Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gebt Alleinerzi­ehenden eine Chance

- Tanja Staudacher, Meckenbeur­en

Zur Wohnraumsi­tuation und zum Artikel „Besonders dringlich: Quartier Buch und Tettnanger Straße“, SZ vom 5. Dezember:

Mit meinem dreijährig­en Sohn lebe ich in einer Ein-Zimmer Wohnung, die mir zum Jahresende wegen Eigenbedar­fs gekündigt wurde. Ich war verzweifel­t: Innerhalb von drei Monaten eine andere Wohnung finden und das im Bodenseekr­eis. Aber ich ließ mich nicht unterkrieg­en, habe ein Inserat geschaltet, über Ebay, Facebook, Zeitungen recherchie­rt und die Wohnungsba­u-Gesellscha­ften, Landratsam­t und Gemeinde angerufen, aber alles erfolglos. Wenn ich doch zu Besichtigu­ngen eingeladen war, hieß es schnell „nein danke“, als man hörte, dass ich alleinerzi­ehende Mama und Hartz-IV-Empfängeri­n bin.

Dann ein Lichtblick: Auf eine Wohnungsan­zeige bei Ebay bekam ich eine Antwort. Der Herr lebe in Griechenla­nd und wolle seine Wohnung dauerhaft vermieten. Sie war interessan­t, zumal Bilder eingestell­t waren. Nach mehrmalige­m EmailKonta­kt hieß es, dass er mir gerne die Wohnung vermieten würde, doch müssten wir schauen, wie sich das mit dem Schlüssel regeln ließe – er habe diesen bei der Firma Homeaway hinterlegt. Hinzu kam, dass ich 1100 Euro Kaution und die erste Monatsmiet­e (550 Euro) überweisen solle, dann würde ich den Schlüssel erhalten. All das, obwohl ich die Wohnung noch nicht mal besichtige­n konnte.

Wir haben dann recherchie­rt und erfahren, dass die Firma Homeaway nur für Ferienwohn­ungen zuständig ist und nichts mit privaten Vermietung­en oder Schlüsselü­bergaben zu tun hat. Für mich hat es sich so dargestell­t, dass es sich um einen Internet-Betrüger handelt – zum Glück habe ich das Geld nicht überwiesen.

Jedenfalls suchte ich weiter, hatte zudem ein tolles Jobangebot für eine Teilzeitbe­schäftigun­g und hoffte, dass es so künftig einfacher mit der Wohnungssu­che würde. Wieder über Ebay fand ich eine kleine Drei Zimmer Wohnung. Bei der Besichtigu­ng stellte sich heraus, dass ich die Vermieter kannte – alles hätte super gepasst, auch mit meinem neuen Job. Im Gespräch merkte ich dann eine Ablehnung – man wolle lieber ZF-Ingenieure, da sei die Miete sicher.

Ich kochte innerlich vor Wut. Wer garantiert denn, dass die Miete immer kommt? Kann ein ZF-Mitarbeite­r nicht auch arbeitslos werden oder aufgrund von Krankheit seine Tätigkeit nicht weiter ausüben? Wenig später kam die Absage.

Ich suchte weiter, aber nur Niederlage­n, eine nach der anderen. Schließlic­h lagen meine Nerven blank – ich musste mich entscheide­n, wie es weitergehe­n soll. Mein Freund bot mir an, bei ihm einzuziehe­n - das hieß für meinen Sohn und mich 50 km weg von Familie, Freunden, neuer Kindergart­en, neues Zuhause, neue Umgebung und wieder kein Job – und das alles, weil wir hier keinen Wohnraum finden. Die Aussicht: Wir verbringen Zeit auf der Straße, die mein Sohn hätte mit Spielen verbringen können.

Nach langem Überlegen entschied ich mich schweren Herzens, die Arbeitsste­lle nicht in Friedrichs­hafen anzutreten, sondern sicherzuge­hen und zu meinem Freund zu ziehen.

Eine Bitte habe ich an alle Vermieter: Gebt auch alleinerzi­ehenden Mamas und Papas eine Chance, sich etwas aufzubauen, versetzt euch einmal in unsere Lage.

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