Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ermittlungen bei der Polizei
Verdacht auf rechtsradikales Netzwerk in Frankfurt
FRANKFURT (epd) - Das hessische Landeskriminalamt (LKA) geht dem Verdacht auf ein rechtsradikales Netzwerk bei der Frankfurter Polizei nach. Es sei eine Arbeitsgruppe gegründet worden, der sowohl Polizisten als auch Juristen angehören, sagte LKA-Sprecher Christoph Schulte am Montag. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) verlangte eine rasche Aufklärung des Falles. „Rechtsextremes Gedankengut hat keinen Platz in der Polizei“, sagte sie.
Vor einer Woche war bekanntgeworden, dass gegen vier Polizisten und eine Polizistin des 1. Frankfurter Polizeireviers wegen Volksverhetzung und Verwendung von verfassungsfeindlichen Symbolen ermittelt wird. Sie sollen laut Frankfurter Staatsanwaltschaft über einen Messenger-Dienst fremdenfeindliche und rechtsextreme Bilder, Videos und Texte ausgetauscht haben. Die Tatverdächtigen seien vom Dienst suspendiert worden.
BERLIN - Die Beschimpfungen seien deutlich gewesen: Als „miese Türkensau“sei Seda Basay-Yildiz bezeichnet worden. „Du machst Deutschland nicht fertig. Verpiss dich lieber“, sei in dem Drohbrief gestanden, den die Anwältin aus Frankfurt/Main am 2. August auf ihrem Fax vorgefunden habe. Der anonyme Absender habe sich den Namen Uwe Böhnhardt gegeben. So wie einer der Terroristen des NSU-Trios, das vor einem Jahrzehnt neun Ausländer in Deutschland getötet hatte.
Weil sie den abgeschobenen Islamisten Sami A. verteidigt hatte, habe der Schreiber gedroht: „Als Vergeltung … schlachten wir deine Tochter“, versehen mit deren Namen und der Wohnadresse der Anwältin. Unterschrieben sei das anonyme Fax mit „NSU 2.0“gewesen, ein eindeutiger Bezug zur rechtsterroristischen Zelle „Nationalsozialistischer Untergrund“. Basay-Yildiz hatte im NSU-Prozess ein Opfer des Trios vertreten. Die Rechtsanwältin erstattete Anzeige
Da ihre Adresse nicht öffentlich bekannt war, erweckte im Nachhinein eine unvermittelte Abfrage von Basay-Yildiz’ persönlichen Daten in der Frankfurter Polizeibehörde den Argwohn des Staatsschutzes. Sie war an einem Rechner im 1. Polizeirevier durchgeführt worden.
Mittlerweile gibt es Ermittlungen gegen fünf Polizisten, die sich über WhatsApp im Neonazi-Vokabular ausgetauscht haben sollen. Ob sie auch das anonyme Fax abgeschickt haben oder ob sie die privaten Daten von Basay-Yildiz weitergegeben haben, ist unklar. Medienberichte, wonach das Netzwerk offenbar durch das Drohschreiben gegen Basay-Yildiz aufflog, wollten weder Nadja Niesen, Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft, noch Christoph Schulte, Sprecher des hessischen Landeskriminalamts, auf Nachfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) bestätigen.
„Ein hessischer Fall“
Der Polizeipräsident von Frankfurt, Gerhard Bereswil, erklärte, den Kollegen stehe die Entlassung bevor, wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten. Noch ist nach Angaben der Ermittler allerdings nicht klar, wie groß das rechtsextreme Netzwerk war. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung und der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole gegen die fünf.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sieht bisher keinen Anlass, auf Bundesebene gegen die Auswüchse vorzugehen. „Das ist ein hessischer Fall“, sagte seine Sprecherin Eleonore Petermann am Montag. Die linke Innenpolitikerin Ulla Jelpke forderte ausdrücklich weitere Ermittlungen. „Ich gehe davon aus, dass der rechte Sumpf in den Polizeibehörden viel breiter und tiefer ist, als bislang bekannt.“Auch Konstantin von Notz (Grüne) forderte eine rückhaltlose Aufklärung der Fälle. „Es dürfen auch hinsichtlich möglicher anderweitiger Vernetzung der beschuldigten Polizisten keine offenen Fragen bleiben“, erklärte er. Der Rechtsstaat sei durch den Rechtsextremismus massiv bedroht. Der innenpolitische Sprecher der FDP, Konstantin Kuhle, forderte, „zu untersuchen, ob bei rechtsextremen Tendenzen genügend Möglichkeiten bestehen, sich vertrauensvoll mit Informationen an eine geeignete Person zu wenden“. In den vergangenen Monaten hatten immer wieder rechtsextreme Auswüchse in den Sicherheitsbehörden, etwa einer Schattenarmee in der Bundeswehr, Schlagzeilen gemacht. Für Aufsehen sorgte auch die Selbstbezeichnung zweier Beamter des sächsischen Sondereinsatzkommandos bei der Bewachung eines Staatsbesuchs im September. Auch sie nannten sich Uwe Böhnhardt.