Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Hygiene: Häfler Klinikum bleibt wachsam
Krankenhaus setzt auf Fortbildung und Kontrolle, um Komplikationen zu vermeiden
FRIEDRICHSHAFEN - Bis zu 800 000 Krankenhauspatienten leiden jährlich in Deutschland an medizinischen Komplikationen, die vermeidbar gewesen wären. Das sagt das Aktionsbündnis für Patientensicherheit. Der Verein stellt Forderungen, um dem entgegenzuwirken. Handlungsbedarf sieht auch Jochen Wolf, Klinikdirektor des Klinikums Friedrichshafen. Das Klinikum hat eigene Maßnahmen in Angriff genommen.
Im Jahr 2017 gab es insgesamt 71 Beschwerden über vermeintliche Behandlungsfehler im Klinikum Friedrichshafen. In durchschnittlich acht Fällen pro Jahr entscheidet letztendlich ein Gericht. Bei rund 19 000 stationär behandelten Patienten sind das 0,04 Prozent. „Die meisten Komplikationen gibt es im orthopädischen Bereich, bei unfallchirurgischen Eingriffen, wenn die Patienten mehrere Verletzungen haben“, sagt Kaare Tesdal, ärztlicher Direktor des Häfler Klinikums. Außerdem gebe es bei der Geburtshilfe immer wieder Konstellationen, die zu Streit führen können. „Im hygienischen Bereich kann es Entzündungen im Rahmen von Eingriffen geben“, sagt Tesdal.
Hygiene ist für das Aktionsbündnis ein großes Thema. Jährlich erkranken in Deutschland immer noch bis zu 400 000 Patienten an einer Krankenhausinfektion, 30 000 davon an multiresistenten Erregern. Krankenhausinfektionen sind laut RobertKoch-Institut Infektionen, die sich Patienten während ihres Aufenthalts in einem Krankenhaus oder bei einer ambulanten medizinischen Behandlung zuziehen. Rund ein Drittel dieser Krankenhausinfektionen seien auf Hygienemängel zurückzuführen, wären also grundsätzlich vermeidbar.
Im Klinikum Friedrichshafen erkranken laut eigenen Angaben pro Jahr rund 0,25 Prozent aller stationär behandelten Patienten an einer Krankenhausinfektion. Bei 83 Patienten wurden in Friedrichshafen im Jahr 2017 die sogenannten Krankenhausbakterien MRSA festgestellt – wobei das nicht bedeutet, dass sie auch alle daran erkrankt waren. Laut Susann Ganzert, Pressesprecherin des Klinikums, brachten 79 Patienten den Keim selbst mit ins Krankenhaus. MRSA sind Bakterien, die gegen das Antibiotikum Methicillin und andere Antibiotika unempfindlich sind. Damit Krankenhausinfektionen vermieden werden können, fordert das Aktionsbündnis eine verbindliche bundeseinheitliche Hygiene-Richtlinie. „Damit die Übertragungskette einer Krankheit unterbrochen wird, muss das Personal in 80 Prozent aller Fälle seine Hände desinfizieren“, sagt Hardy Müller, Geschäftsführer des Aktionsbündnis für Patientensicherheit. Um 100 Prozent zu erreichen, müsse man sich die Hände immer dann desinfizieren, wenn man zum Bett eines Patienten gehe, aber auch, wenn man das Bett eines Patienten verlasse.
Im Ausland ist man weiter
Kaare Tesdal sagt, dass man sich beim Thema Krankenhausinfektio- nen an anderen Ländern ein Beispiel nehmen könne. „Wir sind da leider nicht so weit wie in Holland oder Skandinavien. Dort werden die Patienten zuerst von ihrem Hausarzt gescreent, damit diejenigen, die MRSA-positiv sind, saniert werden, bevor sie ins Krankenhaus kommen“, erklärt Kaare Tesdal.
„Wir screenen alle Patienten, die risikobehaftet oder auf der Intensivstation sind, nach Krankenhauserregern“, sagt Susann Ganzert. Wird ein Keim festgestellt, wird der betroffene Patient isoliert.
Eine weitere Forderung des Aktionsbündnisses: Patientensicherheit soll in der Aus- und Weiterbildung Thema werden. Das APS hat hierzu einen Lernzielkatalog entwickelt, der in der Ausbildung aller Medizinberufe umgesetzt werden sollte. Zudem sollen die Patienten und ihre Angehörigen als aktive Partner miteinbezogen werden. „Patienten sind die Einzigen, die den gesamten Behandlungsprozess kennen“, erklärt Hardy Müller. Deshalb müssen sie über Behandlungen und Alternativen aufgeklärt werden. Außerdem sollten die Patienten ihren neuen Arzt über alle Medikamente und bisherigen Behandlungen informieren. „Wenn etwas schiefgeht, braucht man die Rückmeldung der Patienten“, sagt Müller.
Regelmäßige Patienten- und Angehörigenbefragungen seien deshalb ein weiteres Mittel, um die Patienten besser aufklären zu können. „Man sollte nicht an, sondern mit den Patienten sicher sparen“, sagt Hardy Müller. Und: „Alle müssen mitmachen. Von der Politik, bis hin zu jedem Einzelnen, der an Patienten arbeitet.“
Die Forderungen des Aktionsbündnis für Patientensicherheit hält Kaare Tesdal für sinnvoll. Die Ausund Weiterbildung der Krankenhausmitarbeiter zu fördern, sei wichtig. „Das ist bei uns ein wichtiger Punkt. Angefangen beim Einstellungsgespräch bis hin zu Fortbildungen im Haus und außer Haus“, sagt er. Jochen Wolf, Klinikdirektor des Klinikums in Friedrichshafen, sieht beim Thema Hände-Desinfektion weiteren Handlungsbedarf. „Das Verhalten der Mitarbeiter muss nachhaltig verändert werden“, sagt er.
Kontrolliert werde die Händedesinfektion unter anderem durch das sogenannte Hand-Kiss-Verfahren. Mit der Methode werde gemessen, wie viel Desinfektionsmittel für jede Station verbraucht werde. „Obwohl viel geschult wird, müssen wir unsere neuen Mitarbeiter daran gewöhnen“, sagt Wolf.