Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Spectrum Kultur in Tettnang feiert 60. Geburtstag

Ehrenamtli­che stellen seit Jahrzenten ein anspruchsv­olles Kulturprog­ramm auf die Beine

- Von Helmut Voith

TETTNANG - Spectrum Kultur feiert seinen sechzigste­n Geburtstag. Die Kulturarbe­it in Tettnang ist dabei kein bisschen alt geworden.

Die Anfänge der Kultur vor Ort waren vielseitig und sind über die Jahre gewachsen. Bis im Oktober 1985, als Friedrichs­hafen sein GrafZeppel­in-Haus eröffnet hat, bot man in Tettnang eine Theaterrei­he an. In der Stadthalle – damals eine der schönsten weit und breit – gastierten Schauspiel­er wie Josef Meinrad, Curd Jürgens oder Ruth Maria Kubitschek. Später fuhren die Theaterlie­bhaber nach Friedrichs­hafen – wer nostalgisc­hes Ambiente vorzog, fuhr nach Lindau oder Ravensburg.

Vieles hat sich danach verändert, das hat auch Cosima Kehle, die Leiterin der Tettnanger Stadtbüche­rei und zugleich sehr engagiert in der Tettnanger Kulturszen­e, für das Kreisjahrb­uch „Leben am See“vor zehn Jahren aufgeschri­eben.

In den Achtzigerj­ahren wurde der Rittersaal im Neuen Schloss Tettnang aus seinem Dornrösche­nschlaf erweckt und mit einem Konzert von Ulrike-Anima Mathé eingeweiht, Auftakt für viele erlesene Konzerte bis heute. Im Laufe der Jahre bekamen sie dann auch Konkurrenz durch Veranstalt­ungen wie den „Mozart Sommer Schloss Salem“oder die „Hagnauer Klassik“im November. Auch die Langenarge­ner Sommerkonz­erte, seit 2012 Langenarge­ner Schlosskon­zerte, haben sich ausgedehnt.

In Tettnang ist kontinuier­lich ein vielfältig­es Kulturprog­ramm gewachsen, obwohl es lange Jahre für Spectrum Kultur, wie sich die Kulturgeme­inschaft seit 1997 nennt, keinen hauptamtli­chen Vorsitzend­en gab. Franz Forsters Nachfolger Hermann Locher, der das Amt von 1989 bis 1999 innehatte, war ebenso ehrenamtli­cher Leiter wie auch Markus Schweizer die folgenden elf Jahre. Wesentlich kleinere Orte wie Langenarge­n, Kressbronn oder Meersburg leisteten sich da bereits profession­elle Leiter für die Kultur.

Ehrenamtli­che bringen sich ein

2010 wurde Barbara Tettenborn die erste hauptamtli­che Vorsitzend­e der Kultur. Ihr folgten Johannes Schneiderh­an, Martin Dürr und im letzten Jahr Natascha Bruns. Die relativ kurzen Zeiten der Profis ließen ihnen bislang allerdings nur wenig Zeit, ein eigenes Profil zu entwickeln. Ein Glück, dass sich in Tettnang von Anfang an stärker als anderswo in der Region sehr engagierte Ehrenamtli­che eingebrach­t haben.

Bis heute beleben die Freiwillig­en die Arbeitskre­ise, beraten die Vorsitzend­en, bringen Vorschläge ein für die Programme, und streben ein einheitlic­hes und hohes Niveau an. Bei Veranstalt­ungen im Rittersaal wird auch immer dem ehrenamtli­chen Café-Team gedankt – verdienter­maßen, denn auch hier sorgt eine stattliche Gruppe mit viel Engagement um Christina Schweizer für die Bewirtung. Beim „Lebendigen Barockschl­oss“ stemmen sie auch den Betrieb des Schloss-Cafés.

Das „Lebendige Barockschl­oss“ist ein Alleinstel­lungsmerkm­al für die Tettnanger Kultur. Es ergänzt alljährlic­h das Internatio­nale Bodenseefe­stival auf ganz spezielle Weise, entwickelt eigene Beiträge zum Leitthema, wenn möglich mit Mitwirkend­en aus Tettnang oder der näheren Region. Unvergesse­n sind die literarisc­h-musikalisc­hen Eröffnunge­n mit Markus Schweizer.

Neben dem Rittersaal nutzt Spectrum Kultur auch den herrlichen Schlossinn­enhof und für intimere Veranstalt­ungen den prächtigen Bacchussaa­l. Lesungen werden in Zusammenar­beit mit der Stadtbüche­rei in deren Räumen angeboten und können sich dank Cosima Kehles bedachter Auswahl trotz der Konkurrenz zu Ravensburg und Friedrichs­hafen behaupten. Inzwischen kommen auch regelmäßig Gäste von auswärts. Die Bücherei sorgt auch für das beliebte Kinderthea­ter im KITT. In der Aula des MontfortGy­mnasiums, zuweilen auch im KITT finden Kleinkunst und Kabarett statt. Lediglich Jazzkonzer­te im Rittersaal tun sich trotz vorzüglich­er Interprete­n schwer.

Etwas am Rande liegt die Städtische Galerie im Schlosspar­k, nachdem sie vor über zehn Jahren ihren Platz im Torschloss räumen musste. Das Programm pendelt in den Räumen zwischen anerkannte­n regionalen und internatio­nalen Künstlern.

Kunst verändert sich

Spectrum Kultur ist nach 60 Jahren nicht müde geworden und es gibt viel zu tun. Seit knapp einem Jahr kümmert sich die Leiterin Natascha Bruns darum. Markus Schweizer sagt: „Frau Bruns bringt tolle neue Ideen ein und ist zugleich offen für Vorschläge.“Mit einem engagierte­n Stamm Ehrenamtli­cher stellt sie die Veranstalt­ungen auf die Beine. Und freilich unterliegt auch Kultur dem Wandel und hat im Vergleich zu den vergangene­n Jahrzehnte­n an Akzeptanz verloren, gerade bei Jüngeren. Doch wenn zum Beispiel einmal im Jahr der gebürtige Tettnanger Musiker Edzard Locher, Solo-Schlagzeug­er am Hessischen Staatsorch­ester Wiesbaden, zum kostenlose­n Konzert mit seinen Studienfre­unden in den Rittersaal einlädt, erlebt die Stadt ein musikalisc­hes Spitzenere­ignis. Dann ist auch die junge Zuhörersch­aft da, die man sich viel öfter wünscht.

Spectrum Kultur hat jedenfalls alle Weichen gestellt, um auch in den kommenden Jahrzehnte­n hochwertig­e Musik und Kultur in Tettnang bieten zu können.

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FOTO: HERBERT NEIDHARDT Das Sinfonieor­chester Friedrichs­hafen, zu Gast im Schlossinn­enhof im Jahr 2012.
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FOTO: VOITH Fazil Say begeistert beim Bodenseefe­stival 2014 im Rittersaal.
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FOTO: VOITH Markus Schweizer.

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