Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Regierung bestraft Maaßen mit Beförderung
Die Große Koalition findet eine glimpfliche Lösung für den Verfassungsschutzchef – und für sich selbst
BERLIN – Die Große Koalition hat lange mit sich gerungen. Erst berieten die Parteichefs von CDU und CSU, Angela Merkel und Horst Seehofer, eine Stunde lang unter vier Augen, dann kam um 16 Uhr SPD-Chefin Andrea Nahles hinzu. Ihr wurde ein Vorschlag präsentiert, den Horst Seehofer zusammen mit anderen im Innenministerium erarbeitet hatte: Die Versetzung des umstrittenen Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen. Um 17 Uhr hieß es, die Kuh sei vom Eis.
Wenn einer der Koalitionspartner das Vertrauen verliert, reicht das, um einen Behördenleiter zu verabschieden. Die SPD hatte das Vertrauen in Maaßen verloren. Erst war es nur Juso-Chef Kevin Kühnert, doch dann legte SPD-Vize Ralf Stegner nach. „Herr Maaßen ist in seinem Amt untragbar, weil er das Vertrauen in die Sicherheitsorgane unserer freiheitlichen Demokratie massiv beschädigt hat.“Und schließlich versprach Parteichefin Andrea Nahles: „Maaßen muss gehen und er wird gehen.“Auch FDP-Chef Christian Lindner hielt einen personellen Neuanfang für nötig, um das allgemeine Vertrauen in den Inlandsnachrichtendienst zu stärken.
Zwei Stufen nach oben
Hans-Georg Maaßen hatte nach den Bildern aus Chemnitz Zweifel geäußert, ob es dort wirklich Hetzjagden gegeben habe. Das wurde allgemein auch als Kritik an Angela Merkel verstanden, die von Hetzjagden gesprochen hatte. Maaßen selbst erklärte seine Äußerungen im Innenausschuss, entschuldigte sich aber nicht. Er würde das Interview so auch wieder geben. Deshalb hielt er an seinem mit 11 577 Euro bezahlten Posten fest, so war zu hören. Es hat sich gelohnt. Jetzt wird er als Staatssekretär ein Grundgehalt von 13 141 Euro beziehen.
2012 war Hans-Georg Maaßen auf Vorschlag des damaligen Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU) ins Amt gekommen. Der heute 55jährige Maaßen fiel auf, als er den Whistleblower Edward Snowden als Verräter anprangerte und ihn verdächtigte, russischer Agent zu sein.
Im Fall des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri hatte Maaßen bestritten, dass V-Leute in dessen Umkreis tätig waren. Maaßen wird deshalb nächste Woche vor dem Untersuchungsausschuss aussagen müssen.
Innenminister Horst Seehofer hat unterdessen treu zu Maaßen gehalten. Das wusste dieser auch. Der Verfassungsschutzchef soll vergangene Woche noch betont haben: „Horst Seehofer hat mir gesagt, wenn ich falle, dann fällt er auch.“
Nun also fällt keiner. Denn der Fall Maaßen hatte sich längst zu einer Koalitionskrise ausgewachsen. Horst Seehofer hätte ihn in den Ruhestand versetzen können, wollte das aber nicht. Angela Merkel wiederum hielt Maaßen für nicht mehr tragbar in seinem Amt, hätte aber von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen müssen, um ihn am Innenminister Horst Seehofer vorbei loszuwerden. Die Diskussion, die schon seit Tagen schwelte, beunruhigte selbst den Bundespräsidenten. Frank-Walter Steinmeier sagte am Montag in Finnland: „Mich hat es nicht erstaunt, aber doch beunruhigt, mit welcher Schärfe aus Europa auf die innenpolitische Situation in Deutschland geschaut wird.“Europa wünsche sich ein stabiles Deutschland mit einer stabilen Regierung als Partner. Gleichzeitig gab Steinmeier seiner Hoffnung Ausdruck, „dass dort, wo Entscheidungen gefällt werden müssen, sie bald fallen.“
Die Entscheidungen sind gefallen. Doch die ersten Reaktionen zeigen, dass nicht alle zufrieden sind. Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser sagt: „Die Entscheidung in der Causa Maaßen schafft nur Verlierer auf allen Seiten. Verlierer sind die Bundeskanzlerin und die SPD, denn ein Rücktritt oder eine Entlassung ist das nicht. Verlierer ist auch Horst Seehofer, der an Maaßen festhalten wollte. Und einen schweren Stand hat der Nachfolger oder die Nachfolgerin beim BfV schon jetzt, denn Horst Seehofer hat deutlich gemacht, dass Maaßen der Mann seines Vertrauens ist.“Strasser fordert einen echten Neustart in der Leitung des Verfassungsschutzes. „Die Einführung eines Beauftragten für Nachrichtendienste des Deutschen Bundestags – analog zum Wehrbeauftragten – wäre ein erster wichtiger Schritt.“
Die AfD dagegen findet, dass Maaßen unrecht getan werde. „Maaßen hat der Bundesrepublik treu gedient und die Sicherheit der Deutschen vor den immer größer werdenden Bedrohungen verteidigt“, sagt AfD-Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland. Schon seit Jahren regiere die Bundeskanzlerin gegen jede Vernunft und die Empfehlungen der deutschen Sicherheitsbehörden. Wenn nun ein verdienter Behördenleiter wie Maaßen gehen muss, weil er der Regierung nicht genehm ist, „dann zeigt das, wie weit wir gekommen sind“.
Bartsch: SPD macht alles mit
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch spricht von einer Farce. „Das Innenministerium ist keine Resterampe für politisch unhaltbare Beamte“, so Bartsch. Von einer „unfassbaren Mauschelei“spricht GrünenFraktionsvorsitzende Katrin GöringEckardt. „Wer illoyales Verhalten und Kuschelei mit der AfD belohnt statt ahndet, hat jedes Gespür für Anstand verloren. Und die SPD macht alles mit.“Diese Bundesregierung könne nicht mal mehr eine Personalie sauber lösen, sie sei handlungsunfähig.