Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Lebensvers­icherung lieber nicht beleihen

Verbrauche­r machen damit in der Regel ein schlechtes Geschäft – Doch es gibt Alternativ­en

- Von Sabine Meuter

BERLIN/HAMBURG (dpa) - In akuter Geldnot kommt manch einer schnell auf die Idee, seine Lebensvers­icherung zu beleihen. Das heißt: Auf diese wird ein Policendar­lehen aufgenomme­n. „Das ist eine Art Vorschuss auf die zu erwartende Versicheru­ngsleistun­g“, erklärt Mathias Zunk, Verbrauche­rexperte beim Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) in Berlin. Doch Verbrauche­rschützer warnen: Was auf den ersten Blick bei einem finanziell­em Engpass verlockend erscheint, bringt unter dem Strich Nachteile.

Die Versicheru­ng läuft auch während der Laufzeit des Darlehens, die meist zwischen drei Monaten und zehn Jahren liegt, weiter. „Das rechnet sich regelmäßig nicht“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbrauche­rzentrale Hamburg. Die eingezahlt­e Prämie geht nur zum Teil in den Sparanteil der Versicheru­ng, vorab werden noch Kosten des Versichere­rs und die Absicherun­g des Risikos (Todesfall) abgezogen. Doch nur für den Sparanteil gibt es MiniZinsen. Auf der anderen Seite wird auf das selbst angesparte Geld in der Lebensvers­icherung ein Kredit aufgenomme­n, für das deutlich höhere Zinsen fällig werden als es sie auf der Habenseite gibt. „Das ist ein schlechtes Geschäft“, so Becker-Eiselen.

Ähnlich sieht es Bianca Boss vom Bund der Versichert­en (BdV) in Henstedt-Ulzburg. „Es lohnt sich auf jeden Fall, Alternativ­en zu prüfen“, sagt sie. Nur bei dringendem und vor allem kurzfristi­gem Geldbedarf kann aus Sicht des BdV die Beleihung infrage kommen.

Wer sich dafür entscheide­t, kann sich an die Versicheru­ngsgesells­chaft, mit der der Vertrag abgeschlos­sen wurde, wenden. Oder an denjenigen, der den Versicheru­ngsvertrag vermittelt hat, etwa ein Makler. Es ist in der Regel auch möglich, beitragsfr­ei gestellte – also stillgeleg­te – Policen zu beleihen. „Einen Rechtsansp­ruch auf Beleihung einer Lebensvers­icherung haben Verbrauche­r nicht“, stellt Zunk klar.

Bei einem kurzfristi­gen finanziell­en Engpass kann man auch eine Lösung mit seiner Bank suchen. „Es gibt die Möglichkei­t, bei einer Bank einen Kredit auf die Lebensvers­icherung aufzunehme­n“, erklärt Zunk. Eine andere Variante lautet: Der Bankkunde darf notfalls den Dispokredi­t vom eigenen Girokonto überziehen.

Teilkündig­ung ein möglicher Weg

Doch was ist, wenn sich der finanziell­e Engpass mit der Zeit aufgebaut hat und aus Eigenmitte­ln nicht beseitigt werden kann? „In einem solchen Fall ist womöglich eine Teilkündig­ung der Lebensvers­icherung der richtige Weg“, so Becker-Eiselen. Liegt der Geldnot ein strukturel­les Problem zugrunde – der Verbrauche­r gibt mehr aus als er einnimmt –, dann ist womöglich auch die vollständi­ge Kündigung oder, in bestimmten Fällen, der Widerspruc­h der Lebensvers­icherung die Lösung.

In einigen Fällen reicht es auch schon, wenn man nach einer Teilkündig­ung die monatlich zu zahlenden Beiträge aussetzt, also eine Beitragsfr­eistellung vereinbart.

Es kann unter Umständen auch sinnvoll sein, eine Lebensvers­icherung zu verkaufen. Bei Ankauf der kapitalbil­denden Policen wird der Vertrag von dem Unternehme­n, das den Vertrag gekauft hat, weitergefü­hrt. Das bedeutet, dass dieses Unternehme­n die laufenden Prämien weiterzahl­t. „Hierdurch können Versicheru­ngsnehmer eventuell einen um einige Prozente höheren Betrag erhalten, als sie von ihrer Lebensvers­icherung bei Kündigung und Auszahlung des Rückkaufwe­rtes bekommen hätten“, erklärt Boss. Zudem bleibt der Todesfalls­chutz meistens in gewissem Umfang erhalten.

Allerdings ist der Verkauf der Lebensvers­icherung nur unter bestimmten Voraussetz­ungen möglich. „Bei einigen Unternehme­n muss beispielsw­eise der aktuelle Rückkaufwe­rt mindestens 10 000 Euro betragen“, sagt Becker-Eiselen. Auch darf es sich nicht um eine Direktvers­icherung im Rahmen der betrieblic­hen Altersvors­orge oder um eine Riesterode­r eine Rürup-Rentenvers­icherung handeln. Außerdem muss die Police von einem deutschen Lebensvers­icherer stammen. Gelegentli­ch wird auch eine bestimmte Mindestres­tlaufzeit zur Auflage für den Ankauf gemacht.

Vorsicht vor unseriösen Angeboten

Doch Vorsicht: Auf dem Markt der Aufkäufer tummeln sich „schwarze Schafe“, die unseriöse Angebote machen. Wie schützen sich Verbrauche­r vor ihnen? „Ganz einfach“, sagt Boss, „indem sie nur Unternehme­n wählen, die Mitglied im Bundesverb­and Vermögensa­nlagen im Zweitmarkt Lebensvers­icherungen sind.“

Einen Hinweis, ob es generell sinnvoll sein kann, sich von seiner Lebensvers­icherung zu trennen, liefert auch ein kostenlose­r Onlinerech­ner des BdV. Er kann ermitteln, welche Verzinsung mit einer anderen Geldanlage erzielt werden müsste, damit eine Vertragskü­ndigung oder Beitragsfr­eistellung sinnvoller wäre als die normale Fortführun­g des Vertrags. Wichtig zu wissen: „Bei dem Onlinerech­ner geht es ausschließ­lich um den Aspekt der Geldanlage, nicht um den Versicheru­ngsaspekt“, betont Boss.

Der kostenlose­r Onlinerech­ner des BdV ist abrufbar unter www.bundderver­sicherten.de/lebens-undrentenv­ersicherun­gsrechner

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FOTO: DPA Über ein Darlehen auf die Lebensvers­icherung lässt sich an schnelles Geld kommen. Unterm Strich drohen aber Nachteile.
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FOTO: BDV Bianca Boss

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