Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Schwere Turbulenzen an der Freien Schule
Regierungspräsidium entzieht Anerkennungen für die Sekundarstufe – Unterrichtsstart am Montag ist offen
WANGEN - Das Regierungspräsidium (RP) Tübingen hat der Freien Schule Allgäu (FSA) die Genehmigungen zum Betrieb einer privaten Hauptschule, Realschule und Gemeinschaftsschule entzogen. Gleiches gilt für ihre Eigenschaft als anerkannte Ersatzschule. Nicht betroffen davon ist der Grundschulbereich. Die Schule hat am Mittwoch gegen diese Entscheidungen ein Eilverfahren beim Verwaltungsgericht (VG) Sigmaringen angestrengt. Völlig offen ist deshalb derzeit, ob für die Schüler der Klassen fünf bis zehn an der FSA ab Montag Unterricht stattfindet.
In den vergangenen Wochen haben die Freie Schule mehrere Bescheide des Regierungspräsidiums erreicht, den letzten am 21. August. In diesen widerrief die Behörde die staatlichen Genehmigungen für den Schulbetrieb in der kompletten Sekundarstufe. Der Grund, so ein RPSprecher: Die FSA verfügt nicht über eine ausreichende Anzahl an Fachlehrern, um die vorgeschriebenen Pflichtfächer in der Sekundarstufe I „durchgehend“abzudecken. Kurzum: Es mangelt an Fachpersonal. Dies aber sei notwendig, um die im Bildungsplan festgelegten Fächer und Inhalte unterrichten zu können.
Zuvor habe es „über mehrere Monate hinweg“Gespräche zwischen Behörden und FSA-Verantwortlichen gegeben. Am Ende aus Sicht des RP ohne Erfolg: „Irgendwann war das Ende der Fahnenstange erreicht“, so der Sprecher.
Wohl 17 Schüler betroffen
Nach dessen Informationen besuchen derzeit 17 Schülerinnen und Schüler die Freie Schule in den Jahrgängen fünf bis zehn. Ob und wo diese zum Schuljahresbeginn am Montag wieder lernen werden ist – Stand Mittwochabend – ungeklärt. Denn die Freie Schule hat gegen die RP-Bescheide der vergangenen Wochen Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen eingereicht, wie deren Sprecher erklärt. Zudem habe das Haus am Mittwoch ein Eilantrag der FSA erreicht. Dessen Ziel: Die eigentlich sofort wirksamen Genehmigungswiderrufe sollen ausgesetzt werden. Hätten diese Bemühungen Erfolg, könnte in der Sekundarstufe der FSA am Montag doch Unterricht stattfinden.
Diese Möglichkeit hielt ein Gerichtssprecher am Mittwochabend allerdings für nicht sehr wahrscheinlich – aus zeitlichen Gründen. Zunächst müsse das VG die Sachlage „gründlich prüfen“. Dafür bleibt der für Schulangelegenheiten zuständigen vierten Kammer vor Schuljahresbeginn noch zwei Arbeitstage Zeit. „Ich kann deshalb nicht sagen, ob eine Entscheidung schon Anfang der Woche steht“, so der Sprecher.
Dieser deutete aber an, dass sich das VG mit der am Mittwoch eingetroffenen Eilsache unter Druck gesetzt sieht: „Das Gericht wundert sich, warum sich die Schule so lange Zeit gelassen hat, Eilrechtsschutz zu beantragen.“Der Sprecher verwies auf die bereits am 30. Juli beziehungsweise am 31. August eingegangenen Klagen in der Hauptsache.
Sollte die Kammer vor Beginn des neuen Schuljahres nicht über den Eilantrag befinden, so bleibt der Schule nach seiner Darstellung nur ein Weg: Sie müsste mit dem Regierungspräsidium vorab eine außergerichtliche Vereinbarung treffen. Deren juristischer Inhalt könnte demnach eine vorübergehende Duldung des Schulbetriebs durch die Behörde sein.
