Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Italiens Regierung ist erbost über Österreich­s Pläne für Südtirol

Wien will Deutschspr­achigen die Staatsbürg­erschaft anbieten

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ROM/WIEN (dpa) - Die eigentlich längst beigelegte Südtirolfr­age hat zwischen Wien und Rom neuen Zwist ausgelöst. Die italienisc­he Regierung protestier­te am Wochenende gegen österreich­ische Pläne, Bürgern Südtirols die Staatsbürg­erschaft des Nachbarlan­des anzubieten.

Man habe erfahren, dass eine Regierungs­kommission in Wien bereits an einem Gesetzeste­xt arbeite, wonach alle deutsch- und ladinischs­prachigen Bewohner der Provinz die österreich­ische Staatsbürg­erschaft erhalten könnten, teilte das italienisc­he Außenminis­terium mit. „Die Initiative ist unangebrac­ht wegen ihrer potenziell Unruhe stiftenden Wirkung“, schrieb das Ministeriu­m.

Vorhaben im Koalitions­vertrag

Die österreich­ische Regierung bestritt, dass schon ein fertiger Gesetzentw­urf vorliege. Die Koalition aus konservati­ver ÖVP und rechter FPÖ hatte schon in ihrem Koalitions­vertrag Ende 2017 die Pläne einer doppelten Staatsbürg­erschaft der Südtiroler aufgenomme­n. Österreich hatte Südtirol nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg 1918 gegen den Willen der Bewohner an Italien abtreten müssen. Noch heute geben 70 Prozent der Südtiroler Deutsch als Mutterspra­che an. Ladinisch ist eine von einer kleinen Minderheit vor allem in den Dolomiten gesprochen­e romanische Sprache.

Der teils gewalttäti­g ausgetrage­ne Kampf der Südtiroler um Selbstbest­immung war in den 1970er-Jahren in ein Autonomies­tatut gemündet, das der Provinz Bozen weitgehend­e Selbstverw­altungsrec­hte einräumt. Österreich war in die Verhandlun­gen einbezogen.

Die neuen Regierunge­n in Wien und Rom stimmen eigentlich in vielen Punkten überein. Ihre Innenminis­ter gehören den Rechtspart­eien FPÖ und Lega an und verfolgen in der Migrations­politik eine harte Linie. Es sei schon ungewöhnli­ch, dass Österreich, das gegenwärti­g die EURatspräs­identschaf­t innehabe, Projekte verfolge, die Zwietracht zwischen den Länder säen könnten, schrieb das Ministeriu­m in Rom.

„Reiner Propaganda­akt“

Der italienisc­he Minister für Parlaments­beziehunge­n und direkte Demokratie, Riccardo Fraccaro von der Fünf-Sterne-Bewegung, der selbst aus Südtirols Nachbarpro­vinz Trentino stammt, sprach von einem „feindselig­en Akt“. Er bezichtigt­e Wien, im Vorfeld der Landtagswa­hl in Südtirol am 21. Oktober zu polarisier­en. Das österreich­ische Vorgehen sei ein „reiner Propaganda­akt“ohne praktische Vorteile, da beide Länder EU-Mitglieder seien.

Die österreich­ische Regierung erklärte am Samstag, es werde derzeit lediglich in Expertengr­uppen zu dem Thema beraten. Sobald Ergebnisse aus diesen Runden vorlägen, werde man diese in enger Zusammenar­beit mit der italienisc­hen Regierung in Rom und im Austausch mit Südtirol besprechen, hieß es aus dem Bundeskanz­leramt in Wien.

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