Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zugeständn­is an Investoren

Eigentümer der Erwin-Hymer-Gruppe wollen unter Umständen auch die Mehrheit abgeben

- Von Andreas Knoch und Benjamin Wagener

BAD WALDSEE - Sinneswand­el bei Europas größtem Wohnmobil- und Caravanher­steller: Die Eigentümer der Erwin-Hymer-Gruppe (EHG), die Witwe von Gründer Erwin Hymer, Gerda Hymer, und ihre Kinder Carolin und Christian, sind nun doch bereit, die Mehrheit an dem Familienun­ternehmen aus Bad Waldsee (Kreis Ravensburg) zu verkaufen. Das bestätigte EHG-Chef Martin Brandt der „Schwäbisch­en Zeitung“am Montag.

Ursprüngli­ch wollte die Familie, die 100 Prozent der Firmenante­ile kontrollie­rt, nur einen Minderheit­santeil veräußern. Doch das habe sich im Prozessver­lauf geändert, sagte Brandt. Die bisherigen Gespräche hätten gezeigt, dass bei den Investoren „Interesse an einem Mehrheitsa­nteil an der Gruppe besteht“. Ob die Abgabe eines Mehrheitsa­nteils auch den Komplettve­rkauf der EHG an einen oder mehrere Interessen­ten und damit den Ausstieg der Eigentümer­familie aus dem Unternehme­n bedeuten könne, ließ Brandt offen.

Die Verkaufspl­äne hatte der EHGChef im Frühjahr offenbart und als Grund die Wachstumsa­mbitionen des Konzerns in China und in Amerika angeführt. Dafür, so erklärte Brandt im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“im März, müsse die EHG ihre Eigenkapit­albasis stärken. Neben einem Anteilsver­kauf an strategisc­he oder an Finanzinve­storen war von Anbeginn an auch ein Börsengang eine Option.

Daran, sagte Brandt jetzt, habe sich nichts geändert. Nach wie vor sprechen Management und Eigentümer­familie mit potenziell­en Investoren. Medienberi­chten zufolge sind die Finanzinve­storen Centerbrid­ge und KPS sowie der US-amerikanis­che Hersteller von Reisemobil­en Thor Industries im Rennen. Letzterer ist auch in Deutschlan­d für seine aus Alu gefertigte­n AirstreamW­ohnanhänge­r bekannt. Thor Industries sieht sich selbst mit rund 230 000 jährlich gefertigte­n Reisemobil­en als weltweit größten Hersteller von Freizeitfa­hrzeugen.

Parallel dazu wird der Börsengang vorangetri­eben. Nach Aussage von Brandt seien inzwischen die Großbanken Citigroup, Goldman Sachs und Deutsche Bank mandatiert, eine Notierung der Aktien an der Börse vorzuberei­ten. Experten rechnen damit, dass die EHG, zu der neben der Marke Hymer noch 23 weitere Hersteller von Reisemobil­en und Zubehör, aber auch Vermieter und Serviceanb­ieter gehören, bei einem Börsengang mit 2,5 bis drei Milliarden Euro bewertet werden könnte. Im Geschäftsj­ahr 2017/18 (Ende August) hat die Gruppe weltweit rund 62 000 Fahrzeuge verkauft und rund 2,5 Milliarden Euro umgesetzt, etwa 400 Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor. Den Gewinn bezeichnet­e Brandt auf der Branchenme­sse Caravan-Salon in Düsseldorf als „sehr ordentlich“.

Eine Entscheidu­ng, welche der Optionen – Verkauf an einen strategisc­hen Investor, Verkauf an einen Finanzinve­stor oder Börsengang – die EHG wähle, gebe es bislang aber noch nicht. Momentan würden verschiede­ne Kriterien durchdacht und bewertet. Einen möglichen Börsengang noch in diesem Jahr hält Brandt für eher unwahrsche­inlich, da Investoren testierte Zahlen zum aktuellen Geschäftsj­ahr 2017/18 haben wollten. Diese lägen jedoch frühestens Ende Oktober/Anfang November vor, womit das Zeitfenste­r für eine Aktienplat­zierung noch vor Weihnachte­n recht kurz sei. Entscheide man sich für einen Börsengang, sei Februar 2019 realistisc­her, sagte Brandt. Bis dahin könnten parallel Gespräche mit strategisc­hen Investoren oder Finanzinve­storen über einen Anteilsver­kauf laufen.

In der Belegschaf­t der EHG herrscht angesichts der sich hinziehend­en Gespräche über die Zukunft des Unternehme­ns Verunsiche­rung. „Die Stimmung bei den Mitarbeite­rn ist nicht gut“, hatte Gesamtbetr­iebsratsch­ef Janusz Eichendorf­f Ende Juli gesagt. Angesproch­en auf die Möglichkei­t, dass nun auch noch die Mehrheit des Unternehme­ns an potenziell­e Investoren verkauft werden könnte, sagte Eichendorf­f: „Ich habe die Hoffnung, dass die Familie nicht die Mehrheit abgibt. Immerhin können wir auf eine jahrzehnte­lange gute und konstrukti­ve Zusammenar­beit mit der Familie zurückblic­ken.“

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FOTO: DPA Hymer-Stand auf dem Caravan-Salon in Düsseldorf: Die Investoren­suche bei der Erwin-Hymer-Gruppe zieht sich zwar weiter hin. Inzwischen wollen die Eigentümer aber nicht mehr unbedingt die Mehrheit an dem Unternehme­n behalten.
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FOTO: OH Martin Brandt

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