Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Interview
MECKENBEUREN - Erstmals ist Elisabeth Kugel in der Reihe der SZSommerinterviews vertreten. Acht Monate hat die 47-Jährige nun das Amt als Meckenbeurer Bürgermeisterin inne. Im Gespräch mit Mark Hildebrandt und Roland Weiß wusste sie in der Rückschau von sehr viel Positivem zu berichten, zeigte sich pragmatisch, was die B 30 betrifft, und deutete starkes Interesse an einer Kreistags-Kandidatur 2019 an.
Doch zunächst das Thema schlechthin: Frau Kugel, hatten Sie auch unter der Hitze zu leiden?
Ich komme mit jedem Wetter gut klar, also auch der diesjährigen Hitzewelle. Allerdings habe ich Mitgefühl für die Not unserer Landwirte, die mit dem Wassermangel und der Trockenheit zurechtkommen mussten.
Menschen und Inhalte kennenzulernen – das haben Sie im April im Interview zu 100 Tagen Amtszeit als prägnant für den ersten Abschnitt empfunden. Ist eine solche Schwerpunktsetzung auch für die zweiten 130 Tage festzustellen?
Mit im Vordergrund stand, über die eigene Gemeindeverwaltung hinaus weitere Kooperationspartner kennenzulernen – sei es beim Regierungspräsidium oder beim Landratsamt. Oder auch auf örtlicher Ebene – etwa beim Unternehmerstammtisch, zu dem die Gemeinde eingeladen hatte. Hier fand ich es bemerkenswert, wie groß das Interesse war und wie ergiebig die Informationen aus der Runde.
Wie hat sich die Arbeit mit dem Gemeinderat entwickelt? Spüren Sie noch Vorbehalte?
Ich empfinde es als sehr gute Entwicklung. Die Räte haben erkannt, dass ich mich gut einarbeite und vorbereite, dass ich auch große und heikle Themen professionell angehe und vorantreibe bzw. löse.
Sehr gut finde ich, dass ich aus allen Fraktionen respektvolle und zufriedene Rückmeldungen bekomme. Die Gemeinderäte merken, dass ich sie als Personen wertschätze und Wert auf eine offene und gleichberechtigte Kommunikation lege.
Was Skepsis in der Sache nicht ausschließt – vom einen oder anderen wurde sie zum Rahmenplan Liebenau geäußert, er sei in Wirklichkeit ein „Rahmenplan Stiftung Liebenau“.
Die Verwaltung hat nie verhehlt, dass die Entwicklung der Stiftung Liebenau ein Aufhänger für den Rahmenplan ist. Zugleich aber werden wir selbstverständlich die öffentlichen Themen im Sinne der Gemeinde entwickeln: sei es Wohnbau, Straße, Treffpunkt, Bolzplatz oder auch Feuerwehrhaus. In den Reaktionen, teils im Rat, teils in der Bevölkerung, war eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber der Stiftung Liebenau zu bemerken. Gegenüber dem größten Arbeitgeber in der Gemeinde gibt es sehr viel Wohlwollen, aber eben auch Skepsis wegen einer möglichen Vereinnahmung.
Manche Bürger sehen den Rahmenplan aufgrund der Beteiligung der Stiftung bereits als unabänderbar an. Das entspricht nicht den Tatsachen. Verwaltung und Gemeinderat werden sich fair und sachkompetent damit auseinandersetzen und deutlich machen, dass die Bürgerbeteiligung im Herbst durchaus ihren Sinn hat. Die Angst mancher Bürger, auch nicht ernst genommen zu werden, ist aus meiner Sicht sachlich nicht begründet.
Informationen zur B 30-neu gibt es seitens des Regierungspräsidiums Tübingen (RPT) für die Bürger am 23. Oktober. Ist da auch für Sie persönlich Neues zu erwarten, nachdem Sie bereits zweimal informiert wurden?
Ich denke schon. Bis zum Jahresende finden ja noch weitere Abstimmungen zwischen dem Regierungspräsidium und dem Bundesministerium statt. Sie dürften mehr Deutlichkeit in die Frage hineinbringen, welche Trasse nun von wem präferiert wird. Grundsätzlich bin zufrieden, dass es der Verwaltung und mir gelungen ist, den Informationsfluss wieder in Gang zu bringen.
Jetzt wird darüber spekuliert, zuletzt bei der Begehung der B 30-neu von Ravensburg her, dass es derzeit darum geht, wer Überbringer des Schwarzen Peters zu sein hat – nämlich dass es die Osttrasse wird?
