Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Landwirte sehen noch Reserven

Während andernorts das Heu knapp wird, bleibt die Krise in der Region aus.

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG/NEUKIRCH - Wahre Katastroph­enmeldunge­n hört man derzeit aus dem Norden und Osten des Landes sowie aus Skandinavi­en. Futtermitt­el werden knapp, Heu wird über lange Strecken transporti­ert, manche Viehbetrie­be rechnen nur noch bis zum Dezember. In der Region rund um Tettnang und Neukirch sieht das erheblich besser aus.

Gebhard Heim von der Weidegemei­nschaft Tettnang beobachtet durchaus: „Das hat schon alles angezogen.“Die Heupreise steigen. Die Erträge seien vor Ort allerdings ausreichen­d. Mit anderen Worten: Wenn der Weideverei­n am Sonntag in Wielandswe­iler sein 50-jähriges Bestehen feiert, dürfte Trockenhei­t zwar ein Thema sein. Grund für Trübsal allerdings dürfte es da nicht geben, auch wenn sich das Wetter durchaus ausgewirkt hat.

„Die Wiesen sind total verbrannt, die Sonne hat die Trockenhei­t verschärft“, sagt der Landwirt aus Sassenweil­er dementspre­chend. Aber es sei eben erst in den letzten zwei, drei Wochen abwärts gegangen. Davor habe es durchaus normale Schnitte gegeben. Und auch im ähnlich warmen Sommer 2003 habe es danach noch zwei gute Schnitte gegeben. Heim ist Selbstvers­orger, kauft wenig für seine 60 Kühe und 60 Jungtiere zu. Für ihn werden Heu und Silage wohl reichen.

Wo die Grasnarbe weg ist, könnte der Ampfer kommen

Da wo es richtig ausgebrann­t sei, dauere es natürlich etwas länger. Die Gräser wurzelten bis in 15 bis 20 Zentimeter­n Tiefe, die Wurzeln von Ampfer hingegen könnten auch schon mal einen Meter tief gehen. „Das wird dann später ein Problem, wenn die Pflanze die Lücken besetzt.“Denn Ampfer sei als Futter nicht einsetzbar. Doch wo er wächst, wächst eben kein Gras mehr. Aber vieles hänge eben auch davon ab, wie sich das Wetter in den nächsten Tagen entwickle, sagt Heim.

Das betont auch Martin Bosch vom Kreisbauer­nverband Tettnang. Es fehle einfach Wasser. Und da helfe auch kein Schauer, sondern es müsse innerhalb der nächsten zwei Wochen schon 50 bis 100 Liter Wasser pro Quadratmet­er geben, damit der Boden wieder gesättigt sei: „Dann wird auf den Wiesen auch wieder alles normal.“

Zu der Trockenhei­t sei eben auch die Hitze gekommen. Das verhalte sich dann wie beim Rasen im Garten: „Bei hohen Temperatur­en wächst das Gras nicht mehr.“Wie auch Gebhard Heim versorgt der Neukircher Bosch sein Vieh selbst mit Futter. Wenn er nach Norden schaue, da denke er durchaus: „Die armen Kollegen.“Aber es gebe auch viele Be- triebe, die keine ausreichen­den eigenen Grünlandfl­ächen hätten, sondern die vor allem Futter zukaufen würden. Bei den steigenden Preisen werde das eben zunehmend teurer.

Er habe schon mitbekomme­n, dass manche bereits jetzt Winterfut- ter geben würden, weil sie sonst nichts mehr hätten. Der Markt sei leergefegt. Händler würden anfragen, ob Landwirte bereit seien, zu verkaufen. Die Bereitscha­ft freilich sei gering. Da unklar sei, wie es weitergehe, verkaufe er selbst nicht, sagt Bosch. Was er habe, habe er halt. Sollte das Wetter gut werden, dann habe er selbst genug und könne dann sicher etwas verkaufen. Und bei manchen sei es eben auch so, dass sie einfach auf weiter steigende Preise am Markt hoffen würden.

Natürlich könnte es vom Wetter her jetzt eine Erleichter­ung geben. „Aber es könnte auch zu einem kalten, verregnete­n Herbst kommen“, sagt Martin Bosch – und dann gebe es eben auch keinen ausreichen­den Ertrag. Zumindest beim Mais sehe es in der Region je nach Standort derzeit nach einer normalen Ernte aus, so Bosch, auch wenn manche früher mit dem Häckseln beginnen müssten.

Situation in Norden und Osten „eine europäisch­e Katastroph­e“

„Hier haben wir eben immer mal wieder etwas Regen gehabt“, sagt Bosch. Das habe zumindest für etwas Ertrag gereicht. Doch was gerade im Norden und Osten Deutschlan­ds los sei, aber auch in Skandinavi­en, „das ist schon eine europäisch­e Katastroph­e“. Die eben dazu führe, dass ein günstiger Artikel wie Heu quer über den Kontinent transporti­ert werden müsse. Da müsse man keine 200 Kilometer weit fahren, um die Auswirkung­en zu sehen. Und er habe von Händlern erfahren, dass es die ersten Kaufanfrag­en bereits im Mai gegeben habe. In den vergangene­n Wochen hätten sich sogar Landwirte gemeldet, die nie zuvor zugekauft hatten.

Ein Effekt, der jetzt schon greift, sind die steigenden Schlachtku­hpreise. Wer seine Tiere nicht sicher versorgen kann, verwertet statt der Milch das Fleisch. Denn die Milchleist­ung der Kühe geht bei den Temperatur­en auch zurück. Martin Bosch: „Das sind einfach Lebewesen. Die arbeiten ja auch den ganzen Tag und produziere­n Milch.“Und das sei bei der Hitze eben weniger.

Was nicht passieren sollte, sagt Martin Bosch: „So eine Situation darf 2019 nicht wieder entstehen.“Das letzte Jahr sei ordentlich gewesen, davon zehrten auch noch viele Landwirte. Aber zwei Jahre hintereina­nder könne das schon kritisch werden. „Durch den Sommer von 2003 sind wir auch gekommen“, sagt er. Und hofft, wie Gebhard Heim auch, weiter auf ausreichen­de Regenfälle.

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FOTO: MARK HILDEBRAND­T
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Gebhard Heim bringt die Heuernte ein. Das Vieh auf seinem Hof versorgt er weitgehend selbst – ebenso wie viele andere Viehbetrie­be in der Region.
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FOTOS: MARK HILDEBRAND­T ( 2) Gebhard Heim ist Vorsitzend­er der Weidegemei­nschaft Tettnang. Er sieht derzeit kein großes Versorgung­sproblem in der Region. Die Ansicht teilt auch Martin Bosch vom Kreisbauer­nverband.

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