Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Äpfel verbrennen bei der Hitze
Obstbauern wünschen sich Regen. Winzer freuen sich über Sonne.
TETTNANG/REGION - Was die einen als perfekten Super-Sommer feiern, treibt anderen nicht nur Schweißperlen, sondern auch Sorgenfalten auf die Stirn. Für die Landwirtschaft am Bodensee könnten die anhaltende Hitze und Trockenheit gravierende Folgen haben - nicht nur im Hinblick auf die anstehende Ernte, sondern möglicherweise auch längerfristig, falls ähnlich extreme Trockenphasen sich infolge des Klimawandels künftig häufen sollten.
Eine Einschätzung, wie kritisch die Situation am Bodensee aktuell ist, fällt Dieter Mainberger, dem Vorsitzenden des Kreisbauernverbands Tettnang nicht ganz leicht, weil die Bedingungen von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich seien. Wo die Böden dank hohem Lehmanteil schwer sind, sehen die Obstbäume noch einigermaßen ordentlich aus, wo der Untergrund sandiger und leichter ist, wird die Lage zunehmend kritisch. Teilweise sieht man bereits Bäume, an denen Blätter und auch Früchte aufgrund der Trockenheit abgefallen sind. Vereint sind alle Landwirte in der Hoffnung, dass so schnell wie möglich Regen kommt. Der überschaubare Niederschlag am Montagabend hat ihnen allenfalls eine kurze Verschnaufpause beschert. Künstliche Beregnung ist nicht nur sehr aufwendig, sondern auch gar nicht überall ohne weiteres machbar. Dass die Wasserentnahme aus Oberflächengewässern aktuell im Bodenseekreis untersagt beziehungsweise nur eingeschränkt möglich ist, macht die Sache für die Landwirte nicht einfacher.
Wo die Bäume noch einigermaßen gut aussehen, befürchten die Bauern, dass Äpfel, Birnen oder auch Zwetschgen die für die Vermarktung erforderlichen Mindestgrößen nicht erreichen. Sollte das der Fall sein, seien die Früchte nur noch für Saft oder gar nicht zu gebrauchen, sagt Mainberger. Und selbst wenn die Mindestgrößen erreicht werden, drohen erhebliche Einbußen. „Ein um zehn Millimeter geringerer Durchmesser der Äpfel bedeutet insgesamt 40 Prozent weniger Erntemenge“, rechnet Mainberger vor. Eine weitere Befürchtung der Landwirte geht dahin, dass die lange Trockenzeit auch die Blütenknospenbildung für das Folgejahr beeinträchtigen könnte. Aber nicht nur für die Obstbauern, auch für Landwirte, die Vieh halten, ist die trockene Hitze eine Herausforderung. „Die Viehbauern haben bereits jetzt massive Probleme“, sagt Mainberger. Ihnen fehle ausreichend Futter für ihre Tiere. „Das Gras auf den Feldern verbrennt derzeit förmlich“, sagt er.
Der Blick der Landwirte geht aber noch weiter in die Zukunft. Denn wenn ähnlich extreme Trockenphasen sich künftig häufen, stehen sie vor der Herausforderung, sich darauf einzustellen. „Wir werden uns absichern müssen. Beim Hagel haben wir das mit Netzen getan, jetzt müssen wir uns mit Speichersystemen beschäftigen“, sagt Dieter Mainberger. Der Bau von Wasserbecken werde allerdings mit erheblichen Investitionen verbunden sein. Letztendlich müsse jeder Betrieb für sich entscheiden, welche Lösungen für ihn sinnvoll wären.
15 000 Euro pro Hektar
Diese Investitionen sieht auch Ulrich Mayr, dessen Kernbereiche beim Kompetenzzentrum ObstbauBodensee in Bavendorf Sorten, Streuobst und ökologischer Anbau sind. Denn nicht nur für die Bewässerung müssen die Landwirte sorgen, das Wetter bringt auch immer mehr Hagel mit sich. „Für einen Hektar kostet ein Hagelnetz 15 000 Euro“, sagt er. Mayr geht auch davon aus, dass sich die Sorten verändern werden. „Das ist aber eine langfristige Veränderung“, sagt er. Im heißen Sommer 2003 sei er gefragt worden, ob bald in der Bodenseeregion Zitronen, Orangen und Ananas wachsen könnten. „Wir haben immer noch kalte Winter bei uns in der Region. Diese Sorten können bei uns nicht wachsen“, sagt er. Er rechnet aber damit, dass die Apfelbauern andere Sorten anpflanzen könnten, die besser mit Trockenheit und Hitze zurechtkommen. Mayr untersucht deshalb gemeinsam mit Kollegen rund 200 Apfelsorten unter diesem Aspekt. „Vor 60 Jahren konnten wir hier noch keinen Braeburn oder Fuji anpflanzen. Mittlerweile ist das kein Problem mehr“, sagt er. Der Grund dafür ist die Vegetationsperiode, die sich verlängert hat. Bei der neuen Ernte rechnet Mayr damit, dass rund zehn bis 20 Prozent der Äpfel Verbrennungen haben. „Die Äpfel werden braun und das brennt sich lederartig in die Schale ein“, sagt er.
