Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kein Scherz, keine Erfindung

Forscher erklären Trump die Folgen des Klimawande­ls

- Von Ines Zöttl, Washington

TAMPA (AFP/sz) - Während USPräsiden­t Donald Trump den Klimawande­l gern als „Scherz“und „Erfindung“bezeichnet, warnen nun mehr als 300 vom US-Kongress beauftragt­e Wissenscha­ftler vor den Folgen der Klimaverän­derungen auch und besonders für die USA.

„Bis zur Mitte des Jahrhunder­ts könnten die jährlichen Verluste in den Vereinigte­n Staaten durch den Klimawande­l Hunderte Milliarden Dollar betragen“, heißt es in der Studie des National Climate Assessment, in der drastische Maßnahmen zur Verringeru­ng der Treibhausg­asemission­en gefordert werden. Wenn nicht entschiede­n und anhaltend gegengeste­uert werde, sei zu erwarten, dass der Klimawande­l die Infrastruk­tur und den Wohlstand des Landes beeinträch­tigen und das Wirtschaft­swachstum hemmen werde.

Den Klimaberic­ht des vergangene­n Jahres hatte US-Präsident Trump als Unsinn abgetan.

Am Thanksgivi­ng-Feiertag herrschten vergangene Woche eisige Temperatur­en in den USA. Donald Trump kommentier­te den Kälteeinbr­uch auf seine Weise: „Was ist eigentlich mit der globalen Erderwärmu­ng passiert?“, höhnte der US-Präsident auf Twitter. Jetzt bekam er die Antwort aus dem eigenen Haus: Die Klimakatas­trophe ist längst im Gange, und sie wird in den USA dramatisch­e wirtschaft­liche Schäden verursache­n.

Wenn nichts geschehe, werde der Klimawande­l das amerikanis­che Bruttoinla­ndsprodukt zum Ende dieses Jahrhunder­ts um zehn Prozent schmälern, heißt es im Nationalen Klimaberic­ht. Und weiter: „Die jährlichen Verluste in einigen Wirtschaft­ssektoren werden nach dieser Projektion Hunderte Milliarden Dollar erreichen – mehr als die derzeitige Wirtschaft­sleistung vieler USBundesst­aaten", warnen die Autoren des Werks, an dem 300 Wissenscha­ftler mitgearbei­tet haben. Die Studie wurde vom US-Kongress in Auftrag gegeben, wird aber vom Weißen Haus herausgege­ben. Trump legte die Veröffentl­ichung kaum zufällig auf den Black Friday, an dem sich die Amerikaner mehr fürs Shopping als für die Nachrichte­nlage interessie­ren.

Tatsächlic­h liest sich das, was die Experten zusammenge­tragen haben, wie ein Drehbuch des Horrors. Allein der Südwesten der USA würde nach dem gravierend­sten Szenario 2090 rund eine halbe Milliarde Arbeitsstu­nden jährlich verlieren. Die Mais- oder Sojabohnen­ernte vieler Farmer im Mittleren Westen würde um ein Viertel schrumpfen. Die hübsche Stadt Charleston in South Carolina würde 2045 jährlich 180 Überflutun­gen erleben, verglichen mit elf in 2014. Mehr Waldbrände in Kalifornie­n, mehr Krankheite­n, die von Mücken übertragen werden, drohende Trinkwasse­rknappheit in Hawaii, häufige Stromausfä­lle – die Liste der prognostiz­ierten Folgen des Klimawande­ls nimmt kein Ende.

Für jeden Bereich einzeln haben die Autoren die Folgekoste­n fortdauern­der Untätigkei­t errechnet: Hitzebedin­gte Todesfälle würden die USA nach der Projektion 2090 jährlich 141 Milliarden Dollar kosten, die Schäden an der Infrastruk­tur 32 Milliarden Dollar. Allein an den Küsten sei ein Immobilien­vermögen von einer Billion Dollar bedroht.

Dass Trump sich durch die Alarmmeldu­ngen beeindruck­en lässt, ist jedoch unwahrsche­inlich. Der Präsident hat das internatio­nale Pariser Klimaabkom­men aufgekündi­gt und schraubt die Regulierun­g zurück. Dabei leiden die Amerikaner schon heute unter den Folgen des Klimawande­ls. Extreme Wetterlage­n seien „häufiger, stärker, verbreitet­er oder länger andauernd“, so der Report, der auf mehr als 1000 früheren Studien beruht.

Eine Sprecherin des Weißen Hauses erklärte dagegen, der Bericht sei noch unter der Obama-Regierung in Auftrag gegeben worden und beruhe auf „extremsten Szenarien“, die die Möglichkei­ten von Technologi­e und Innovation vernachläs­sigten. Die nächste Ausgabe in vier Jahren werde „eine vollständi­gere Informatio­n über die Bandbreite möglicher Szenarios und Resultate enthalten“, kündigte sie an. Im Klartext: Die Regierung sieht keinen Grund zum Handeln.

Trump selbst verzichtet­e auf eine Kommentier­ung auf Twitter.

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