Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ehrenamtliche bereiten schöne Stunden
Demenzbetreuungsgruppe Tettnang sucht für ihre Arbeit Unterstützung
TETTNANG - Jede Woche sorgen Freiwillige in Tettnang bei 15 Menschen mit Demenz für ganz besondere Stunden und für deren Angehörige bereiten sie Gelegenheit zum Luftholen. Doch die Demenzbetreuungsgruppe braucht Unterstützung.
„Hoch auf dem gelben Wagen sitz ich beim Schwager vorn“, schallt es kürzlich an einem Donnerstag durch die geschlossene weiße Holztür des Gemeindezentrums St. Gallus in Tettnang. In dem geräumigen Gruppenraum sitzen rund 30 Menschen in einem Stuhlkreis zusammen. In der Hand halten sie Liederbücher mit großer Schrift. Sie singen laut und textsicher, das Liederbuch brauchen sie eigentlich gar nicht. In der Kreismitte sitzen Kindergartenkinder und schauen den Männern und Frauen zu. Vorsichtig. Neugierig. Sie könnten ihre Omas und Opas sein. Gerade eben haben die Kinder vom katholischen Kindergarten St. Gallus selbst ein Lied zum Thema Herbst aufgeführt und dazu getanzt, jetzt wird für sie gesungen. 70 Jahre Leben liegt zwischen diesen beiden Stücken.
Um Demenz geht es an diesem Donnerstag nicht. Zumindest nicht offenkundig. Die Menschen, die hier zu Besuch sind und regelmäßig einen Nachmittag miteinander verbringen, sind zwar an Demenz erkrankt, aber ganz bewusst einfach nur Gäste. Es gibt keinen Fachvortrag und keine Faltblätter zum Thema und dass die Pflegekasse die rund 20 Euro für die Betreuung bezahlt, ist in diesen Stunden nicht wichtig. Es geht um Alltag bei Kaffee und Kuchen, Struktur bei Ritualen und Gefühle, die Erinnerungen auslösen. 15 Ehrenamtliche kümmern sich jede Woche um genauso viele Gäste.
Eine der Freiwilligen ist Brigitte Weber. Die 52-Jährige kommt donnerstags in die Gruppe, spielt mit den Gästen Karten oder singt mit ihnen. Für eine Aufwandsentschädigung zwar, aber eigentlich weil ihr die ehrenamtliche Arbeit viel gibt, wie sie erzählt. „Die Menschen merken, dass man das für sie tut.“Und: „Sie werden angelächelt“, sagt Weber. In ihrem Hauptberuf arbeitet sie bei ifm, doch für ein paar Stunden nimmt sie sich in der Woche Zeit für die Angebote der Sozialstation Tettnang. Mit 52 Jahren gehört sie zu den jüngeren Helfern, sagt Cordula Geiger, Demenzbeauftragte der Sozialstation. Das Problem: „Unsere älteren Helfer werden selbst alt.“Und davon gibt es viele: Neben den Freiwilligen vor Ort kümmert sich zum Beispiel jemand um den Blumenschmuck, andere fahren die Gäste von Zuhause in das Gemeindezentrum, machen Musik oder backen Kuchen für die Gruppe. Und hier braucht es noch weiter Unterstützung, sagt Koordiantorin Sandra Quay. „Es geht darum, Gemeinschaft zu erleben“, sagt sie über das Angebot. Diese Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sei sehr wichtig für die Betroffenen. Bei der Arbeit gehe es zum Beispiel auch darum, mit Musik einen Zugang zu den Men- schen zu bekommen – über Gefühle, sagt Cordula Geiger und ergänzt: „Gefühle bleiben bis zum Tod erhalten.“Und für die Angehörigen der Menschen mit Demenz würden die drei Stunden Betreuung Zeit zum Luftholen bieten, sagt Quay – zum Beispiel zum Radfahren.
Die Gäste im katholischen Gemeindehaus haben den Sitzkreis inzwischen verlassen. Brigitte Weber sitzt an einem der Tische, neben ihr eine der Gäste. Diese pinselt filigran und mit viel Liebe zum Detail rote Farbe auf ein grünes Blatt. Danach drückt sie es mit der Hilfe von Brigitte Weber auf das weiße Papier und: lächelt stolz. Brigitte Weber lächelt freundlich zurück.