Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Herbstlaub
Es ist nicht zu leugnen - der Herbst marschiert mit Riesenschritten auf den Winter zu. Die meisten Bäume haben sich in den letzten Wochen von ihren Blättern verabschiedet, den Laubsegen gelassen der Natur überlassend. Des einen Freud, des anderen Leid! Im Nordschwarzwald, wo ich aufwuchs, war Laub eher rar und wenn auf dem alten aufgelassenen Friedhof, unserem Spielplatz, im Herbst ein Blätterhaufen zu finden war, war es, bis der erste Schnee kam, die größte Freude nach der Schule schwungvoll dort hinein zu hopsen. Anders, Jahre später, der Hausmeister im Büro, der, jedes Jahr, kritisch und verärgert die Bäume beäugte, die ihm zusätzliche Arbeit aufbürdeten. Hatten sie endlich die letzten Blätter abgestoßen, kehrte er sie akribisch zusammen und schichtete sie auf zwei große Laubhäufen auf. Komisch war nur, dass jedes Mal, wenn die Arbeit verrichtet war, ein Windstoß die sorgsam aufgehäuften Blätter wieder in Bewegung setzte und übermütig über den Hof tanzen ließ. Auch wenn es den ganzen Tag windstill gewesen war! Wobei tanzende Blätter einen sehr wohl zum Dichten inspirieren können. „Die Blätter fallen, fallen wie von weit….“schrieb Rainer Maria Rilke in einem der schönsten Herbstgedichte. In Japan werden ältere pensionierte Männer übrigens häufig als „Herbstlaub“bezeichnet – aber das ist nun wieder eine ganz andere Geschichte.