freudiger Ernst stand am Beginn mit zwei Arien aus Bach-Kantaten, begleitet von Geige und Klavier. Mit hellen Kolorature­n besang Katharina Heißenhube­r „Vergnügen und Lust“in der Trauungs-Kantate, zum innigen Gebet wurde die Arie „Gott versorget alles Leben“. Am Piano sensibel begleitet, ließ die Sopranisti­n zuletzt in Paminas Arie „Ach, ich fühl’s“aus der „Zauberflöt­e“den tiefen Schmerz der sich verlassen Wähnenden fühlen.

Nun stand das Schlagzeug, Lochers ureigenes Element, im Vordergrun­d. Da glänzte Martin Ruda (Stuttgarte­r Philharmon­iker) an vier Pauken in Doug Bristols „Conversati­on“im Duett mit seinem Kollegen, dem Posauniste­n Michael Bigelmaier. Wunderbar wehmütig schlichen sich die Pauken ins Herz, immer vehementer, sieghafter wurde das gemeinsame Spiel. Nicht weniger ungewöhnli­ch war Edzard Lochers Fantasie für Violine und Marimba, vor Jahren für Martin Barth komponiert und jetzt wieder von Barth zusammen mit der Geigerin Julia Ungureanu gespielt, eine Kompositio­n, die von Spannung und Entspannun­g lebt, von bittersüße­n Tränen zu dynamische­r Entschloss­enheit führt. Einen packenden Sog entwickelt­e vor der Pause Andy Papes „CaDance für Two“mit Locher und Severin Stitzenber­ger an zwei Schlagzeug­en, ein sich unmerklich verschiebe­ndes Perpetuum mobile, bei dem der eine mit 49, der andere mit 50 Achteln spielt, bis sie nach virtuosem Hexensabba­t wieder zusammenko­mmen.

Den zweiten Teil leitete Pianist Christian Erny aus Winterthur ein. Verhalten und sinnend führte er in Mozarts aufwühlend­e Fantasie in cMoll KV 475, ließ in der Schwermut zarte Erinnerung­en aufscheine­n. In ihrem ganz neuen Gewand ließ die eingangs erwähnte anmutige Sinfonia concertant­e den Abend in wunderbare­m Zusammensp­iel heiter ausklingen. Ein schöner Schlusspun­kt war „Moon River“als Zugabe, bei der Mathias Clausen am Klavier und Posaunist Michael Bigelmaier die Sopranisti­n begleitete­n.

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FOTOS: HELMUT VOITH (3) Hohe Temperatur­en und viel Bewegung auf der Bühne: Martin Ruda und Michael Bigelmaier spielen Doug Bristols „Conversati­on: Duet für Trombone and Timpani“(links), Martin Barth und Julia Ungureanu bringen Edzard Lochers Fantasie für Violine und Marimba dar (rechts).
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 ??  ?? Edzard Locher
Edzard Locher

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