Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zweifel am Mammutprojekt Bildungszentrum
Agendagruppe „Schule neu denken“hat Einwände gegen Schulpläne auf der Kuppelnau: Teure Form, wenig Inhalt
RAVENSBURG - Das historische Vorhaben der Ravensburger Stadtverwaltung, auf der Kuppelnau für mehr als 38 Millionen Euro ein neues Schulzentrum zu bauen, sieht die Agendagruppe „Schule neu denken“in mehreren Punkten kritisch. Mit den Plänen werde in erster Linie Standortpolitik, aber kaum Schulpolitik betrieben. Die Stadt laufe Gefahr, für viel Geld ein dreigliedriges Schulsystem zu zementieren. Zustimmung gibt es dagegen für die Zusammenlegung der beiden Gemeinschaftsschulen.
Wie die „Schwäbische Zeitung“berichtete, soll die heutige Kuppelnauschule abgerissen werden und einem Neubau weichen. Die Gemeinschaftsschulen Kuppelnau und Barbara Böhm werden aufgelöst und fusionieren an diesem Standort. Gemeinsam mit der Grundschule Kuppelnau werden sie zum „Bildungszentrum Ravensburg“. Dieses wird nur noch einen Schulleiter haben. Zum Schuljahr 2025/2026 soll das neue Schulzenrum in der Nordstadt bereits bezogen werden. Die Stadt sieht in dem Großprojekt laut Bürgermeister Simon Blümcke die „zentrale Maßnahme zur Sicherung des Bildungsstandortes Ravensburg“. Gleichzeitig soll die Gemeinschaftsschule gerettet werden. Kuppelnau und Barbara Böhm hatten sich Konkurrenz gemacht, die Anmeldezahlen schwächeln.
Für die Mitglieder der Agendagruppe „Schule neu denken“, die die Pläne jetzt erstmals und zum Teil kontrovers diskutiert hat, hätte der Weg zu einer inhaltlichen Weiterentwicklung der Sekundarstufe an Ravensburger Schulen nur über ein zweigliedriges System geführt. Dafür müsste die Stadt eine Zusammenführung der beiden Gemeinschaftsschulen mit der Realschule forcieren. „Aber die Realschule ist in Ravensburg eine heilige Kuh“, so Kritik aus dem Agendakreis um die Sprecherinnen Gabriele Runge und Alexandra Stoll.
So bleibe es bei den drei Säulen mit den Gymnasien, der Realschule und der fusionierten Gemeinschaftsschule, die es auch an dem neuen Standort schwer haben könnte, befürchtet ein Teil der Ehrenamtlichen. „Wir müssen hoffen, dass die Anmeldezahlen nicht einbrechen.“Die starken Privatschulen sorgten für zusätzlichen Druck. „Die Stadt hat ihre Gemeinschaftsschulen vernachlässigt“, so ein Vorwurf. Auch daraus sei ein Imageproblem erwachsen, besonders an der Kuppelnau.
Die Agendagruppe bedauert zudem, dass es auch durch das neue Konstrukt kein längeres gemeinsames Lernen über die Klasse vier hinaus geben wird. Erhebliche Zweifel gibt es weiterhin daran, dass wie geplant ein einziger Schulleiter im neuen Bildungszentrum die Aufgaben von bisher drei Rektoren bewältigen könne.
Und zu kurz gesprungen sei das Modell auch deshalb, weil es das SBBZ und die Grundschule an St. Christina nicht einbeziehe. „Das wäre dann wenigstens ein bisschen Schulentwicklung gewesen.“
Sündenfall in Obereschach
Die Chance für eine weniger zentralisierte Standortpolitik sei schon vor Jahren vergeben worden: „Der Sündenfall war, die Gemeinschaftsschule in Obereschach aufzugeben.“Die erste Gemeinschaftsschule der Stadt hatte 2013 an den Standort Neuwiesen umziehen müssen, weil der Verwaltung und dem Gemeinderat eine Sanierung in der Ortschaft zu teuer war. Geschätzte Kosten damals: sechs Millionen Euro.
Die Agendagruppe fordert, dass die Stadt alle Anstrengungen unternehmen müsse, um Ravensburger Schülern die Lernmöglichkeiten einer Gemeinschaftsschule zu erhalten. Die Verschmelzung von Barbara Böhm und Kuppelnau sei ein erster richtiger Schritt. Ein Teil der Mitglieder setzt darauf, dass durch den Neubau die Arbeitsbedingungen besser werden und durch ihn ein positives Signal ausgesendet wird: Das, so die Hoffnung, könne das Image verbessern, die Anmeldezahlen nach oben treiben und für eine bessere „Durchmischung“der Schülerschaft sorgen. Denn zuletzt war das ambitionierte Ziel, an Gemeinschaftsschulen zu gleichen Teilen Kinder auf Gymnasial-, Realschul- und Hauptschulniveau zu unterrichten, in Ravensburg klar verfehlt worden.
Am Montag, 17. September, bringt die Agendagruppe ihre Argumente in den Beirat für Schulentwicklungsplanung ein. Am 8. Oktober tagt der Bildungs- und Kulturausschuss. Am 22. Oktober entscheidet der Gemeinderat über das teuerste Projekt der Stadtgeschichte.