Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Schock in der Dunkelheit

Unbekannte­r sticht in Nürnberg auf drei Frauen ein – Verunsiche­rung groß

- Von Catherine Simon

NÜRNBERG (lby) - Ein bislang Unbekannte­r hat am Vorabend im Nürnberger Stadtteil St. Johannis unweit der Kaiserburg drei Frauen niedergest­ochen und schwer verletzt. Zwei der drei Opfer im Alter von 26, 34 und 56 Jahren schwebten zunächst in Lebensgefa­hr – erst nach Stunden geben die Ärzte Entwarnung. War es ein Terroransc­hlag? Hass auf Frauen? Die Taten eines Verrückten? Die Spekulatio­nen gehen in alle Richtungen. Die Polizei hat bisher keine Hinweise auf einen terroristi­schen Hintergrun­d. Der Täter ist bislang nicht gefasst.

Die drei Tatorte liegen nur wenige Hundert Meter voneinande­r entfernt – in einem beliebten Viertel mit vielen Altbauten. Auf den ersten Blick weist nichts mehr auf die Bluttaten hin. Nur wer genauer hinschaut, entdeckt am dritten Tatort letzte Spuren. Ein kurzes Stück des Absperrban­des der Polizei flattert im Wind. „Ich habe schon ein komisches Gefühl“, sagt eine 54-Jährige, die gerade auf dem Weg zur Arbeit ist. „Wahrschein­lich war es einfach nur ein Irrer.“Weihnachte­n sei immer eine komische Zeit. „Viele sind dann alleine und drehen durch.“Auch im „Caffé Fatal“um die Ecke gehen die Gedanken der Gäste in diese Richtung. „Wahrschein­lich ist da einer ausgetickt“, sagt die 53 Jahre alte Kerstin. An einen Terroransc­hlag glaubt sie nicht. „Vielleicht hatte da einer einen Hass auf Frauen?“, fragt sie.

Eine Polizeistr­eife fährt die Straßen ab. In der Nacht waren die Beamten mit einem Großaufgeb­ot im Einsatz. Stundenlan­g sei der Hubschraub­er über dem Stadtteil gekreist, berichtet ein Anwohner. Auch mit Hunden wurde nach dem Flüchtigen gesucht. Ein Verdächtig­er geht den Beamten dennoch durch die Lappen: Er flieht, als er eine Streife sieht, in ein Haus. Gefunden haben die Einsatzkrä­fte ihn nicht.

Der Gesuchte hat die Fußgängeri­nnen zwischen 19 und 23 Uhr angegriffe­n – er soll sofort zugestoche­n und zuvor nicht mit seinen Opfern gesprochen haben. Die Staatsanwa­ltschaft sieht die Taten daher jeweils als versuchten Mord. Die Tatwaffe ist bisher unbekannt – von einem Messer will die Polizei nicht zwingend sprechen. Bei dem Täter soll es sich um einen 25 bis 30 Jahre alten Mann mit normaler Statur handeln – um die 1,80 Meter groß, blond, mit heller Haut und Drei-Tage-Bart. Die Aussagen zu seiner Bekleidung gehen auseinande­r.

Solche Fälle – und dann noch ausgerechn­et in der besinnlich­en Adventszei­t – beeinträch­tigten verständli­cherweise das Sicherheit­sempfinden der Menschen, sagt der mittelfrän­kische Polizeiprä­sident Roman Fertinger. Er betont jedoch: Die Zahl der Straftaten im öffentlich­en Raum habe nicht zugenommen. Man könne daher nicht von einer „großen Gefährdung“sprechen.

Kein erkennbare­s Motiv

Die Polizei geht derzeit von einem Einzeltäte­r aus. Denn die Taten seien sich sehr ähnlich, sagt der leitende Kriminaldi­rektor, Thilo Bachmann. „Es gibt keine Vorgeschic­hte, keinen Streit. Die Angriffe erfolgten unvermitte­lt.“Er bezeichnet die Vorgehensw­eise als „ungewöhnli­ch“: „Es gibt kein erkennbare­s Motiv.“Eine Sonderkomm­ission mit mehr als 40 Leuten soll den Täter schnappen.

Im Internet tauchen schnell Fragen und Vorwürfe an die Polizei auf: Wie könne es sein, dass noch weitere Taten passieren, obwohl die Polizei ganz in der Nähe ist? Und warum wurde die Öffentlich­keit nicht früher informiert? Die Beamten gingen jedoch zunächst von einem Einzelfall aus. Niemand habe damit rechnen können, dass der Täter erneut zuschlägt. Eine Sprecherin sagte, sie gehe außerdem nicht davon aus, dass viele Menschen in der Nacht eine Nachricht der Polizei lesen würden. Polizeiprä­sident Fertinger ergänzt, man habe „nicht die ganze Stadt in Unruhe versetzen“wollen, da sich die Taten auf einen recht kleinen Raum beschränkt­en.

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FOTO: DPA Die ganze Nacht fahndete die Polizei nach dem Täter.

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