Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Schwarzarbeit im ganz großen Stil
Zwei Firmenchefs prellen die Sozialversicherung um mindestens 378 000 Euro
KEMPTEN (mum) - Zu Bewährungsstrafen von eineinhalb und zwei Jahren hat die Große Strafkammer des Kemptener Landgerichts zwei 49 und 43 Jahre alte Unternehmer verurteilt, die in ihrer Baufirma zahlreiche Arbeiter beschäftigten, für die sie zu wenig Sozialversicherungsabgaben und Krankenkassenbeiträge abführten. Der insgesamt angerichtete Schaden beläuft sich laut Staatsanwaltschaft auf mindestens 378 000 Euro.
Die in dem Unternehmen beschäftigten Eisenbinder hatten bis zu 2500 Euro netto im Monat erhalten, waren teilweise aber gerade einmal als geringfügig Beschäftigte angemeldet. Den größten Teil ihres Lohnes erhielten sie „schwarz“, ohne dass dafür Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden.
Um das Schwarzgeld aus der Kasse entnehmen und entsprechend verbuchen zu können, erhielten die jetzt angeklagten Männer Rechnungen von angeblichen Scheinfirmen, die auf diese Betrugsmasche spezialisiert sind. Verschiedene Firmen mit Sitz in Pforzheim schrieben Rechnungen für angebliche Subunternehmer-Leistungen, die allerdings nie zustandekamen. So wurde die Schwarzgeld-Entnahme in der Buchhaltung verschleiert und erschien – oberflächlich betrachtet – legal.
Genau diese Masche sei in verschiedenen Branchen weitverbreitet, heißt es aus Ermittlerkreisen. Den konkreten Fall hatte der Zoll in Kempten aufgedeckt. Bei den beiden Männern, die jetzt auf der Anklagebank saßen, handelt es sich um einen 49-Jährigen mit deutschem und bulgarischem Pass und einen 43 Jahre alten Türken.
Es wird geschätzt, dass bundesweit durch die Masche mit Scheinfirmen ein Schaden bei den Sozialversicherungen und Krankenkassen entsteht, der in die Milliarden geht. Das Problem: Die Köpfe und Adressen der Scheinfirmen ändern sich so schnell, dass ein Zugriff der Polizei oder Justiz nur selten möglich ist. Für ihre fiktiv gestellten Rechnungen erhalten die Scheinfirmen Provisionen in Höhe von fünf bis 15 Prozent der Rechnungsbeträge.
„Eindeutig planend und kriminell“
Dem Urteil des Kemptener Landgerichts war ein Gespräch zwischen Gericht, Staatsanwalt und Verteidigern vorangegangen. Dabei verständigten sich die Parteien auf die Zusage, dass im Fall eines Geständnisses beide Angeklagten mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Das Vorgehen der Angeklagten bezeichnete der Staatsanwalt in seinem Plädoyer als „eindeutig planend und kriminell“. Ohne das Geständnis sei eine Bewährungsstrafe für ihn nicht vorstellbar, sagte der Staatsanwalt.
Neben den Strafen müssen die beiden Männer noch damit rechnen, dass sie von den Sozialversicherungen und den Krankenkassen in Regress genommen werden .