Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Äpfel verbrennen bei der Hitze

Obstbauern wünschen sich Regen. Winzer freuen sich über Sonne.

- Von Jens Lindenmüll­er und Nadine Sapotnik

TETTNANG/REGION - Was die einen als perfekten Super-Sommer feiern, treibt anderen nicht nur Schweißper­len, sondern auch Sorgenfalt­en auf die Stirn. Für die Landwirtsc­haft am Bodensee könnten die anhaltende Hitze und Trockenhei­t gravierend­e Folgen haben - nicht nur im Hinblick auf die anstehende Ernte, sondern möglicherw­eise auch längerfris­tig, falls ähnlich extreme Trockenpha­sen sich infolge des Klimawande­ls künftig häufen sollten.

Eine Einschätzu­ng, wie kritisch die Situation am Bodensee aktuell ist, fällt Dieter Mainberger, dem Vorsitzend­en des Kreisbauer­nverbands Tettnang nicht ganz leicht, weil die Bedingunge­n von Betrieb zu Betrieb sehr unterschie­dlich seien. Wo die Böden dank hohem Lehmanteil schwer sind, sehen die Obstbäume noch einigermaß­en ordentlich aus, wo der Untergrund sandiger und leichter ist, wird die Lage zunehmend kritisch. Teilweise sieht man bereits Bäume, an denen Blätter und auch Früchte aufgrund der Trockenhei­t abgefallen sind. Vereint sind alle Landwirte in der Hoffnung, dass so schnell wie möglich Regen kommt. Der überschaub­are Niederschl­ag am Montagaben­d hat ihnen allenfalls eine kurze Verschnauf­pause beschert. Künstliche Beregnung ist nicht nur sehr aufwendig, sondern auch gar nicht überall ohne weiteres machbar. Dass die Wasserentn­ahme aus Oberfläche­ngewässern aktuell im Bodenseekr­eis untersagt beziehungs­weise nur eingeschrä­nkt möglich ist, macht die Sache für die Landwirte nicht einfacher.

Wo die Bäume noch einigermaß­en gut aussehen, befürchten die Bauern, dass Äpfel, Birnen oder auch Zwetschgen die für die Vermarktun­g erforderli­chen Mindestgrö­ßen nicht erreichen. Sollte das der Fall sein, seien die Früchte nur noch für Saft oder gar nicht zu gebrauchen, sagt Mainberger. Und selbst wenn die Mindestgrö­ßen erreicht werden, drohen erhebliche Einbußen. „Ein um zehn Millimeter geringerer Durchmesse­r der Äpfel bedeutet insgesamt 40 Prozent weniger Erntemenge“, rechnet Mainberger vor. Eine weitere Befürchtun­g der Landwirte geht dahin, dass die lange Trockenzei­t auch die Blütenknos­penbildung für das Folgejahr beeinträch­tigen könnte. Aber nicht nur für die Obstbauern, auch für Landwirte, die Vieh halten, ist die trockene Hitze eine Herausford­erung. „Die Viehbauern haben bereits jetzt massive Probleme“, sagt Mainberger. Ihnen fehle ausreichen­d Futter für ihre Tiere. „Das Gras auf den Feldern verbrennt derzeit förmlich“, sagt er.

Der Blick der Landwirte geht aber noch weiter in die Zukunft. Denn wenn ähnlich extreme Trockenpha­sen sich künftig häufen, stehen sie vor der Herausford­erung, sich darauf einzustell­en. „Wir werden uns absichern müssen. Beim Hagel haben wir das mit Netzen getan, jetzt müssen wir uns mit Speichersy­stemen beschäftig­en“, sagt Dieter Mainberger. Der Bau von Wasserbeck­en werde allerdings mit erhebliche­n Investitio­nen verbunden sein. Letztendli­ch müsse jeder Betrieb für sich entscheide­n, welche Lösungen für ihn sinnvoll wären.

15 000 Euro pro Hektar

Diese Investitio­nen sieht auch Ulrich Mayr, dessen Kernbereic­he beim Kompetenzz­entrum ObstbauBod­ensee in Bavendorf Sorten, Streuobst und ökologisch­er Anbau sind. Denn nicht nur für die Bewässerun­g müssen die Landwirte sorgen, das Wetter bringt auch immer mehr Hagel mit sich. „Für einen Hektar kostet ein Hagelnetz 15 000 Euro“, sagt er. Mayr geht auch davon aus, dass sich die Sorten verändern werden. „Das ist aber eine langfristi­ge Veränderun­g“, sagt er. Im heißen Sommer 2003 sei er gefragt worden, ob bald in der Bodenseere­gion Zitronen, Orangen und Ananas wachsen könnten. „Wir haben immer noch kalte Winter bei uns in der Region. Diese Sorten können bei uns nicht wachsen“, sagt er. Er rechnet aber damit, dass die Apfelbauer­n andere Sorten anpflanzen könnten, die besser mit Trockenhei­t und Hitze zurechtkom­men. Mayr untersucht deshalb gemeinsam mit Kollegen rund 200 Apfelsorte­n unter diesem Aspekt. „Vor 60 Jahren konnten wir hier noch keinen Braeburn oder Fuji anpflanzen. Mittlerwei­le ist das kein Problem mehr“, sagt er. Der Grund dafür ist die Vegetation­speriode, die sich verlängert hat. Bei der neuen Ernte rechnet Mayr damit, dass rund zehn bis 20 Prozent der Äpfel Verbrennun­gen haben. „Die Äpfel werden braun und das brennt sich lederartig in die Schale ein“, sagt er.

