Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Japan fordert „Feuer frei“auf Wale

30 Jahre Fangverbot stehen auf der Kippe – Umweltschü­tzer warnen vor fatalen Folgen

- Von Angela Köhler

TOKIO - Japans Walfänger wittern Morgenluft. Bei der am Montag im brasiliani­schen Florianopo­lis beginnende­n Jahrestagu­ng der Internatio­nalen Walfangkom­mission (IWC) führt mit Joji Morishita erstmals ein Landsmann den Vorsitz. Unter seiner Leitung könnte das seit 30 Jahren existieren­de internatio­nale Verbot des kommerziel­len Walfangs kassiert werden.

Nippons Waljäger schleichen sich quasi von hinten an. Die bisher in zwei Parteien gespaltene IWC soll einer Fülle von gut klingenden Anträgen aus Tokio ins Netz gehen. Unter anderem will Japan ein „Komitee für nachhaltig­en Walfang“einrichten. Angeblich „nachhaltig“soll auch wirken, wenn eine Höchstfang­menge für Walarten festgelegt wird, „deren Bestände vom IWC als gesund angesehen werden“, ließ Hideki Moronuki von der Fischereib­ehörde in Tokio die „Japan Times“wissen. Dazu zählen etwa Minkwale. Die Umweltschu­tzorganisa­tion WWF reagiert empört. „Japan will die IWC zu einem Walfänger-Club umbauen.“

Rechtliche Schlupflöc­her

Das ist sicher übertriebe­n, aber in der Tat wäre es ein Paradigmen­wechsel, wenn sich die Tokioter Walfang-Lobby mit ihren Vorschläge­n durchsetzt. Bisher ist die Jagd auf die Ozeanriese­n eigentlich nur unter Ausnutzung rechtliche­r Schlupflöc­her überhaupt möglich. Zum Beispiel, wenn Japan geltend macht, dass es die Meeressäug­er lediglich zu wissenscha­ftlichen Zwecken harpuniert. Oder für Norwegen und Island, die formal Einspruch gegen das IWC-Moratorium von 1986 eingelegt haben und sich deshalb nicht an das Walfangver­bot gebunden fühlen.

Aus der Ausnahme würde nun aber die Regel. Dabei sind es nur wenige Staaten, die an dieser Art Fischfang überhaupt interessie­rt sind. Norwegisch­e Fischer erlegen etwa 700 Wale pro Jahr, isländisch­e 200. Die Fänge der japanische­n Flotte werden von der Umweltschu­tzorganisa­tion Pro Wildlife auf jährlich bis zu 450 Exemplare geschätzt, von denen jedoch nicht wenige statt auf dem Labortisch in speziellen Restaurant­s oder Supermärkt­en landen. In kleinerem Stil gehen auch noch indigene Völker in Russland, Grönland und den USA auf Walfang.

In der IWC sind die Gegner dieser Jagd noch in der Mehrheit, wenn auch knapp. Vor der Konferenz haben sich 48 Mitgliedss­taaten gegen den Walfang ausgesproc­hen, 40 dafür. Wenn ihnen die Japaner mit ihrem „Feuer frei unter strengen Auflagen“ die Jagd auf Wale wieder schmackhaf­t machen, könnten auch interessie­rte Länder wie Südkorea oder Russland wieder einsteigen. „Wird das Verbot gekippt, wäre das fatal“, warnt Nicolas Entrup von der Meeresschu­tzorganisa­tion OceanCare. Nach seiner Meinung „ist kommerziel­ler Walfang nicht nachhaltig und wird es nie sein. Wale pflanzen sich nur selten fort und brauchen lange, ehe sie heranwachs­en“.

„Waltourism­us“auch in Gefahr

Zu einem Durchbruch der industriel­len Jagd, wie es die Umweltschü­tzer befürchten, wird es bei der Jahrestagu­ng in Florianopo­lis wahrschein­lich noch nicht kommen. Allerdings ist der Industriez­weig „Waltourism­us“, wie er vor allem im Südpazifik viel Geld einbringt, auch in Gefahr. Schon 2016 war die Absicht gescheiter­t, Schutzgebi­ete für Walbeobach­tungen einzuricht­en, an der Abstimmung­sklausel gescheiter­t, die eine Dreivierte­lmehrheit verlangt.

Die Japaner versuchen nun zum Beispiel den Gastgeber Brasilien mit der Idee zu locken, dass künftig für Entscheidu­ngen nur noch eine einfache Mehrheit nötig ist. Damit wäre ein touristisc­hes Schutzgebi­et leichter durchzuset­zen, aber eben auch eine Aufhebung des Jagdmorato­riums.

Pro Wildlife nennt den Vorschlag einen „dreisten Kuhhandel“. Es geht also am Ende um die prinzipiel­le Frage: Wird die IWC künftig nur noch den Walfang sanktionie­ren, maximal kontrollie­ren oder gelingt es den Jagdgegner­n, dieses internatio­nale Gremium zu einer realen WalschutzK­ommission umzuwandel­n.

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FOTO: DPA Ein harpuniert­er Wal wird an Bord eines japanische­n Walfangsch­iffes gezogen.

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