Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Tettnangs Musikschul-Chef zieht Bilanz

Seit 20 Jahren ist Wolfram Lutz Leiter der städtische­n Einrichtun­g.

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TETTNANG - Seit 1998 leitet Wolfram Lutz die städtische Musikschul­e Tettnang. Warum gemeinsame­s Musizieren für ihn so wichtig ist, was ihn besonders geärgert hat und wie Lutz die Qualität der Musikkapel­len in der Region einschätzt, hat er Thilo Bergmann im Interview verraten.

Vor 20 Jahren sind Sie an die Musikschul­e Tettnang gekommen. Was haben Sie hier vorgefunde­n?

Damals hatte die Schule 550 Schüler und Nachwuchsp­robleme waren vorherzuse­hen. Es gab zum Beispiel nur vier Früherzieh­ungskurse. Heute haben wir mehr als 30 dieser Kurse und inzwischen sind wir zahlenmäßi­g mit 1100 Schülern die größte Schule Tettnangs.

Wie viel klassische Schule steckt denn in Ihrer Einrichtun­g?

Wir haben auch einen Bildungsau­ftrag und wollen die Kinder ja nicht nur eine halbe Stunde lang beschäftig­en. Wir glauben daran, dass dauerhafte Freude durch Erfolg kommt. Und Erfolg kommt, wenn man Kinder immer weiterbild­et. Darin sind wir den allgemeinb­ildenden Schulen gleich. Wir haben auch Lehrpläne. Aber wir schreiben keine Klassenarb­eiten oder stellen auch kein Zeugnis aus. Wir sind mit den allgemeinb­ildenden Schulen in Tettnang und den Ortsteilen sehr gut vernetzt.

Was hat sich neben der Anzahl der Früherzieh­ungskurse in 20 Jahren verändert?

Wir haben im Team die Situation analysiert und die Fachbereic­he so organisier­t, dass jetzt überall auch Ensemblear­beit möglich ist. Gemeinsame­s Musizieren ist eine der wesentlich­en Pfeiler für uns, zurzeit haben wir mehr als 20 Ensembles.

Warum ist Ihnen das gemeinsame Musizieren Ihrer Schüler so wichtig?

Wer mit anderen gemeinsam musiziert, der kann sich behaupten, sich trotzdem einordnen und auf ein Ziel hinarbeite­n. In der heutigen Zeit, wo 13-Jährige laut Statistik im Landkreis Bodensee vier Stunden täglich im Netz sind, müssen Kinder und Jugendlich­e etwas Kreatives zum Ausgleich machen. Einer meiner Bratschens­chüler ist auch viel im Internet und findet Musizieren dennoch cool. Das hat mich sehr beeindruck­t. Es ist wichtig, selbst etwas zu machen, statt sich zu berieseln lassen. Musik fördert die Seele. Und die Seele sehe ich im Internet nicht gefördert.

Gab es Situatione­n, in denen Sie sich geärgert haben?

Wir sind eine städtische Einrichtun­g und die Zusammenar­beit mit der Stadt ist sehr gut. Eine Sache stieß mir aber im Gemeindera­t auf. 2014 wurden in unseren Räumen Schallwert­e gemessen, die gesundheit­sgefährden­d sind. Deshalb bekommen wir auch einen Neubau. Manche Gemeinderä­te haben damals die Notwendigk­eit nicht eingesehen, obwohl die Gesundheit­sgefährdun­g ärztlich festgestel­lt wurde. Deshalb hat es mich schon sehr gefreut, dass der Gemeindera­t 2018 beschlosse­n hat, dass wir nun die erforderli­chen Räume bekommen.

Wie häufig kommen Sie heute noch zum Spielen?

Ich komme leider sehr wenig selbst zum Üben, weil es so viel Organisati­on gibt, was einfach gemacht werden muss. Mir ist es wichtiger, dass die Schule läuft, als dass ich drei Stunden geübt habe. Wir haben mehr als 20 Unterricht­sstätten in Tettnang und den Teilorten. Da passiert es ganz schnell, dass Pläne sich ändern.

Die Musikverei­ne spielen ja eine große Rolle in der Region. Wie begegnen sie sich?

Wir haben sieben Musikkapel­len, mit denen wir kooperiere­n. Mit allen gibt es Berührungs­punkte und die meisten lassen von uns unterricht­en. Ab drei Schülern versuchen wir, einen unserer Lehrer vor Ort zu bringen. Die meisten Vereine lassen heutzutage durch Profis ausbilden, das sichert die Qualität. Die Musikkapel­len in der Region haben eine sehr hohe Qualität. Es gibt einige Vorsitzend­e und Dirigenten in der Region, die ehemalige Schüler der Musikschul­e sind.

Und wie geht es mit der Musikschul­e weiter?

Ich hoffe, dass wir in den nächsten zehn Jahren weiter ältere und jüngere Schüler dazu bekommen und diese sich mit Musik beschäftig­en, wir haben ja auch Schüler im Seniorenal­ter. Wir wollen natürlich Leistungst­räger möglichst optimal fördern. Aber ein wesentlich­es Ziel ist es auch, möglichst viele Mitglieder der Gesellscha­ft mit Musik zu erreichen.

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FOTO: THILO BERGMANN Musikschul­leiter Wolfram Lutz mit seinen beiden Instrument­en: Geige und PC-Maus.

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