Das ist Aufgabe des Verkehrsministeriums und des Regierungspräsidiums. Aber wenn dem so ist, dann müsste sich dies ja aufgrund der Gutachten ergeben. Die Gemeinderäte der betroffenen Kommunen haben sich jedenfalls klar positioniert. Ich glaube durchaus, dass der lange Prozess auch damit zu tun hat, dass die gesetzliche Entwicklung konträr zu dem steht, auf was sich die Menschen seit der Entscheidung für die Trasse West im Jahr 1998 eingestellt haben. Als Bürgermeisterin sehe ich das inzwischen pragmatisch – ich bin für die Lösung, die den Menschen in Meckenbeuren am schnellsten eine Umfahrung bringt. Dabei weiß ich sehr wohl um die Probleme. Bei Ost, dass es eine Vielzahl an Grundstückseigentümern gibt, die sich wehren werden, bei West um die Frage der Rechtssicherheit.
Wo ist der Druck größer – auf dem Wohnungsmarkt oder durch fehlende Gewerbeflächen?
Der Wohnungsbau ist das dringlichere Thema. Bei den Gewerbegebieten haben wir noch Ressourcen und die Hoffnung, die bestehenden noch ausbauen und abrunden zu können.
Beim Wohnbau führen wir noch Vorgespräche, was die unterschiedlichen Bedarfe betrifft. Ich habe nicht vor, die Quartiersentwicklung Buch auf die lange Bank zu schieben. Im Gemeinderat wird am Ende zu entscheiden sein, wie die Prioritätenliste aussieht. Das fließt dann in den Flächennutzungsplan ein und legt einen ungefähren Zeitplan auch für das Quartier Buch nahe. All das immer im Wissen, dass wir die Bürgerschaft noch intensiv einbinden werden und außerdem noch nicht im Besitz aller dafür relevanten Grundstücke sind. Elisabeth Kugel will mit dieser Frage in Gesprächen mit den Bauherren auch an deren Verantwortung appellieren
Den Bezug der Asylunterkunft in der Zollernstraße haben Sie hautnah in verantwortlicher Position mitbekommen. Welche Erfahrungen nehmen Sie mit?
Sehr gute Erfahrungen. Das bezieht sich sowohl auf die Vorbereitung hier im Rathaus als auch auf die Veranstaltungen und Gespräche vor Ort. Das gilt auch für den Austausch mit den Kritikern, denen wir beispielsweise verdeutlichen konnten, warum das Haus so massiv gebaut wurde.
Das nächste große Projekt ist der Neubau im Hibiskusweg. Hier gab es Kritik daran, wie die Bürgerversammlung ausgeflaggt war. Stehen Sie zu dem Vorgehen, den Hibiskusweg
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als Standort in der Ankündigung nicht zu nennen?
Ja, ich denke, das war richtig herum aufgezäumt. Unser Ziel war es, dass so viele Bürger wie möglich kommen. Wir wollten auch abklopfen, ob es noch andere Möglichkeiten der Unterbringung gibt, etwa private Angebote. Das wäre nicht der Fall gewesen, wenn wir den Standort Hibiskusweg im Voraus genannt hätten. Außerdem finde ich, dass wir als Verwaltung auch in dieser Sache gezeigt haben, dass wir gesprächsbereit sind.
Welche Reaktionen erfahren Sie generell auf ihr Konzept der Bürgerbeteiligung und dessen Umsetzung?
Die Bürgersprechtage werden intensiv in Anspruch genommen. Ich habe damit mein Ohr direkt am Bürger. Daraus ergibt sich für mich die Möglichkeit, Anliegen und Menschen zu verknüpfen, die sich gegenseitig weiterbringen können.
Eine frühe Bürgerbeteiligung stellt uns als Verwaltung immer wieder vor die Herausforderung, dass Projekte zu diesem Zeitpunkt noch nicht unter Dach und Fach sein können, da vieles noch in Bewegung ist und alle Beteiligten sich zunächst mit Teilausschnitten und Zwischenständen zufriedengeben müssen. Dies funktioniert nur, wenn die Erwartungshaltung nicht mit Perfektionismus Druck macht, sondern von Kreativität und gegenseitigem Vertrauen getragen ist. Das macht deutlich, dass es sich immer wieder neu um einen Prozess handelt, der gemeinsam gestaltet werden muss.
Ganz grundsätzlich hängt das Konzept der Bürgerbeteiligung für mich mit der Idee einer „selbstbewussten Bürgerschaft“zusammen. Dabei ist von größter Bedeutung, dass jedes Individuum lernt, seine eigenen Bedürfnisse klar zu äußern, sie aber auch in Einklang zu bringen mit dem großen Ganzen. Hier kann es eine reife Leistung und eine erfüllende Erfahrung sein, wenn im Kompromiss vornehme Zurückhaltung gelingt und man durch ein vertretbares Opfer andere Menschen glücklicher machen kann. Ich glaube daran, dass in Meckenbeuren dieses Bewusstsein und Selbstverständnis bereits vielfach vorhanden ist und sich mehr und mehr durchsetzen wird. Auf dieser Grundlage wird Bürgerbeteiligung zwar von allen Beteiligten intensiven Einsatz fordern, aber auch große Zufriedenheit und Zusammengehörigkeit ermöglichen.
