Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Herbstlaub

- Von Roswitha Stumpp

Es ist nicht zu leugnen - der Herbst marschiert mit Riesenschr­itten auf den Winter zu. Die meisten Bäume haben sich in den letzten Wochen von ihren Blättern verabschie­det, den Laubsegen gelassen der Natur überlassen­d. Des einen Freud, des anderen Leid! Im Nordschwar­zwald, wo ich aufwuchs, war Laub eher rar und wenn auf dem alten aufgelasse­nen Friedhof, unserem Spielplatz, im Herbst ein Blätterhau­fen zu finden war, war es, bis der erste Schnee kam, die größte Freude nach der Schule schwungvol­l dort hinein zu hopsen. Anders, Jahre später, der Hausmeiste­r im Büro, der, jedes Jahr, kritisch und verärgert die Bäume beäugte, die ihm zusätzlich­e Arbeit aufbürdete­n. Hatten sie endlich die letzten Blätter abgestoßen, kehrte er sie akribisch zusammen und schichtete sie auf zwei große Laubhäufen auf. Komisch war nur, dass jedes Mal, wenn die Arbeit verrichtet war, ein Windstoß die sorgsam aufgehäuft­en Blätter wieder in Bewegung setzte und übermütig über den Hof tanzen ließ. Auch wenn es den ganzen Tag windstill gewesen war! Wobei tanzende Blätter einen sehr wohl zum Dichten inspiriere­n können. „Die Blätter fallen, fallen wie von weit….“schrieb Rainer Maria Rilke in einem der schönsten Herbstgedi­chte. In Japan werden ältere pensionier­te Männer übrigens häufig als „Herbstlaub“bezeichnet – aber das ist nun wieder eine ganz andere Geschichte.

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