Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Trainer auf Abruf
Für Niko Kovac ist nach dem 3:3 gegen Düsseldorf die Partie am Dienstag gegen Lissabon zum Endspiel geworden
MÜNCHEN - Von 2:0 und 3:1 auf 3:3 – zu Hause gegen Fortuna Düsseldorf, gegen den Aufsteiger. Eine sportliche Bankrotterklärung. Die Fakten zum Desaster des FC Bayern München sagen alles: 21 Punkte nach 12 Spieltagen ist die schwächste Bilanz seit acht Jahren. Dazu schon 17 Gegentore – so viele wie in der gesamten Saison 2015/2016. Aus vier Punkten Vorsprung auf Borussia Dortmund sind binnen acht Spielen satte neun Punkte Rückstand geworden. Sogar der VfB Stutgart als Tabellenletzter holte in diesen acht Spielen nur drei Punkte weniger. Ein Erdrutsch des AboMeisters.
Erstmals seit 24 Jahren blieb der FC Bayern vier Bundesliga-Heimspiele hintereinander ohne Sieg, man verspielte bereits neun Punkte nach einer Führung: Drei beim 2:3 in Dortmund trotz zweimaliger Führung, sechs bei drei peinlich vergeigten Auftritten in der Allianz Arena.
„Ich war völlig down, als das Tor gefallen ist“, sagte Präsident Uli Hoeneß am Samstag über den Ausgleichstreffer des insgesamt dreifachen Düsseldorfer Torschützen Dodi Lukebakio in der Nachspielzeit. „Ich habe gedacht, die Welt geht unter. Von diesem Schock muss ich mich jetzt erst mal erholen. Das wird ein schwieriger Abend für meine Frau.“Und schwierige Tage für Trainer Niko Kovac.
Denn der 47-Jährige ist seit dem 3:3 nur noch ein Trainer auf Abruf, auf Zeit.
Nachdem Hoeneß Kovac, seinen Wunschtrainer, vor Wochen noch wortgewaltig geschützt hatte („Ich werde ihn verteidigen bis aufs Blut“) entzog er ihm nun die bedingungslose Unterstützung. Kovac erhielt lediglich eine Jobgarantie für ein Spiel, für das Champions-League-Heimspiel am Dienstag gegen Lissabon (21 Uhr/Sky), in dem ein Punkt oder sogar eine knappe Niederlage für die Achtelfinalqualifikation reicht. Was aber auch heißt: Der Vertrag des Trainers wurde in aller Öffentlichkeit kurzerhand von Ende Juni 2021 auf Ende November 2018 verkürzt. Letzte Ausfahrt Gala gegen Lissabon. Schafft Kovac doch noch die Wende – oder sind seine Tage längst gezählt?
Eine kurzfristige Trainerentlassung war für den Präsidenten am Samstag „im Moment kein Thema“, dabei wiederholte er „im Moment“. Man habe sich vorgenommen, „in aller Ruhe darüber zu schlafen, in der Champions League „wird unser Trainer sicherlich Niko Kovac sein“. Und kommenden Samstag in der Liga bei Werder Bremen? Nicht abzusehen. Die Suche von möglichen Nachfolgern braucht Zeit und Überredungskunst. Erschwerend kommt hinzu: Am Freitag findet die Jahreshauptversammlung des Clubs statt, normalerweise für Nicht-Mitglieder des FC Bayern eine sonderliche und teils auch befremdliche Selbstbeweihräucherungsveranstaltung mit nordkoreanischen Jubelstürmen aller Anwesenden. Doch unter diesen Umständen?
Am Samstag fällte Hoeneß nach dem Besuch in der Kabine ein vernichtendes Urteil über die Mannschaft,
das auf den Trainer – auf wen sonst? – zurückfällt. „Wir spielen sehr schlechten Fußball, uninspiriert und ohne Selbstvertrauen.“Er sprach von „dilettantischen Fehlern“bei den Gegentoren, von „Slapstick“, von einer „total verunsicherten Mannschaft“. Und dann forderte Hoeneß die Journalisten sogar auf, die Spieler härter zu kritisieren. „Bitte, tun sie sich das mal an, was heute passiert ist. Dann müssen sie auch mal kritisch mit dem ein oder anderen Spieler umgehen. Denn das war hanebüchen, was da passiert ist“, sagte er.
„Ein schwerer Tag für uns, eine schwierige Ausgangsposition für den Rest der Saison. Es gibt sicherlich internen Gesprächsbedarf. Wir müssen uns zusammensetzen, wie es weitergehen soll. Das, was passiert ist, ist nicht akzeptabel.“Kaum ein Trainer kann solche Worte ohne Jobverlust überstehen.
Niko Kovac klagte am Samstagnachmittag erstmals seine Spieler an. „Sie können sich vorstellen, wie ich mich innerlich fühle. Ich weiß nicht, ob es eine Steigerung von sauer gibt“, sagte er und sprach außerdem von „individuellen Fehlern, die kein Trainer der Welt verhindern kann“. In der Not teilt nun auch der überforderte Coach aus, längst angekommen im Selbstschutz-Modus. Branchenübliche letzte Zuckungen? Kovac sagte auch einen Satz, den man so oder so bewerten kann: „Wir haben es 90 Minuten ordentlich gemacht, wenn man mal die Tore abzieht.“Kann man aber nicht.
„Wir stecken scheinbar in einer Phase, in der dann auch alles bestraft wird“, lamentierte Doppeltorschütze
Thomas Müller, „wir stehen selbst jetzt wieder da und wissen nicht, was los ist. Wir haben ein engagiertes Spiel gemacht, vielleicht fehlt da die hundertprozentige Schärfe in der ganzen Mannschaft. Vielleicht sind wir dann zu leichtsinnig.“Die Schärfe? Die Motivation? Die Konzentration? Alles Kernaufgabengebiete eines Trainers. Laut „Bild am Sonntag“sollen sich direkt nach dem Spiel in der Kabine „viele Spieler gegen ihren Trainer ausgesprochen haben“. Daran ist im September 2017 Carlo Ancelotti gescheitert. Hoeneß dazu: „Man wird die Meinung der Spieler anhören.“Klingt nicht gut für Kovac.
„Ich habe gedacht, die Welt geht unter“
Bayern-Präsident Uli Hoeneß
„Das erste Tor – so was habe ich nur in Slapstick-Filmen gesehen.“Uli Hoeneß
„Wir haben es 90 Minuten ordentlich gemacht, wenn man mal die Tore abzieht“
Bayern-Trainer Niko Kovac