Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Demokratie braucht Inklusion“

Netzwerk SNOBO lotet aktuelle Trends in der bundesdeut­schen Behinderte­npolitik aus

-

BERLIN/LIEBENAU (sz) - Seit März gibt es in Berlin die Große Koalition, seit Mai sind die behinderte­npolitisch­en Sprecher aller Bundestags­parteien ernannt, ausgenomme­n der AfD, die keinen Sprecher für die Belange von Behinderte­n benannt hat. So teilt es das Schwerbehi­ndertennet­zwerk Oberschwab­en-Bodensee (SNOBO) mit, für das Josef Keßler vor Kurzem in Berlin Gespräche führte.

Auch im Bundesmini­sterium für Arbeit und Soziales (BMAS) habe es in der Leitung der Abteilung V – Angelegenh­eiten von Menschen mit Behinderun­g – eine Änderung gegeben: Rolf Schmachten­berg wurde zum beamteten Staatssekr­etär ernannt. Seine Nachfolger­in ist Vanessa Ahuja. Für den SNOBO-Leiter war dies laut Presseberi­cht Anlass, sich bei allen Neuen vorzustell­en und über gemeinsame Ziele zu sprechen.

Beim Gespräch mit Vanessa Ahuja und Jürgen Dusel, dem Bundesbehi­ndertenbea­uftragten (in Nachfolge von Verena Bentele), wurde Keßler von Siegfried Peisl, dem Schwerbehi­ndertenver­treter des Konzerns SAP, unterstütz­t. SAP sei die Teilnahme am Gespräch mit Dusel wichtig gewesen.

Jürgen Dusel stellt seine Amtszeit unter das Motto: Demokratie braucht Inklusion – nicht umgekehrt, wie so oft verbreitet. Ein wichtiger Inhalt für seine Amtszeit sei die Kunst, heißt es. In Dusels Büro befinden sich, obwohl er selbst fast blind ist, farbenfroh­e Kunstwerke und ein 3-D-Druck in Holz einer EEG-Kurve, welche einen hohen künstleris­chen Wert vor allem beim Abtasten hat. Dusel lädt laufend zu künstleris­chen Veranstalt­ungen ins Kleisthaus in Berlin ein. Während Keßler vor allem die Themen Arbeit, institutio­nelles Wohnen und das anstehende Gespräch mit dem österreich­ischen Behinderte­nbeauftrag­ten Hansjörg Hofer besprach, waren die Themen Gleichstel­lung, SBV-Wahlen, Barrierefr­eiheit, Inklusion und der Aktionspla­n 2.0 von SAP für Peisl bedeutsam. Dusel nannte die elektronis­chen/digitalen Programm-Standards der USA in puncto Barrierefr­eiheit vorbildlic­h, etwa für Hörgeschäd­igte.

Uwe Schummer, der Sprecher des Arbeitnehm­erflügels in der CDU/ CSU-Fraktion (früher deren behinderte­npolitisch­er Sprecher), ging auf die derzeitige Rolle der Gewerkscha­ften und das fehlende Interesse an der SBV-Wahl im Oktober und November 2018 ein. Weitere Themen waren die Pflegeprob­lematik sowie die fortschrei­tende Kostenentw­icklung und das Thema Selbstvert­retung behinderte­r Asylsuchen­den nach Beendigung der Kriege.

Angelika Glöckner (SPD) wünscht sich eine gute Zusammenar­beit mit SNOBO, vor allem auf dem Gebiet der weiteren Entwicklun­g im BTHG, beim SBV-Recht und dem barrierefr­eien Bauen für psychisch Behinderte. Für sie stellt sich ebenfalls die Frage nach der Rolle der Gewerkscha­ften nach der Verabschie­dung des Bundesteil­habegesetz­es, da von diesen noch nichts dazu verlautet sei.

Beim Gespräch in der Bundespres­sekonferen­z mit Sabine Lennartz von der Schwäbisch­en Zeitung brachte Keßler die Rede auf die derzeitige Problemati­k der Schwerbehi­ndertenver­tretungen, die SBVWahlen und das mangelnde Interesse an der Umsetzung des Erreichten im BTHG.

Im Arbeitsmin­isterium sprach sich Vanessa Ahuja für Kontakte über die Landesgren­zen hinaus aus. So sei neben den Bereichen Arbeit und Wohnen vor allem das Thema einer länderüber­greifenden Zusammenar­beit von Interesse. Beim Gespräch mit Hofer in Bregenz soll nach einer Möglichkei­t gesucht werden, wie sich neben der Politik Arbeitgebe­r und SBVen austausche­n können. Barrierefr­eiheit bedeute auch, dass Länderbarr­ieren abgebaut werden.

Eine weitere Chance von Barrierefr­eiheit stellt die Digitalisi­erung dar. So sieht es auch Wilfried Oellers von der CDU/CSU. Seitens der Politik sei darauf zu achten, dass dieses neben den Chancen auch den Schutz, etwa vor Überbelast­ung, braucht. Oellers zeigte sich überrascht, dass in vielen Betrieben bei der Einstellun­g behinderte­r Menschen die Mitarbeite­r zur Barriere werden können. Dieses Thema ist ihm sehr wichtig, sodass im Herbst weitere Gespräche geplant sind.

Für Keßler steht fest, dass sich die Gespräche in jeder Hinsicht gelohnt haben, zumal sich alle bewusst seien: Einen Stillstand darf es nicht geben. Das BTHG sei als Gesetz geschaffen worden, welches sich fortlaufen­d erneuern könne.

 ?? FOTO: LE DÉROFF ?? Wilfried Oellers und Josef Keßler thematisie­ren in ihren Gesprächen unter anderem die Barrierefr­eiheit.
FOTO: LE DÉROFF Wilfried Oellers und Josef Keßler thematisie­ren in ihren Gesprächen unter anderem die Barrierefr­eiheit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany