Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Im Hospiz herrscht keine depressive Stimmung“
Hospiz im Franziskuszentrum betreut seit 20 Jahren Menschen bis zum Tod
FRIEDRICHSHAFEN (rup) - Am Anfang, erinnert sich Brigitte TauscherBährle, habe man so manchen Arzt noch vom Sinn und der Notwendigkeit eines Hospizes in Friedrichshafen überzeugen müssen. Davon ist heute, 20 Jahre nach seiner Gründung, nicht mehr die Rede: Das Hospiz ist angekommen. Brigitte Tauscher-Bährle ist die Vorsitzende des Hospizvereins. Eine fröhliche Frau, obwohl sie auf der Hospizstation im Franziskuszentrum täglich mit dem Sterben konfrontiert ist. „Im Hospiz herrscht keine depressive Stimmung“, sagt sie. „Hier wird viel miteinander geredet und durchaus auch gelacht.“
Das Hospiz hat neun Einzelzimmer und es nimmt im Jahr etwa 90 bis 110 Menschen auf. Wer hierherkommt, dem muss der Arzt ein absehbares Lebensende bescheinigen, er muss – hart formuliert – „austherapiert“sein. Andernfalls übernimmt die Krankenkasse die Kosten nicht. „Unsere Gäste sind durchschnittlich zwischen 18 und 20 Tage bei uns“, sagt Tauscher-Bährle. „Einige sterben aber auch schon innerhalb von zwei Stunden oder erst nach mehreren Monaten.“Den pro Jahr Aufgenommenen standen in den vergangenen neun Monaten etwa ebenso viele Menschen gegenüber, die auf der Dringlichkeitsliste standen, im Hospiz keinen Platz fanden, erzählt Pflegedienstleiterin Marina Stiller – entweder, weil sie inzwischen von einem anderen Hospiz aufgenommen wurden, oder weil sie bereits verstorben waren, als ein Zimmer frei wurde.
Bereits 1990 sahen die beiden Krankenhausseelsorger, Diakon Bernd Strohmaier und Pfarrer Klaus Brune, die Notwendigkeit, abseits des Klinikalltags einen beschützenden Raum für Sterbende zu schaffen. Damit traten sie an die Stiftung Liebenau heran. Sich auf diese Trägerschaft einzulassen, war ein mutiger Schritt der Stiftung, erinnert sich Tauscher-Bährle, denn es gab damals noch keine gesetzliche Grundlage zur Finanzierung von stationären Hospizplätzen. Erst ab 1998 wurden 90 Prozent der Kosten erstattet. Seit 2017 sind es 95 Prozent. Warum lässt der Bundestag die Hospize auf den verbleibenden fünf Prozent der Kosten sitzen? „Ich nehme an, damit sich Hospize nicht zum Geschäftsmodell entwickeln“, sagt Tauscher-Bährle. Die Gefahr, dass der zentrale humane Gedanke wegen Profitinteressen auf der Strecke bleibt, sollte gebannt werden. Kostendeckend arbeiten kann das Hospiz also nicht. Eben deshalb ist der Hospizverein so wichtig: Er übernimmt den jährlichen Abmangel, der im Jahr zwischen 50 000 und 100 000 Euro beträgt. Dass dem Hospizverein 2009 eine Erbschaft zukam, hilft dabei, solche Summen aufzubringen. Trotzdem ist der Verein auf Spenden angewiesen.
16 hauptamtliche Pflegekräfte
Damit sie fließen, hat sich das MTURRPS-Orchester zu einem Benefizkonzert bereit erklärt. Es findet bei freiem Eintritt im GZH statt. Brigitte Tauscher-Bährle ist aber auch wichtig, dass die Konzertbesucher in der geselligen und fröhlichen Atmosphäre dieses Konzerts etwas über das Hospiz erfahren. Außerdem stellt der Hospizverein gemeinsam mit der Buchhandlung Gessler 1862 den Themenabend „Endlich leben!“auf die Beine. Gesprochen wird über sechs Bücher, die um das doppelsinnig formulierte Motto kreisen.
Seit der Gründung am 1. August 1998 bis zum August 2018 wurden im Hospiz 1675 Menschen betreut, gepflegt und bis zum Tod begleitet. Auf die Endlichkeit ihres Lebens seien allerdings viele nicht vorbereitet, meinen Brigitte Tauscher-Bährle und Marina Stiller – „obwohl jedem klar sein müsste, dass es auch ihn treffen wird“. Sich mit der eigenen Vergänglichkeit zu beschäftigen, das sei eine Lebensaufgabe, Tauscher-Bährle.
16 hauptamtliche Pflegekräfte arbeiten im Hospiz, die meisten davon in Teilzeit. Unterstützt werden sie von rund 35 aktiven Ehrenamtlichen des Hospizvereins. „Sie bieten den Gästen das Essen an, gehen mit ihnen an den See und zum Einkaufen oder sitzen bei ihnen am Bett“, zählt Brigitte Tauscher-Bährle einige der Aufgaben auf. Weitere Ehrenamtliche besuchen Kranke im Palliativzimmer des Klinikums, suchen sie zu Hause auf oder halten Sitzwachen in den Pflegeheimen der Stadt.
Mit einem ersten Informationsabend startet am Dienstag, 13. November, um 19 Uhr im Franziskuszentrum ein neuer Ausbildungskurs für Ehrenamtliche. Der neunmonatige Kurs erstreckt sich über fünf Samstage sowie einige Abendveranstaltungen und eine „Schnupperzeit“auf der Hospizstation. „Niemand muss zum Beginn des Kurses wissen, ob er sich auch wirklich im Hospiz einbringen will“, sagt Brigitte Tauscher-Bährle. Sie weiß: Wenn man Ehrenamtliche gewinnen will, hilft es nicht, sie durch Entscheidungsdruck abzuschrecken. bekräftigt daher