Auch die Freie Schule Allgäu selbst hat sich am Mittwoch zu Wort gemeldet – per Rundschreiben an die Eltern, das die FSA am Nachmittag auf Anfrage auch der „Schwäbischen Zeitung“zur Verfügung gestellt hat. Darin gehen Vorstand und Schulleitung davon aus: „Der Schulbetrieb startet ohne Zweifel wie geplant in der nächsten Woche.“Denn sie glauben, dass „der Bescheid durch die Eil-Klage ausgesetzt ist“und sehen sich gut beraten von einem „absoluten Fachexperten“.
Schule: Fünf Kräfte gefunden
Ferner erklärt die Schule, zuletzt fünf neue Kräfte gefunden zu haben. Auch sei die Stundenanzahl einer weiteren Kraft erhöht worden. Vor diesem Hintergrund üben die FSAVerantwortlichen in dem Schreiben deutliche Kritik an den WiderrufEntscheidungen des Regierungspräsidiums und laden die Eltern für den heutigen Donnerstagabend zu einer Informationsveranstaltung in die FSA-Aula ein.
Konkret moniert die Schule: „Das Regierungspräsidium hat unsere Anstrengungen und Erfolge bislang leider weitgehend ignoriert und uns die staatliche Anerkennung entzogen.“Ebenfalls wirft sie der Behörde vor, zu schnell entschieden zu haben: „Durch unrealistisch knappe Zeitfenster zur Erfüllung der Forderungen durch das Regierungspräsidium wurde unsere Arbeit massiv erschwert und verzögert.“Mehr noch: „Dies legt für uns den Verdacht nahe, das dies eine beabsichtigte Strategie des Regierungspräsidium gegenüber unserer Schule ist.“Der RP-Sprecher verwies am Mittwoch hingegen darauf, dass sich Schul- wie Behördenvertreter in den vergangenen Monaten beiderseits „viel Mühe“gegeben hätten, es nicht zur Rücknahme der Genehmigung kommen zu lassen.
Ehe sich am Mittwoch die turbulenten Entwicklungen an der FSA mit der Einreichung des Eilverfahrens zuspitzten, hatte es in den vergangenen Tagen bei manchen Eltern bereits rumort. Peter Seifried etwa, in Tettnang lebender Vater einer Schülerin der Sekundarstufe, hatte am Montag in Sorge bei der Schule wegen der Lehrkräfte für das neue Schuljahr nachgefragt. In der Antwort wurden ihm die Namen jener FSA-Mitarbeiter genannt, die seine Tochter ab Montag in einzelnen Fächern unterrichten sollen. Darunter auch neue, auf die die FSA-Leitung in ihrem Rundschreiben vom Mittwoch verweist.
Die Antwort der Schule an Seifried liegt der „Schwäbischen Zeitung“vor. Gleiches gilt für eine EMail des Staatlichen Schulamts an diesen vom Dienstag. Seifried hatte dort wegen der Lehrkräftesituation an der FSA nachgehakt und erfuhr aus Markdorf nach eigenen Angaben erstmals vom Widerruf der Genehmigungen. Außerdem heißt es in der Antwort: „Das Schulamt Markdorf hat die Schule auf ihre Informationspflicht hingewiesen und ist von der Annahme ausgegangen, dass die Schulgemeinschaft bzw. Sie als Eltern von den verantwortlichen Personen (Schulträger, Schulleitung) informiert worden sind.“
„Irgend etwas stimmt nicht“
Sätze wie diese lassen den Schluss zu, dass zumindest nicht alle Eltern über die sich zuspitzende Situation rund um die Freie Schule Bescheid wussten. Peter Seifried jedenfalls behauptet, dass diese Annahme bis zum Dienstag für alle gegolten habe. Er ist sauer: „Das ist für mein Kind eine Belastung – und für alle anderen auch. Irgend etwas stimmt an der Schule nicht.“
Das sehen Vorstand und Schulleitung sicher anders. In dem Rundschreiben an die Eltern geben aber auch sie Einblicke in ihre Gefühlswelt: „Wir sind gleich zu Beginn mit dieser hoffentlich schwersten Aufgabe unserer gesamten Amtszeit überfallen worden, und hoffen, es wird alles bald ruhiger und zuversichtlicher.“Zumindest in den nächsten Tagen dürfte das nicht der Fall sein.