Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Erinnerungsstück für Zuhause
Die heutige Kirchenpflegerin Pia Litz-Kehr war zur Bauzeit ein Teenager und stand vor Barnsteiners an der Straße, als Kehlens Kirchturm fiel: „Das war ein ganz seltsames Gefühl. Erst mit dem Turm war auf einmal die Kirche weg. Das Wahrzeichen Kehlens war nicht mehr da. Der Ort, an dem wir unseren Glauben gelebt hatten. Danach folgte die Baustelle, wo Riesenhalden von kleinen, leichten ,Kügele’ lagerten, die im Beton verarbeitet wurden. Von Leichtbeton hatten wir bis dahin noch nie etwas gehört, und daraus sollte eine Kirche gebaut werden? Auch an die Grundsteinlegung erinnere ich mich noch gut. Unser Schülerchor hat mit dem Kirchenchor gesungen, im Kirchenneubau, der nur Außenmauern hatte und kein Dach über dem Kopf. Damals erfolgte ein großer Umbruch vom traditionell Alten zu Neuem, nicht nur am Bau, auch in der Liturgie und im kirchlichen Leben. Der Blick war zukunftsorientiert und weltoffen. Pfarrer Guntram hat die Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils zu 150 Prozent umgesetzt. Auf einmal stand der Pfarrer hinterm Altar und nicht mehr mit dem Rücken zu den Leuten. In der neuen Kirche wurden moderne Lieder und sogar einmal eine Jazzmesse gesungen. Mit der neuen Jugendgruppe unternahm Pfarrer Guntram Reisen oder Kulturfahrten. Von da an gab es auch einen Pfarrgemeinderat.“
Walter Kühnle
war damals Hoffotograf von Kirche und Gemeinde, so wurde er genannt. Überall war er dabei, wenn sich etwas tat in Kehlen: „Diese alte Kirche würde man heute nie mehr abreißen. Die Mauern sind gar nicht leicht gefallen. Aber in die Ortsmitte wollte Pfarrer Guntram damals nicht ausweichen für eine neue Kirche. Teils herrschte große Traurigkeit unter den Leuten. Weg war das Hoimelige der alten Kirche, und das Neue haben oft nur die Jungen akzeptiert. Aber die Rettung der Orgel hat viele wieder mit dem neuen Bau versöhnt. Ganz viele haben sich ein Erinnerungsstück mit nach Hause genommen. Oft war es nur ein kleiner Steinsbrocken. Wir haben aus Kirchenbänken einen Werkstattboden für eine Flaschnerei gebaut, die heute noch darauf steht. Der Blick über den Tellerrand war für viele schwer. Auch dass es kein Kreuz an der Kirche mehr gab, war ein Streitpunkt, der bald nach Guntrams Weggang behoben wurde. Kirchengemeinderat Georg Kramer hat sich dafür stark gemacht und mit Pfarrer Hans Hänßlers Hilfe hing schon bald wieder ein Kreuz an der Kirche. Und das war sogar beleuchtet.“
war 1968 Mitglied in der Ortskirchensteuervertretung, die mit dem Kirchenstiftungsrat den heutigen Kirchengemeinderat bildete: „Wir waren bei allen Arbeiten dabei, bei der Pflege des Kirchenwalds und natürlich beim Abriss und Neubau der Kirche. Kurz zuvor kam damals Pfarrer Guntram auf mich zu. ,Du bist doch Schreiner’, sagte er und bat mich mit drei weiteren Männern, die er mir zur Verfügung stellte, das Gehäuse der Orgel abzubauen. Das haben wir gerne übernommen. Die Pfeifen waren schon beim Orgelbauer. Natürlich wurde damals auch viel Geld gebraucht. So haben meine Frau Maria und ich 16 Jahre lang den Losstand beim Basar organisiert und immer das ganze Jahr über dafür gebastelt. Auch ein Verenaflies, wie es heute in der Kirche liegt, haben wir Räte damals alle eines gekauft. Pfarrer Guntram hat viel vorangebracht, war fortschrittlich und sehr aufgeschlossen.“(wie)
Bruno Fuchsloch
KEHLEN - Im Oktober vor 50 Jahren ist die katholische Kirche St. Verena eingeweiht worden – was Kehlens Kirchengemeinde im September beim Verenafest beging. Das moderne Gotteshaus suchte in Oberschwaben damals seinesgleichen – und war für so manche Debatte gut gewesen. Dies sowohl im Mai 1965, als der Kirchenstiftungsrat den Abbruch der alten Kirche beschloss, als auch im März 1967, als der Backsteinbau teils gesprengt, teils abgerissen wurde.