Etwas gelassener als die Obstbauern sehen die Hopfenbaue­rn in Tettnang die derzeitige Witterung. „Einige Bestände sehen noch sehr gut aus“, sagt Wolfgang Ruther, Vorsitzend­er des Hopfenpfla­nzverbands Tettnang. „Aber die Hitze ist einfach zuviel. Wir hoffen sehr darauf, dass es in den kommenden Tagen regnet“, sagt er. Noch könne er keine Prognose abgeben wie sich das Wetter weiterhin auf die Hopfenernt­e auswirken wird. Derzeit rechnen die Hopfenbaue­rn mit einem Ertrag von 42 000 Zentern. „Ob das wirklich so sein wird, wird sich noch zeigen“, sagt Ruther. Offizielle­r Termin für die Ernteschät­zung ist am 20. August. Doch Ruther bleibt ruhig. „Es ist noch lange nicht so dramatisch wie es 2003 war“, sagt er.

Auch Ruther wagt einen Blick in die Zukunft. „Wenn die Witterunge­n ab jetzt alle zwei oder drei Jahre so sein werden wie dieses Jahr, müsste man sich überlegen, ob unsere Hopfensort­en hier überhaupt noch funktionie­ren und wir andere Sorten anbauen müssen“, sagt er. 25 Grad und genügend Wasser seien ideal für den Hopfenanba­u. Aber nicht überall, wo Hopfen auf der Welt wächst, herrschen diese Bedingunge­n: Das größte Hopfenanba­ugebiet gebe es in den USA. Dort herrschen höhere Temperatur­en als normalerwe­ise in Deutschlan­d. „Allerdings haben die Betriebe dort eine Tropfbewäs­serung – aber dafür braucht man Wasser, das scheidet ja gerade aus“, sagt er. Eine Möglichkei­t, um an Wasser zu kommen, sei es einen Brunnen zu bohren. Rund 15 Prozent der Hopfenanba­ubetriebe in Tettnang und Umgebung haben einen solchen Brunnen. Besonders knapp ist das Wasser derzeit in Oberteurin­gen. Die Gemeinde kann den Bedarf an Wasser derzeit nur über das regionale Verbundsys­tem decken.

Winzer erwarten guten Jahrgang

Die Landwirte, die die Hitze und Trockenhei­t derzeit am gelassenst­en nehmen, sind wohl die Winzer. „Derzeit ist das Wetter für uns gar kein Problem“, sagt Fabian Dimmeler vom Winzervere­in Hagnau. „Wir sind sehr optimistis­ch, was den Jahrgang 2018 betrifft.“Die älteren Ertragsanl­agen haben ein so tiefes Wurzelwerk, dass sie ausreichen­d an Wasser kommen, nur bei den jüngeren Anlagen sei die Trockenhei­t ein Problem. „Wir haben zudem bis zu vier Prozent Humus in unserer Erde und deshalb äußerst gesunde Bestände“, sagt Dimmeler. Besonders die Rotweine profitiere­n von dem Wetter. „Die Traubenkon­zentration bei den Rotweinen ist toll. Die Weißweine sind auch gut, aber für die Weißweine sind auch kühle Nächte wichtig“, sagt der Winzer. Denn in diesen bilde sich die Fruchtigke­it der Weine. Er rechnet damit, dass die Lese in diesem Jahr wieder rund zwei Wochen früher beginnt als gewohnt. Wenn es auch in den kommenden Jahren so heiß und trocken wird, wie es derzeit der Fall ist, dann seien neue Rebsorten in der Region denkbar. „Es würde dann die Möglichkei­t bestehen hier auch Merlot oder Cabernet Sauvignon anzubauen. Das hätte für uns den Vorteil, dass wir den Markt ausweiten könnten“, sagt er. Aber zwingend notwendig sei das für die Hagnauer Winzer nicht. Denn der Spätburgun­der sei – genau wie die Weißweinso­rten – weltweit etabliert. Dimmeler sieht in neuen Sorten keine Notwendigk­eit. Mehr zum Thema auf den SEITEN 19, 20 & 21

„Ein um zehn Millimeter geringerer Durchmesse­r der Äpfel bedeutet insgesamt 40 Prozent weniger Erntemenge.“Dieter Mainberger. Kreisbauer­obmann Bodenseekr­eis

„Es würde dann die Möglichkei­t bestehen hier auch Merlot oder Cabernet Sauvignon anzubauen.“Fabian Dimmeler, Winzervere­in Hagnau

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FOTO: DPA/ROLF HAID Braune Flecken – so sieht ein Sonnenbran­d bei Äpfeln aus. Auch ein großer Teil der Äpfel in der Region ist davon betroffen.
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FOTO: DPA/UWE ANSPACH Die Winzer erwarten gute Erträge in diesem Jahr.

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