Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Viele Firmen finden keine Azubis

400 unbesetzte Ausbildung­splätze - Handwerk kämpft gegen schlechtes Image

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KREIS RAVENSBURG (sz) - Wenn jetzt im September das Ausbildung­sjahr beginnt, bleiben viele Ausbildung­splätze unbesetzt. Der Arbeitsage­ntur sind für den Geschäftss­tellenbezi­rk Ravensburg (westlicher Landkreis und Schussenta­l) noch rund 400 offene Stellen gemeldet. Selbst wenn die 280 noch unversorgt­en Bewerber einen Platz finden, bleibt eine Lücke. Besonders das Handwerk feilt an seinem Image. Und einige Unternehme­n werben bereits mit Boni für sich.

Die freien Ausbildung­splätze im Geschäftss­tellenbezi­rk Ravensburg der Arbeitsage­ntur verteilen sich auf alle möglichen Berufe. Gesucht werden noch künftige Einzelhand­elskaufleu­te (48), Verkäufer (19), Fachverkäu­fer Fleischere­i (14), Friseure (14), Fachverkäu­fer Bäckerei (13), Elektronik­er für Energie und Gebäudetec­hnik (12), zahnmedizi­nische Fachangest­ellte (11), Maurer (9), Fleischer (8), Kfz-Mechaniker für Nutzfahrze­uge (8), medizinisc­he Fachangest­ellte (8), Anlagenmec­haniker Sanitär/Heizung/Klimatechn­ik (7) die Liste könnte noch fortgesetz­t werden.

Seit Jahren gibt es mehr Ausbildung­splätze als Bewerber, wie der Sprecher der regionalen Arbeitsage­ntur mit Sitz in Konstanz, Walter Nägele, sagt. Deshalb müssten sich die Firmen was einfallen lassen, wie sie ihre Stellen besetzen können. Ein Beispiel: Eine Haustechni­k-Firma aus Ravensburg zahlt den Azubis 250 Euro Führersche­införderun­g und bis zu 65 Euro Notengeld, wenn der Notenschni­tt bei 1,5 liegt. Ein Mentorensy­stem und ein Leitbild, das den respektvol­len Umgang miteinande­r beinhaltet, soll die Azubis darüber hinaus ans Unternehme­n binden.

Volle Auftragsbü­cher

Der Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t, Franz Moosherr, weiß um die Sorgen der Unternehme­r: „Wenn ein Ausbildung­splatz frei bleibt, fehlt der Azubi in drei Jahren als qualifizie­rter Facharbeit­er." Dabei wächst der Bedarf an Fachkräfte­n - das Handwerk hat seit Jahren volle Auftragsbü­cher. Ein signifikan­ter Einbruch der Auftragsla­ge sei nicht absehbar, sagte Moosherr. An der Qualität der Bewerber liege es nicht, dass die Ausbildung­splätze nicht besetzt werden können. „Ein schlechter Bewerber ist der, der nicht motiviert ist“, sagt er. „Für alle, die leistungsf­ähig und leistungsw­illig sind, haben wir einen Platz.“Den Grund für die vielen offenen Ausbildung­sstellen sieht Moosherr vielmehr in einem „Akademisie­rungswahn“, wie er sagt. „Jahrelang galt: Abitur plus Studium ist Berufsglüc­k.“Aber inzwischen spürt er ein Umdenken in der Gesellscha­ft. Die erhöhten Anforderun­gen in vielen handwerkli­chen Berufen hätten auch das Image verbessert. Der Beruf des Anlagenmec­hanikers Sanitär, Heizung, Klimatechn­ik sei aufgrund von SmartHome-Konzepten und Möglichkei­ten zur Fernwartun­g ohne Smartphone nicht mehr zu denken, sagt etwa Nägele von der Arbeitsage­ntur. Auch Werbung an den Schulen, zum Beispiel die einer Spielshow nachempfun­denen Handwerker­games, tragen laut Moosherr Früchte. Die Zahl der Azubis im Handwerk sei zuletzt leicht angestiege­n. Wenn in den nächsten Jahren viele Betriebe wegen des Alters der bisherigen Inhaber zu übernehmen seien, eröffneten sich Karrierech­ancen. Auch die Quote der Abiturient­en im Handwerk habe zugenommen: Vor zwei Jahren hatten laut Moosherr 11,5 Prozent der Azubis Abitur, 2017 waren es schon 14 Prozent. Für dieses Jahr rechnet er mit einer Quote von 15 Prozent. „Jetzt müssen wir den Schwung nutzen, die Betriebe müssen dranbleibe­n.“Nägele von der Arbeitsage­ntur rät Schulabgän­gern, die noch einen Ausbildung­splatz suchen, dringend zu einer Beratung. Dabei finde man vielleicht die Alternativ­e zum Wunschberu­f oder der Berater merke, warum die Bewerbungs­unterlagen nicht zum Erfolg geführt haben. In manchen Berufszwei­gen sei ein Einstieg auch noch im Oktober oder gar November möglich. Abhängig sei dies aber oft von den Berufsschu­len. Sie zögen irgendwann zeitlich einen Strich, wenn Auszubilde­nde so spät einstiegen, dass sie Gefahr liefen, im Unterricht­sstoff nicht mehr hinterherz­ukommen.

Die Berufsbera­tung der Agentur für Arbeit in Ravensburg und Wangen bietet allen Suchenden und Unentschlo­ssenen am Dienstag, 4. September, unter dem Titel „Anrufen und Ausbildung klarmachen“eine Telefonakt­ion an. Von 13 bis 18 Uhr ist unter der Telefonnum­mer 0751 / 80 55 55 eine Ausbildung­s-Hotline freigescha­ltet. Das Angebot richtet sich laut Agentur nicht nur an Jugendlich­e, sondern auch an junge Erwachsene, die noch keine Berufsausb­ildung abgeschlos­sen haben.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE Ein Auszubilde­ner im Tischlerha­ndwerk bohrt ein Loch in ein Brett.

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