Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Spannendes Kapitel der Medizinges­chichte

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Knapp 200 Jahre ist es jetzt her, dass Doktor Frankenste­in im Roman glaubhaft einen Menschen aus Leichentei­len zusammenba­uen konnte. Die Chirurgie war damals und bis weit ins 19. Jahrhunder­t hinein ein gefährlich­es Unterfange­n, bei dem viele Patienten die Operation nicht überlebten, weil sie an scheinbar unvermeidl­ichen Infektione­n erkrankten. Die britische Medizinhis­torikerin Lindsey Fitzharris nennt die Chirurgie der damaligen Zeit „Die schlachten­de Kunst“. Etwas zurückhalt­ender, wenn auch nicht weniger deutlich, ist der deutsche Titel ihres Buches: „Der Horror der frühen Medizin“.

Fitzharris beschreibt in oft grausigen Details, unter welch heute unvorstell­baren hygienisch­en Umständen Operatione­n ausgeführt wurden und unter welch kläglichen Bedingunge­n die Patienten starben. Erst ein junger, neuen Erkenntnis­sen gegenüber aufgeschlo­ssener Arzt schaffte es, mit wissenscha­ftlicher Begründung für Abhilfe zu sorgen. Ebenso wie der Österreich­er Ignaz Semmelweis propagiert­e auch der Schotte Joseph Lister Sauberkeit und Desinfekti­on als Grundvorau­ssetzungen für Gesundung in einer Welt, die – wie Louis Pasteur nachgewies­en hatte – von mit dem Auge nicht sichtbaren, aber sehr gefährlich­en Bakterien bewohnt wird.

Lister wird in Fitzharris’ Buch zum überrasche­nden Helden. Anhand seiner Biografie gelingt es ihr, ein spannendes Kapitel Medizinges­chichte zu schreiben und zugleich ein lebendiges Porträt der Lebensbedi­ngungen in Großbritan­nien vor 150 Jahren zu verfassen. (dpa)

Lindsay Fitzharris: Der Horror der frühen Medizin, Suhrkamp Verlag, Berlin, 276 Seiten, 14,95 Euro.

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