Woran liegt es, dass die Umsetzung des BBP Alte-Schmiede-Platz noch auf sich warten lässt? Gibt es Gründe, die von der Gemeinde zu verantworten sind?
Nein, gibt es nicht. Es liegt noch kein Bauantrag vor. Allerdings hoffe ich für die weiteren Planungen auf inhaltliche Abstimmungen mit dem Bauherrn, weiß aber auch, dass sich diese wohl eher nicht auf die Höhe der Gebäude beziehen werden. Aber vielleicht lässt sich ja noch an einer Infrastruktur arbeiten, die auch die Bevölkerung als bereichernd empfindet. Vor allem nachdem es im Wohnpark St. Georg leider nicht mit dem ursprünglich geplanten öffentlichen Café geklappt hat.
Sie setzen auch hier auf Gespräche ...
Ja, nur im Gespräch kann ich meine Vorstellung von dem, was für das Gemeinwesen Meckenbeuren zielführend wäre, vermitteln – und an die Verantwortung der Bauherrn appellieren, mit der Überlegung: Wie können wir mit diesen Projekten auch das Gemeinwesen fördern? Dazu muss die Gemeinde allerdings eine attraktive Partnerin sein, um die Bauherrn ins Boot zu holen.
Sie haben einen neutralen Berater als ,Gegenüber’ gewählt, um sich über kommunikative und kommunalpolitische Themen auszutauschen. Bewährt sich dies?
Ja. Ein neutraler und fachkundiger Beobachter von außen ist für mich wichtig, um meine Positionen in aller Offenheit vertraulich reflektieren zu können, meine Unabhängigkeit zu bewahren und um selber klar zu werden. Das gibt mir Sicherheit und befördert Qualität.
Im Rückblick auf die ersten acht Monate – was lief denn gut, was weniger?
Vieles lief wirklich gut. Es fällt mir nichts ein, was wirklich schlecht gelaufen ist. Ich durfte erleben, dass Meckenbeuren viel zu bieten hat und auch einiges zu feiern. Dieses Potential weiterhin mit allen Beteiligten gestalten und entwickeln zu dürfen, ist mir eine große Ehre.
Natürlich war es eine enorm anstrengende Zeit, in der ich sehr vieles gelernt habe, auch über mich, und die dazu geführt hat, dass ich inzwischen voll und ganz in meinem Amt als Bürgermeisterin angekommen bin.
Wie wichtig ist Ihnen hierbei der Glaube?
Mein christlicher Glaube hat für mich zentrale Bedeutung und bietet Orientierung für mein Denken und Handeln. Aber auch über christliche Bilder hinaus ist die menschliche Vorstellungskraft ein mächtiges Instrument, das für uns alle wertvolle Chancen bietet. Was wir tagtäglich denken und sagen, trägt unwillkürlich Früchte. Darum besinne ich mich immer wieder und gebe meinen Gedanken bewusst eine Richtung. Dafür finde ich auch Gottesdienste oder ganz allgemein stille Stunden sehr lohnend.
„Wie können wir mit diesen Projekten auch das Gemeinwesen fördern?“
Was wird Sie kommunalpolitisch im Lauf des Jahres noch beschäftigen?
Zwei Schwerpunkte gibt es zu benennen: Zum einen die Klausurtagung des Gemeinderats Ende Oktober. Sie hat das neue kommunale Haushaltsrecht und die Fortschreibung des Flächennutzungsplans als Hauptthemen, sodass es damit 2019 in die Vollen gehen kann.
Parallel dazu erscheint es mir auch wesentlich, der Personalentwicklung im Rathaus und darüber hinaus einen angemessenen Stellenwert einzuräumen und auch die Führungskompetenzen weiter zu verfeinern. Mein Ziel ist, dass alle maximal motiviert und perfekt platziert ihr Bestes geben können und den anstehenden Herausforderungen offen und souverän begegnen.
Und noch weiter vorausgeblickt: Können Sie sich eine Kandidatur für den Kreistag im Jahr 2019 vorstellen?
Grundsätzlich ja. Denn ich bin der Meinung, dass Meckenbeuren im Kreistag weiterhin stark vertreten sein sollte. Derzeit führe ich sondierende Gespräche. Ein Gedanke in diesem Zusammenhang ist, dass die Arbeit vor Ort nicht darunter leiden darf. Aber wenn ich allein schon in meine Amtsleiterrunde schaue, dann wird vieles möglich.