Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kostbare Seelennahrung
Ist das traditionsreiche Gebäck aus Oberschwaben und dem Allgäu in Gefahr? – Seit diesem Jahr ist die Seele aufgenommen in die „Arche des Geschmacks“
Seele in ihrer traditionellen Form ganz aus den Regalen verschwinden könnte – das ging und geht vermutlich vielen Seelenfreunden über ihre Vorstellungskraft. Genau dies befürchtet aber die Organisation Slow Food, die sich dem Erhalt traditionsreicher Nahrungsmittel verschrieben hat. Sie ist deutschlandweit aktiv und hat die „Arche des Geschmacks“gegründet, eine Art Rote Liste der gefährdeten Speisen und Getränke. Darin aufgenommen wurde in diesem Jahr auch die „Allgäuer-Oberschwäbische Seele in traditioneller Herstellung“, wo sie sich als 67. Passagier in illustrer geschmacklicher Gesellschaft befindet mit der Alblinse, dem Luikenapfel, dem schwäbisch-hällischen Landschwein oder den Münchner Brotzeitsemmeln.
Es war gar nicht so leicht, sagt Joachim Rehm von der Slow-Food-Sektion Oberschwaben, denn der Aufnahmeantrag musste detailliert begründet sein, und es dauerte ein bis zwei Jahre, bis die Jury der Seele gnädig war. Eine der Hauptfragen, die sich dabei stellte, war: Ist sie tatsächlich gefährdet? Das ist zu befürchten. Die Slow-Food-Experten schreiben dazu: „Während Seelen inzwischen bundesweit auch von Großbäckern industriell produziert und vertrieben werden, ist ihre traditionelle Herstellungsweise bedroht. Sie wird derzeit nur noch von wenigen handwerklichen Bäckern praktiziert, die im Württembergischen Allgäu und in Oberschwaben ansässig sind.“Joachim Rehm aus Berg bei Ravensburg erklärt dazu: „Seelenmachen ist einfach wahnsinnig viel Arbeit“. Und vor allem: Handarbeit, die in Zeiten billiger Massenproduktion keine Konjunktur hat.
Ein Besuch bei Bäckermeister Manfred Müller in Schmalegg bei Ravensburg zeigt zunächst eines: An der Nachfrage mangelt es nicht, die Seelen gehen weg wie die berühmten warmen Semmeln – beziehungsweise Wecken. Viel Zeit stecke schon drin in den Seelen, das betont auch Müller, und das sei auch nötig. Was naturgemäß auf den Preis schlägt: „Eine original schwäbische Seele für 40 Cent ist eine Utopie“, stellt er klar. Mindestens das Doppelte kostet sie derzeit in den Läden in der Region.
Das Entscheidende für den Handwerksbäcker ist der lange gereifte Teig. Die Zutaten sind schnell aufgezählt: Mehl, Wasser, Hefe und Salz. Schon am Abend vorher wird ein Vorteig angesetzt, der zehn bis zwölf Stunden gehen muss, damit sich die Aromen entwickeln können. Dann kommen noch mehr Mehl und Salz dazu, es entsteht ein sehr weicher Hauptteig – „so ähnlich wie ein Spätzleteig“. Der wird dann noch mal einige Stunden liegen gelassen, damit er sich stabilisieren kann. Und wenn er dann da liegt, ein riesiger, weicher, genetzter, also befeuchteter Teigfladen, dann gilt es zügig mit beiden Händen und viel Fingerspitzengefühl die typisch länglichen Teigstücke „auszubrechen“und auf den sehr heißen Ofenboden zu bringen, wo sie zehn bis zwölf Minuten backen. Dafür wird in der streng traditionellen Herstellungsart ein langer hölzerner Schieber benutzt, der sogenannte Seelenschießer. „Eine echte Seele muss geschossen werden“, betont Rehm. Laut Slow Food gibt es in den Landkreisen Ravensburg und Biberach derzeit noch etwa 15 Handwerksbäcker, die so arbeiten.
Müller ist da nicht ganz so dogmatisch. Er hat inzwischen umgestellt und arbeitet mit einer Backfolie, auf der etwa 40 Seelen auf einmal auf die heiße Ofenplatte geschoben werden. „Das macht es für den Bäcker ein