Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ausbildung schützt vor Abschiebung
Meckenbeurerin sichert mit ihrem Einsatz vier Nigerianern eine Perspektive.
MECKENBEUREN - Warum die jungen Menschen ihre Heimat verlassen haben, möchte Angelika Prospero gar nicht so genau wissen. „Da bräuchte ich dann anschließend psychologische Betreuung“, sagt Prospero mit Blick auf die häufig traumatischen Erlebnisse der Flüchtlinge. Für sie steht nur ganz klar fest, dass niemand ohne Not die beschwerliche, oft lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer nach Europa antritt. Seit Ende 2014, und somit von Anfang an, engagiert sie sich ehrenamtlich beim Meckenbeurer Freundeskreis Asyl, der damals von Willi und Sieglinde Bernhard ins Leben gerufen wurde.
Zusammen mit Sieglinde Bernhard bietet Prospero Deutschkurse für die Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft in Kehlen an, seit 2017 begleitet sie auch die berufsbezogenen Sprachkurse mit Zielsprachniveau B1. „Wenn andere sich aufs Sofa setzen und ihren Fernseher einschalten, denke ich, da kann ich auch was Sinnvolleres tun, gehe lieber rüber ins Wohnheim und lerne Deutsch mit den Flüchtlingen“, erzählt Angelika Prospero, die als Italienisch-Dozentin an der VHS Bodenseekreis arbeitet.
Im Sommer 2017 lernt sie in der Gemeinschaftsunterkunft vier junge Nigerianer kennen, von denen einer eine Duldung (vorrübergehende Aussetzung der Abschiebung) und drei eine Aufenthaltsgestattung (Status für die Dauer des Asylverfahrens) haben. Da alle über Italien in die EU eingereist sind, droht ihnen nach der Dublin-Regelung langfristig die Abschiebung beziehungsweise Rücküberstellung nach Italien. Etwas, das Angelika Prospero unbedingt verhindern möchte, sind ihrer Meinung nach die Lebensbedingungen für Geflüchtete in Deutschland doch deutlich besser als in Italien. „Ich möchte diesen Menschen eine Hoffnung geben, ihnen eine Freude machen. Dass sie einen Beruf erlernen, der hier gebraucht wird, und dass sie eine Bleibeperspektive in Deutschland bekommen. Deutschland ist in der Lage, zu helfen. Ich tue im Kleinen etwas Gutes, denn auch im Kleinen kann man etwas bewirken“, ist sich die engagierte Helferin sicher. Sie startet eine mühselige Tour durch den Bodenseekreis und wird bei über 20 Betrieben vorstellig. Denn sie weiß, nur mit einem Ausbildungsvertrag in der Tasche haben die jungen Männer eine Zukunft in Deutschland. Von allen Widerständen, Vorurteilen und bürokratischen Stolpersteinen, etwa seitens des Landratsamtes, lässt sie sich nicht unterkriegen.
„Es macht Spaß“
Ihre Drohung: „Wir kommen wieder“ist ernst gemeint und beschert ihr schließlich den Erfolg. Oshiobugie (23 Jahre) beginnt eine Ausbildung bei der Schreinerei Amann, Peter (30 Jahre) startet als Elektriker bei Elektro Weber& Sterk, Emmanuel (37 Jahre) fängt als Maler bei der Büchler GmbH an und Steven (20 Jahre) schließlich verlässt als einziger Meckenbeuren und wird zum Koch im Hotel Maier in Fischbach ausgebildet. „Es macht Spaß. Im Moment habe ich Blockunterricht. Ich lerne kochen und servieren. Meine 28 Kollegen sind alle sehr nett. Manche kommen aus Syrien und dem Irak, meine Freunde aus Guinea sind auch dabei“, berichtet Steven. Auch die anderen drei Nigerianer sind mit ihrer Arbeitsstelle mehr als zufrieden. Alle kommen mit ihren Kollegen gut zurecht und auch „der Chef ist sehr, sehr nett“, wie Schreinerlehrling Oshiobugie erzählt. Bei aller Euphorie bleiben die unzureichenden Deutschkenntnisse der vier Männer das Hauptproblem. Hier leistet wieder Angelika Prospero tatkräftige Unterstützung. Sie besucht Elternabende der Berufsschule, hält Kontakt zu den Lehrern, bereitet mit den vier Auszubildenden den Schulstoff nach und lernt gemeinsam mit ihnen für die Klassenarbeiten. „Was sie für uns tut, ist genau das, was in der Bibel steht. Ohne Frau Prospero wüsste ich nicht, wie es weitergeht. Gott hat sie uns gebracht. Wir sind sehr dankbar und beten für sie“, fasst der gläubige Christ Oshiobugie zusammen, was alle empfinden.