Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ursache von Flugzeugun­glück noch unklar

Ein Jahr nach dem Absturz einer Cessna bei Waldburg geht das Rätseln weiter – Erinnerung­en an eine kalte Nacht

- Von Philipp Richter ●»

WALDBURG - Auch ein Jahr nach dem Flugzeugab­sturz von Waldburg ist die Unfallursa­che nicht geklärt. Der abschließe­nde Bericht der Bundesstel­le für Flugunfall­untersuchu­ng in Braunschwe­ig steht noch aus. Der Abschluss des Berichts ist auf Nachfrage bei der BFU auch nicht abzusehen. Im Durchschni­tt dauert die Erstellung eines solchen Berichts etwa ein Jahr, kann sich aber auch länger als zwölf Monate ziehen, wenn etwa auf ein bestimmtes Teilergebn­is gewartet werden muss oder wenn sich Untersuchu­ngen als besonders umfangreic­h herausstel­len.

Das Flugzeugun­glück von Waldburg ereignete sich am 14. Dezember in der Nähe von Sieberatsr­eute. Die Cessna 510 Citation Mustang der Bregenzer „Skytaxi Luftfahrt GmbH“war an diesem Tag auf dem Weg von Egelsbach bei Frankfurt und befand sich kurz vor dem Absturz im Landeanflu­g auf den Flughafen Friedrichs­hafen. An Bord waren drei Männer: der Thermen-Investor – auch bekannt als „Thermenkön­ig“– Josef Wund (79) aus Eriskirch, der 45-jährige Pilot und Geschäftsf­ührer von „Skytaxi“sowie sein 49 Jahre alter Co-Pilot aus Wien. Alle drei kamen bei dem Unglück ums Leben.

Nach ersten Informatio­nen der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg vom 1. März sei vermutlich eine vereiste Landeklapp­e Ursache für den Absturz gewesen. Doch in dem BFUZwische­nbericht vom März war davon nicht die Rede. Daran wurden Zweifel angemeldet. Eis könnte bei dem Unglück aber tatsächlic­h eine Rolle gespielt haben. Ein Sprecher der BFU sagte im März der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Landeklapp­en können vereisen, Flugzeuge können aber auch mit vereisten Landeklapp­en landen.“Hinweise auf einen technische­n Defekt oder eine Erkrankung der Besatzung gab es nicht. Auch die Obduktion der Piloten ergab keine Hinweise auf Beeinfluss­ung durch Medikament­e, Drogen oder Alkohol.

Einen ehemaligen Lufthansa-Piloten machte allerdings eine Passage aus dem Bericht der Experten stutzig. Darin heißt es: „Wrackteile lagen in einem Bereich von ca. 130 Meter mal 50 Meter. Auffällig war, dass viele Wrackteile seitenverk­ehrt lagen, d.h. Teile der rechten Flugzeugse­ite lagen links der Unfallspur und umgekehrt.“Der Pilot: „Das deutet vor dem Aufprall auf eine Drehung um die Längsachse hin. Da kann man viel spekuliere­n, was die Ursache dafür war. Ungewöhnli­ch ist es auf jeden Fall.“Jetzt wartet die Region auf den Abschlussb­ericht und hofft auf Klarheit.

Rückblende 2017: Es ist ein kalter Donnerstag­abend, als die Cessna den Bodensee-Airport anfliegt. Dicke Schneefloc­ken rieseln auf Oberschwab­en und machen die Schneedeck­e immer dicker. In den höheren Lagen rund um Waldburg klebt der Schnee. Einige Hunderte Meter in der Luft spielt sich ein Szenario ab, von dem heute niemand weiß, wie es sich abgespielt hat. Eine Cessna verliert plötzlich rasant an Höhe. In der Maschine hat der Pilot Funkverkeh­r mit dem Flughafen Zürich. Um genau 18:13,41 Uhr reißt der Kontakt zum Boden ab. Um 18.14 Uhr macht es im Wald bei Sieberatsr­eute einen lauten Knall. Das Flugzeug mit den drei Männern an Bord zerschellt. Eine Stichflamm­e erhellt die dunkle Nacht. Der Geruch von ausgelaufe­nem Kerosin zieht bis ins Dorf.

Die Polizei vor Ort sperrt den Bereich rund um den Wald weiträumig ab – wegen Explosions­gefahr, wie es heißt. Die Sicherung des Unfallorts läuft schnell an. Rund 120 Rettungskr­äfte sind bis aus dem Schussenta­l nach Sieberatsr­eute zu dem Großeinsat­z gekommen. Die Feuerwehr ist mit schwerem Gerät im Einsatz. Doch die Fahrt für die Autos und auch der großen Einsatzfah­rzeuge gestaltet sich wegen des dichten Schneefall­s nicht einfach. Die Straßen sind vereist, der Schnee beginnt sich auch auf der Straße zu türmen.

Informatio­nen gab es erst Stunden nach dem Unglück

Die Presse muss Stunden ausharren, um Informatio­nen zu bekommen. Als Erstes berichtet die „Schwäbisch­e Zeitung“online. Schnell springen die anderen Medien auf. Regionale und überregion­ale Medien kommen an die Unfallstel­le, um erste Eindrücke zu schildern und auf Informatio­nen zu warten. Der Absturz schafft es bis in die überregion­ale Medien. Deutsche Nachrichte­nsender zeigen Bilder vom Unglück, in den Radiosende­rn wird berichtet. Die Aufräumarb­eiten dauern bis spät in die Nacht hinein.

Am anderen Morgen zeigt sich das ganze Ausmaß der Zerstörung: Über 200 Meter hinweg zieht sich eine Schneise der Verwüstung. Viele Bäume sind abgeknickt oder umgestürzt. Kabel und Metallteil­e hängen vereinzelt von den Ästen herab. Ein Triebwerk liegt etwas abgelegen im Wald. Ein schneebede­ckter Sitz steht surreal inmitten der Schneise. Ein Team der BFU ist vor Ort und stellt erste Untersuchu­ngen an. Die Flugzeugre­ste kommen nach Braunschwe­ig zur BFU, die bis dato mit der Untersuchu­ng beschäftig­t ist. Am Samstag danach beginnt die Bergung.

Bis heute befindet sich das Kerosin, das sich flächendec­kend über den Wald verteilt hat, in der Gegend. Nach Berechnung­en des Flughafens Friedrichs­hafen haben sich noch maximal 300 Liter Kraftstoff in der verunglück­ten Cessna befunden. Hätte man das ausgelaufe­ne Kerosin abtragen wollen, wäre nur eine Abholzung der gesamten Fläche infrage gekommen. Im Vergleich dazu ist der Umweltscha­den durch das Kerosin geringer, teilte das Landratsam­t Ravensburg auf Nachfrage damals mit.

Die ganze Geschichte gibt es auch als Multimedia-Reportage mit Videos, Fotos und Texten auf www.schwäbisch­e.de/ absturz-waldburg

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Einsatz im Wald: Die Cessna stürzte in ein Waldstück bei Sieberatsr­eute.
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PRIVAT FOTO: Der „Thermenkön­ig“Josef Wund.

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