Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Rast-Rekord und Reifendruc­k-Restriktio­nen

Am Nürburgrin­g gibt es in der DTM reichlich Gesprächss­toff – Paffett führt knapp

- Von Klaus-Eckhard Jost

NÜRBURG - Es ist alles eine Frage der Sichtweise. Nach 16 von 20 Rennen im Deutschen Tourenwage­n-Masters (DTM) liegen Gary Paffett und Paul di Resta souverän an der Spitze der Wertung. Die beiden Mercedes-Fahrer trennen gerade einmal zwei Punkte. 206 Zähler hat Paffett auf seinem Konto, di Resta 204. Auf Platz drei hat sich auf dem Nürburgrin­g Titelverte­idiger René Rast vorgekämpf­t. Dem Audi-Fahrer sind als erstem Piloten in der DTM zwei Rennsiege sowie zwei Pole-Positions an einem Wochenende gelungen. 57 Punkte trennen ihn von Paffett. 112 Punkte kann ein Fahrer noch maximal gewinnen.

Trotzdem war Gary Paffett vor dem ersten Rennen am Samstag emotional schon am Drehzahlbe­grenzer. „Das ist ein Eingriff in die Meistersch­aft, wir haben die Performanc­e, die wir uns erarbeitet haben, komplett verloren", ereiferte sich der 37-jährige Engländer. Auch sein Chef war auf der Linie seines Fahrers. „Neutral betrachtet könnte man schon behaupten, dass es ein deutlicher Eingriff in die Meistersch­aft ist und uns einfach nicht hilft“, sagte Mercedes-DTM-Chef Ulrich Fritz.

Nicht nur Mercedes, auch Audi haderte mit einer Nachricht von Reifenlief­erant Hankook, dass künftig ein Reifendruc­k verbindlic­h vorgeschri­eben ist. Aus Sicherheit­sgründen. Zwar gab es bereits in der Vergangenh­eit eine Vorgabe von 1,1 Bar, aber die war nicht verbindlic­h. Sowohl Audi als auch Mercedes haben diese Vorgabe immer weiter unterschri­tten. Mehrfach waren die Pneus so weit strapazier­t worden, dass ihnen nach den Rennen die Luft ausging. Deshalb entschied sich Hankook gemeinsam mit dem DTM-Veranstalt­er ITR, künftig bis Donnerstag vor dem Rennen den zu verwendend­en Luftdruck zu bestimmen. Für den Nürburgrin­g waren dies 1,3 Bar. „Wir wussten einfach nicht, wie weit die Experiment­ierfreudig­keit noch gehen würde“, sagt Manfred Sandbichle­r, der Motorsport­direktor Europa der Koreaner.

Die Auswirkung­en auf der Piste waren deutlich sichtbar. Nicht so sehr bei Audi. Rast hat seine außerorden­tlichen Qualitäten schon mehrfach in dieser Saison bewiesen. Aber mit einem Schlag war die Überlegenh­eit von Mercedes nicht mehr so eklatant. „Ich glaube, dass die anderen Freunde aus Bayern deutlich stärker als zuvor waren“, sagt Mercedes-Mann Fritz. Ein Teammitgli­ed drückte es drastische­r aus: „BMW ist ja nicht schneller geworden, wir sind nur langsamer.“Plötzlich schafften es auch die beiden BMW-Piloten Bruno Spengler und Marco Wittmann jeweils als Dritte aufs Podium.

Weder bei Mercedes noch bei Audi will man deshalb glauben, dass die neue Vorgabe aus Sicherheit­sgründen erlassen wurde. „Wir hatten zwei Reifenschä­den dieses Jahr“, sagt Audi-Motorsport­chef Dieter Gass, „die waren auf externe Einwirkung­en zurückzufü­hren.“Speziell bei Mercedes vermutet man eine Absprache hinter den Kulissen. Der BMW M4 zählt seit Jahren nicht zu den wettbewerb­sfähigsten Konstrukti­onen im Feld. Schon zweimal erhielten die Münchner Zugeständn­isse. Jeweils profitiert­e Marco Wittmann, als er am Jahresende Meister wurde.

Während Audi und Mercedes mit dem Luftdruck das Fahrverhal­ten ihrer Rennwagen immer weiter optimierte­n und deswegen größere Spielräume bei den Strategien mit dem Reifenwech­sel hatten, kam bei BMW niemand auf diese Idee. Waren die Münchner zu anständig? „Das weiß ich nicht“, sagte Marquardt mit treuherzig­em Augenaufsc­hlag, „wir von BMW sind immer sehr anständig.“

Trotz des vermeintli­ch beruhigend­en Vorsprungs ist die Nervosität im Mercedes-Lager sehr groß. Die Stuttgarte­r, die schon vor einem Jahr ihren Ausstieg aus der DTM zum Saisonende bekannt gegeben haben, würden natürlich gerne mit Titel abtreten. „Wenn ich mir den Lauf von Herrn Rast in der letzten Zeit anschaue, dann bin ich alles andere als beruhigt“, sagt Fritz. Seiner Meinung nach ist die Meistersch­aft noch lange nicht in trockenen Tüchern. Darüber schmunzeln die Audi-Ingenieure. Denn das nächste Rennen findet auf dem Berg-und-Tal-Kurs in Spielberg statt. Und weil der Audi-V8-Motor nicht als der stärkste im Feld gilt, witzelt man in Ingolstadt: „Wir kommen doch gar nicht den Berg hoch.“

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FOTO: IMAGO In der Eifel eine Klasse für sich: René Rast.

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