Schwäbische Zeitung (Tettnang)
T „Das ist unser letztes Konzert für eine sehr lange Zeit“
Colin Meloy von den Decemberists verkündet unbegrenzten Winterschlaf seiner Band
he Decemberists aus dem US-amerikanischen Portland sind mehr als Musiker: Sie sind Geschichtenerzähler. Seit 18 Jahren schreibt Frontmann und Sänger Colin Meloy die Texte – nun ist es für ihn an der Zeit, an anderen Projekten zu arbeiten. Beim Rolling Stone Park am Samstag im Europapark in Rust haben The Decemberists ihr vorerst letztes Konzert gespielt. Im Gespräch mit Kara Ballarin erklärt Meloy, warum er dringend eine Pause braucht.
Ihr seid passionierte Geschichtenerzähler. Welches Märchen hat dich als Kind am meisten beschäftigt?
Oh, lass mich überlegen. Ich mochte die Bremer Stadtmusikanten sehr gern. Mir gefiel die Idee, dass Musiker über Banditen triumphieren.
Was kam zuerst: die Musik, oder die Geschichten?
Mein größtes Interesse gilt schon immer dem Schreiben. Ich habe schon als kleines Kind Theaterstücke geschrieben. Dann habe ich die Musik für mich entdeckt. In der Musik haben meine Geschichten eine neue Ausdrucksform gefunden.
Viele Musiker wollen etwas Ganzes erschaffen, wenn sie an einem neuen Album arbeiten. Mit „Hazards of Love“habt ihr 2009 ein Werk vorgelegt, das vom ersten bis zum letzten Song eine einzige Geschichte erzählt. Hat das in unserer schnelllebigen Welt noch einen Platz?
Naja, in der Musikbranche gab es ja auch immer den Trend, Singles rauszubringen und dadurch den schnellen Kick zu kriegen. Das Internet mag das noch befeuert haben – vor allem dadurch, wie die StreamingPlattformen sich und ihre Inhalte vermarkten: Du magst diesen Song? Dann hör dir auch den hier an. Und am Ende gibt es ein Mischmasch aus Songs. Ich habe aber trotzdem das Gefühl, dass sich die Leute noch immer für Alben interessieren. „Hazards of Love“sticht auf jeden Fall heraus, aber ich will nicht immer Konzeptalben machen. Auch in andere Alben fließt viel Arbeit - ins Erschaffen der Lieder, in deren Auswahl und in die Entscheidung, in welcher Reihenfolge sie erscheinen sollen. Damit erinnern sie an eine Kurzgeschichtensammlung. Im besten Fall gibt es ein Gewebe, das die Lieder verbindet.
War das auch in eurem Kopf, als ihr euer jüngstes Album“I‘ll Be Your Girl“aufgenommen habt?
Ja, wir haben einen Weg gesucht, dass die Lieder zueinander passen. Das war nicht leicht bei dem Album, denn wir wollten was Neues ausprobieren. Wir haben angefangen, mit Synthesizern rumzuspielen. Und wir hatten mit John Congleton einen neuen Produzenten, der uns auch seinen Stempel aufgedrückt hat. Das war eine Herausforderung, und ich weiß nicht, wie gut es uns gelungen ist, die Lieder zusammenzunähen.
Fünf Lieder, die es nicht aufs Album geschafft haben, bringt ihr Mitte Dezember als EP mit dem Namen „Traveling On“heraus. Eine Fortsetzung des Album?
Nein, es sind Lieder, die wir mochten, die aber nicht wirklich zu den anderen gepasst haben. Die Auswahl ist immer schwierig. Und wenn man so lange mit den Liedern gelebt hat, ist man selbst nicht immer am besten geeignet, diese Auswahl zu treffen.
Worauf können sich eure Fans freuen?
Der Titelsong „Traveling On“ist mein erstes Lied über das Touren. Es ist meine Perspektive darauf, wie es ist, unterwegs zu sein. Die EP ist ein Dankeschön von uns, bevor wir für eine Weile abtauchen nach dem Konzert hier beim Rolling Stone Park. Das ist unser letztes Konzert für eine sehr lange Zeit.
Das klingt nach dem Ende der Decemberists.
Nein. Wir gehen in Winterschlaf. Ich brauche eine Pause, will wieder an anderen Projekten arbeiten. Die Decemberists gibt es seit 18 Jahren. Das hat mich ein wenig ausgelaugt. Ich will wieder an Büchern arbeiten und an anderen Musikprojekten. Und ich will einfach zu Hause und Vater sein, sodass meine Frau ihren Job voll ausleben kann.
Wirst du das Touren nicht vermissen?
Nein, das Gefühl hatte ich noch nie. Das Touren ist einfach anstrengend. Wenn ich die Band vielleicht mit Anfang 20 gegründet hätte, hätte ich mich ins Touren gestürzt und es geliebt. Ich war aber schon 28, der Reiz verfliegt schnell und dann suchst Du nach Wegen, die Stunden rumzukriegen, ohne dich jeden Tag besinnungslos zu betrinken.
Was ist dein Rezept?
Ich brauche Struktur: Aufstehen, Kaffee trinken und frühstücken, einen langen Spaziergang machen. Dann suche ich normalerweise einen Buchladen und ein Café zum Lesen, suche einen Plattenladen, esse zu mittag, gehe zurück zum Veranstaltungsort, mache den Soundcheck. Und wir haben herausgefunden, dass wir die Zeit zwischen Abendessen und unserem Auftritt am besten mit einem Brettspiel füllen können.
Mit welchem Brettspiel?
Mit den „Siedlern von Catan“hat alles angefangen. Das ist ein deutsches Spiel, richtig?