Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Er kam, sprach und brachte alle durcheinan­der

Comedian Martin Fromme gastiert am Gleis 1 mit seinem Programm „Lieber Arm ab als arm dran“

- Von Helga Wiechert

MECKENBEUR­EN - „Die Kanzlerin, der ehemalige Bundespräs­ident und circa 50 000 Andere haben sich das Vergnügen schon erlaubt. Und man glaubt nicht, was für eine unglaublic­he Lache Joachim Gauck hatte.“So hat „Deutschlan­ds einziger asymmetris­cher Komiker“Martin Fromme um Gäste für den Kulturschu­ppen geworben. Das Lachen ist ihm nicht so ganz gelungen. Den Blick aber hat er mit Sicherheit geschärft.

Aus Wanne-Eickel kam er daher, aus dem nördlichen Ruhrgebiet, mit seinem ganz speziellen Humor und lachte über sich selbst, über die „Menschen mit speziellen Fähigkeite­n“und über die anderen, die „ganz normal behindert sind“. „Das stimmt“, frohlockte er von Meckenbeur­ens Kulturbühn­e. „Da stimmt was nicht bei mir. Sieht schrecklic­h aus“. Er hob seinen linken Arm oder mehr den Stumpf, der ihm dank Contergan geblieben ist und scherzte: „Ich wär auch lieber schwul.“Und dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, nahm er sich wohlgemut noch ein paar Grade der Behinderun­g dazu, hinkte lallend in den ReweMarkt, um einen Behinderte­nparkplatz zu ergattern, ließ Blinde attraktive Partnerinn­en suchen, Beinamputi­erte den Fetisch für High Heels erleben und Pornos in Gebärdensp­rache übersetzen.

Seit 1986 steht Martin Fromme auf Deutschlan­ds Bühnen, moderiert seit 2011 die TV-Sendung „Selbstbest­immt“und war beim „Stromberg“als Gernot Graf dabei. „Wie hab ich wohl den Arm verloren?“, wollte er von seinen Gästen am Samstagabe­nd wissen?“und hatte selbst die Antwort parat. In Bayern wär’s klar: „Beim Fingerhake­ln.“Aber er hat seinen Vater im Verdacht: „Man vertut sich schon mal mit der Nabelschnu­r und ohne Klavier wird‘s einfach billiger.“„Aber im Ernst“, kam er auf seinen Boden der Tatsachen zurück: „Ich war im Internat bei den katholisch­en Nonnen und habe links geschriebe­n… Die sind wirklich hart!“Und wieder war es mucksmäusc­henstill an diesem Abend im Kulturschu­ppen am Gleis 1.

„Miteinande­r übereinand­er lachen“wollte Fromme am Abend und im gleichnami­gen Buch. Das Miteinande­r ist ihm in Meckenbeur­en bestens gelungen mit seiner versteckte­n Kamera, die wahrlich Unglaublic­hes zutage brachte. Beim Übereinand­er hat es gehapert. Vielleicht auch angesichts des Themas, das in Meckenbeur­en doch überaus präsent ist und Bilder zeigt, bei denen Fromme so gar nicht mithalten kann. Und dann ließ er sie alle einfach alleine und sang mit herrlich eindrucksv­oller Stimme und im Sound von „Don’t Cry for me, Argentina“: „Auf Wiedersehe­n Meckenbeur­en. Ich fahr jetzt und ihr müsst bleiben. Denkt dran, wir sind alle behindert!“

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FOTO: HELGA WIECHERT Martin Fromme sagt: „Inklusion ist hip. Jeder will dabei sein. Keiner weiß, wie es geht.“

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