Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Verfahren eingestellt
Dolmetscher wegen uneidlicher Aussage angeklagt
TETTNANG – Seit fast 30 Jahren übersetzt ein 62-jähriger Italiener als vereidigter Dolmetscher vor Gericht vom Italienischen ins Deutsche und umgekehrt. Vor einigen Tagen saß er wieder einmal vor Gericht, diesmal allerdings als Angeklagter. Im Amtsgericht Tettnang sah sich der Familienvater zweier Töchter dem Vorwurf der uneidlichen Falschaussage ausgesetzt.
60 000 Euro kamen nie an
Der Anlass liegt bereits drei Jahre zurück. Damals, am 26. September 2015, hatten die beiden Töchter des Angeklagten zwei Freundinnen zum Frühstück eingeladen, um den 19. Geburtstag einer der Töchter nachzufeiern. Just an diesem Vormittag soll eine der eingeladenen Freundinnen als Angestellte eines Autohauses im Bodenseekreis Kundengelder in bar an sich genommen haben. Im Firmentresor kamen die Fahrzeuganzahlungen in Höhe von etwa 60 000 Euro nie an.
Die unter Bewährung stehende Angestellte wies in der Hauptverhandlung vor einem Jahr ebenso wie auch bei der jetzigen Verhandlung vor dem Amtsgericht den Diebstahlvorwurf zurück. Sie sei an diesem Samstag zum Frühstück bei der Familie des Angeklagten gewesen. Tatsächlich aber war sie an diesem Samstag um kurz nach 8 Uhr in der Firma als anwesend eingeloggt. Letzteres hätte jeder andere Mitarbeiter tun können, verteidigte sich die junge Frau. Alle hätten diesen Zugriff gehabt. Auch eine ihr zugeordnete Unterschrift stamme nicht von ihr.
War nun die Angestellte an diesem Samstag zunächst im Büro, hat das Geld an sich genommen und kam erst später zum Frühstück? Oder hat ein anderer in ihrem Namen „eingestempelt“? Der Angeklagte hatte ausgesagt, die Freundin sei am Vormittag mit seiner Familie beim Frühstück gewesen. Ab wann allerdings wisse er nicht. Ob um 10 Uhr oder erst 11 Uhr? Möglicherweise kamen die vier erst spät aus den Federn nachdem sie am Abend zuvor bis in die frühen Morgenstunden unterwegs waren. War die Zeitangabe Vormittag des Angeklagten vorsätzlich falsch zugunsten der Angestellten und deshalb eine uneidliche Falschaussage, wie ihm vorgeworfen wurde?
Der 62-jährige Angeklagte erklärte dem Gericht ausführlich, dass Vormittag bei ihm die Zeit bis zum Mittagessen bedeute. Und zu Mittag gegessen werde in seiner Familie in 90 Prozent erst um 13.30 Uhr/14 Uhr Den Beginn des Frühstücks habe er sich nicht notiert, allerdings den Brötchenkauf an diesem Samstag gegen 10.30 Uhr und den Kauf der Blumen für seine Frau, mit der er an diesem Tag auch den 26. Hochzeitstag begangen hat.
Für den Strafbefehl und den Vorwurf gegen ihn hat er keinerlei Verständnis. Er habe nichts Falsches gesagt. „Ich bin ein korrekter Mensch und habe mir noch nie etwas zuschulden kommen lassen“. Das ist das erste Mal, dass ich auf der Anklagebank sitze, sagte der 62-Jährige, der seit 1970 unbescholten in Deutschland lebt, seit 1990 als vereidigter Dolmetscher arbeitet, und dessen Existenz bedroht gewesen wäre, wäre er verurteilt worden.
„Strafrechtlich nichts zu holen“
„Da ist strafrechtlich nichts zu holen“, schlug sein Verteidiger die Einstellung des Verfahrens vor. Und: Mit der Beweiswürdigung in dem vorausgegangenen Urteil könne er nichts anfangen. Gegen eine Geldauflage wurde das Verfahren vorläufig eingestellt.