Etwas gelassener als die Obstbauern sehen die Hopfenbauern in Tettnang die derzeitige Witterung. „Einige Bestände sehen noch sehr gut aus“, sagt Wolfgang Ruther, Vorsitzender des Hopfenpflanzverbands Tettnang. „Aber die Hitze ist einfach zuviel. Wir hoffen sehr darauf, dass es in den kommenden Tagen regnet“, sagt er. Noch könne er keine Prognose abgeben wie sich das Wetter weiterhin auf die Hopfenernte auswirken wird. Derzeit rechnen die Hopfenbauern mit einem Ertrag von 42 000 Zentern. „Ob das wirklich so sein wird, wird sich noch zeigen“, sagt Ruther. Offizieller Termin für die Ernteschätzung ist am 20. August. Doch Ruther bleibt ruhig. „Es ist noch lange nicht so dramatisch wie es 2003 war“, sagt er.
Auch Ruther wagt einen Blick in die Zukunft. „Wenn die Witterungen ab jetzt alle zwei oder drei Jahre so sein werden wie dieses Jahr, müsste man sich überlegen, ob unsere Hopfensorten hier überhaupt noch funktionieren und wir andere Sorten anbauen müssen“, sagt er. 25 Grad und genügend Wasser seien ideal für den Hopfenanbau. Aber nicht überall, wo Hopfen auf der Welt wächst, herrschen diese Bedingungen: Das größte Hopfenanbaugebiet gebe es in den USA. Dort herrschen höhere Temperaturen als normalerweise in Deutschland. „Allerdings haben die Betriebe dort eine Tropfbewässerung – aber dafür braucht man Wasser, das scheidet ja gerade aus“, sagt er. Eine Möglichkeit, um an Wasser zu kommen, sei es einen Brunnen zu bohren. Rund 15 Prozent der Hopfenanbaubetriebe in Tettnang und Umgebung haben einen solchen Brunnen. Besonders knapp ist das Wasser derzeit in Oberteuringen. Die Gemeinde kann den Bedarf an Wasser derzeit nur über das regionale Verbundsystem decken.
Winzer erwarten guten Jahrgang
Die Landwirte, die die Hitze und Trockenheit derzeit am gelassensten nehmen, sind wohl die Winzer. „Derzeit ist das Wetter für uns gar kein Problem“, sagt Fabian Dimmeler vom Winzerverein Hagnau. „Wir sind sehr optimistisch, was den Jahrgang 2018 betrifft.“Die älteren Ertragsanlagen haben ein so tiefes Wurzelwerk, dass sie ausreichend an Wasser kommen, nur bei den jüngeren Anlagen sei die Trockenheit ein Problem. „Wir haben zudem bis zu vier Prozent Humus in unserer Erde und deshalb äußerst gesunde Bestände“, sagt Dimmeler. Besonders die Rotweine profitieren von dem Wetter. „Die Traubenkonzentration bei den Rotweinen ist toll. Die Weißweine sind auch gut, aber für die Weißweine sind auch kühle Nächte wichtig“, sagt der Winzer. Denn in diesen bilde sich die Fruchtigkeit der Weine. Er rechnet damit, dass die Lese in diesem Jahr wieder rund zwei Wochen früher beginnt als gewohnt. Wenn es auch in den kommenden Jahren so heiß und trocken wird, wie es derzeit der Fall ist, dann seien neue Rebsorten in der Region denkbar. „Es würde dann die Möglichkeit bestehen hier auch Merlot oder Cabernet Sauvignon anzubauen. Das hätte für uns den Vorteil, dass wir den Markt ausweiten könnten“, sagt er. Aber zwingend notwendig sei das für die Hagnauer Winzer nicht. Denn der Spätburgunder sei – genau wie die Weißweinsorten – weltweit etabliert. Dimmeler sieht in neuen Sorten keine Notwendigkeit. Mehr zum Thema auf den SEITEN 19, 20 & 21
„Ein um zehn Millimeter geringerer Durchmesser der Äpfel bedeutet insgesamt 40 Prozent weniger Erntemenge.“Dieter Mainberger. Kreisbauerobmann Bodenseekreis
„Es würde dann die Möglichkeit bestehen hier auch Merlot oder Cabernet Sauvignon anzubauen.“Fabian Dimmeler, Winzerverein Hagnau