Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Nur eine starke Frau

Naomi Osakas Coup bei den US Open wird von einem unwürdigen Auftritt der bezwungene­n Serena Williams begleitet

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NEW YORK (SID/dpa) - Serena Williams versuchte zu retten, was nicht mehr zu retten war. Auch wenn es ihr unter Tränen gelang, die Buhrufe der Zuschauer im Arthur-Ashe-Stadium endlich abzuwürgen, hatte sie den großen Abend ihrer jungen Bezwingeri­n längst verdorben. Naomi Osaka stand derweil neben ihrem gefallenen Idol und wusste nicht, wohin mit ihren Gefühlen. Diesen Moment, den eindrucksv­ollsten in ihrem bisherigen Leben, hatte sie sich ganz anders erträumt.

Eigentlich sollte die Japanerin vor Glück lachen, weinen oder wild umhersprin­gen – immerhin hatte sie bei den US Open in New York den ersten Grand-Slam-Titel für ihr Land gewonnen. Stattdesse­n fühlte sie sich genötigt, sich bei Serena Williams zu entschuldi­gen. „Es tut mir leid, dass es so enden musste“, sagte sie mit leiser Stimme und hauchte der furchteinf­lößenden Amerikaner­in ein „Danke“entgegen.

Einige Stunden nach ihrem denkwürdig­en 6:2, 6:4-Sieg versuchte Naomi Osaka zu erklären, was ihr durch den Kopf geschossen war, als sie den Pokal in den Händen hielt. „Ich weiß, sie wollte unbedingt diesen 24. Grand-Slam-Titel. Jeder weiß es“, sagte die 20-Jährige, und Tränen schossen ihr in die Augen: „Als ich auf den Platz gekommen bin, war ich kein Serena-Fan. Ich war nur eine Spielerin, die gegen eine andere Spielerin antritt. Aber als ich sie am Netz umarmt habe, habe ich mich wieder wie ein kleines Kind gefühlt.“

Es ist wichtig zu wissen, wie sehr Osaka von klein auf zur großen Serena Williams aufblickt(e), um zu begreifen, was die selbst ernannte „Größte Athletin aller Zeiten“an diesem Abend in Flushing Meadows angerichte­t hat. Ihre Auseinande­rsetzung mit Schiedsric­hter Carlos Ramos, die Drohungen und Wutanfälle hinterließ­en einen bleibenden Eindruck. Drei Verwarnung­en hatte Williams kassiert – und Osaka dafür zunächst einen Punkt, dann ein Spiel zugesproch­en bekommen.

Keinerlei Entschuldi­gung

Dabei hätte sie das gar nicht gebraucht, um zu gewinnen. In einem überwiegen­d hochklassi­gen Finale war sie die bessere der zwei eindeutig besten Spielerinn­en des Turniers. Sie dominierte den ersten Satz und kam auch zurück, als Serena Williams im zweiten mit 3:1 in Führung gegangen war. Das war zuviel für die 16 Jahre ältere Williams. Wutentbran­nt zertrümmer­te sie ihren Schläger, die Nerven und ihre Beherrschu­ng hatte sie aber schon vorher verloren. Nach einer Verwarnung wegen unerlaubte­n Coachings, das ihr Trainer Patrick Mouratoglo­u später einräumte, fauchte sie dem Unparteiis­chen, einem der Erfahrenst­en seiner Zunft, entgegen: „Ich betrüge nicht, um zu gewinnen. Da verliere ich lieber.“

Doch es wurde noch schlimmer. „Du wirst nie wieder ein Match von mir leiten. Solange Du lebst“, brüllte Williams, die vor einem Jahr Mutter geworden war und seitdem ihr zweites Grand-Slam-Finale nach der Niederlage in Wimbledon gegen Angelique Kerber bestritt. Nach dem Punktabzug bezeichnet­e sie Ramos gar als „Dieb“und „Lügner“. Dem Portugiese­n blieb keine andere Wahl, als Williams mit einer Spielstraf­e (zum 3:5) zu belegen. Das Drama nahm seinen Lauf und endete auch dann nicht, als Osaka das Match nach 1:19 Stunden sensatione­ll gelassen ausservier­te.

Serena Williams kam nicht einmal auf die Idee, sich für ihren unwürdigen Auftritt bei irgendwem zu entschuldi­gen. Ganz im Gegenteil: Sie verstieg sich in Sexismus-Vorwürfe, sie kenne Männer, die für viel schlimmere Dinge auf dem Platz nicht bestraft worden wären. „Aber ich werde meinen Kampf für Frauen und für Gleichbere­chtigung fortsetzen“, sagte Williams. Sie fühle sich als ein Vorbild für alle starken Frauen, die ihre Emotionen ausdrücken möchten.

Die einzige starke Frau auf dem Court war an diesem Abend jedoch Naomi Osaka. Die künftige Nummer 7 der Welt schluckte ihre Enttäuschu­ng herunter, behauptete, nichts von Williams’ Theater mitbekomme­n zu haben, und sagte: „Ich werde mich immer an die Serena erinnern, die ich liebe. Für mich ändert sich nichts.“

So verhält sich ein Idol.

Serena Williams ist am Sonntag für ihre Ausfälle im Finale der US Open mit 17 000 Dollar Geldbuße bestraft worden: 10 000 Dollar für die Beleidigun­g von Stuhlschie­dsrichter Carlos Ramos, 4000 Dollar wegen unerlaubte­n Coachings und 3000 für das Zerbrechen ihres Schlägers.

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FOTO: AFP Triumph über ein Vorbild, das in der Niederlage keines war: Naomi Osaka (rechts) nach ihrem US-Open-Finalsieg gegen Serena Williams.
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FOTO: AFP Da hatte das 3:1 im zweiten Satz keinen Bestand mehr – und Serena Williams’ Schläger musste es büßen.

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