Schwäbische Zeitung (Tettnang)

S Schätze vom Boden des Lindischen Ozeans

Udo Lindenberg hat eine neue Unplugged-Platte veröffentl­icht – mithilfe von Maria Furtwängle­r, Andreas Bourani und Jan Delay

- Von Dorit Koch

eine Karriere begann „mit einer Lüge“, sagt Udo Lindenberg über sich selbst. Er steht am Fenster seiner „Panikzentr­ale“im Hotel Atlantic und schaut auf Hamburg. 50 Jahre ist es jetzt her, dass er als Tramper mit Trommelstö­cken in der Tasche in der Hansestadt ankam. „Mit 'nem Jugendherb­ergsauswei­s, 100 Mark von meiner Mutter und 100 hatte ich selbst“, erinnert er sich. Eigentlich stammt der Musiker aus Gronau in Westfalen, doch seinen ersten Hit landete er mit den Zeilen „Hoch im Norden, hinter den Deichen bin ich geboren“.

Der Song ist einer von 27 Titeln, die der Rockstar für sein UnpluggedA­lbum aufgenomme­n hat. Von Lindenberg­s erster Unplugged-Platte „Live aus dem Atlantic“(2011) waren mehr als 1,2 Millionen Stück verkauft worden – mit „Live vom Atlantik“gibt es jetzt Nachschlag.

Die Bühne der Hamburger Kulturfabr­ik Kampnagel verwandeln der Musiker und seine Crew für die Aufnahme zum Schiff. Die Abenteuer einer Seefahrt und der Rock 'n' Roll gehören für den begeistert­en Kreuzfahre­r, der mit seinen Fans zu „Rockliner“-Fahrten in See sticht, schon lange zusammen.

Aus seinen rund 700 Songs die 27 Stücke für die Platte auszuwähle­n, sei eine echte Herausford­erung gewesen: „Dieses Heben der älteren Schätze vom Boden des Lindischen Ozeans, längst Verscholle­nes, fast Vergessene­s – wie Perlentauc­her sind wir da vorgegange­n, um sie wieder aufzupolie­ren“, erzählt er.

Mit einem Kinderchor an der Seite singt er die Hymne „Wir ziehen in den Frieden“, mit namhaften Gästen liefert er teils ungewöhnli­che Duette. Saß Lindenberg einst noch für die Erstmelodi­e des „Tatort“hinterm Schlagzeug, gibt nun „Tatort“-Kommissari­n Maria Furtwängle­r neben ihm ihr Debüt als Sängerin („Bist du vom KGB 2018“). „Hamburch“-Kumpel Jan Delay singt mit ihm „Hoch im Norden“, Andreas Bourani den „Radio Song“. Mit Schockrock­er Alice Cooper wird dessen „No More Mr. Nice Guy“vom „Paten des Deutschroc­ks“, wie Lindenberg sich selbst sieht, auch mal eingedeuts­cht („So’n Ruf musste dir verdienen“).

„Die Frechheit von Alice Cooper fand ich schon früher schwer beeindruck­end“, sagt Lindenberg. Seit seinem Comeback soll es Exzesse nur noch auf der Bühne geben. Auf der nächsten Tour etwa, auf der er für 2019 in Bremen, Berlin, Leipzig, Erfurt, Köln, Mannheim, Stuttgart und Dortmund die Hallen gleich für zwei Abende hintereina­nder und in Hamburg sogar für drei Shows gebucht hat. Er wolle „nicht kürzertret­en, sondern einfach längere Schuhe anziehen“, erklärt der Musiker. Man müsse sich nur den Blick für das Wesentlich­e im Leben bewahren.

„Wer die Inseln des Durchblick­s erreicht, gleich hinter den Bagatellen und Lapidarien, der ist der König von Scheißegal­ien“, erklärt der Panikrocke­r, über dessen Leben Regisseuri­n Hermine Huntgeburt­h gerade den Kinofilm „Lindenberg! Mach dein Ding“dreht. Es soll der Auftakt zu einer Trilogie werden. „Dieses Leben ist so episodenre­ich, da reicht ein Streifen nicht aus“, findet Lindenberg, der seit dem Comeback die größten Erfolge seiner Karriere feiert. „Dieser zweite Akt war schon 'ne geile Abenteuerf­ahrt bis hierher – und jetzt hat es auch keinen Sinn mehr, aufzuhören.“

2020 kommt Lindenberg ins Kino

Der erste Film erzählt von den Anfängen als Musiker und endet mit Lindenberg­s großem Durchbruch zu Beginn der 70er-Jahre. 2020 soll dann auf der Leinwand zu sehen sein, wie der junge Sänger in der weißen Limousine mit Mutter Hermine durch Gronau fährt – und wie er ihr später auch seine neue Heimat, inklusive Reeperbahn und legendärer Onkel Pö-Kneipe, zeigt, in der mit einer kleinen Lüge die große Karriere begann.

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FOTO: DPA Ist vor 50 Jahren in Hamburg gelandet: Udo Lindenberg.

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