Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Gloria Karawira ist ein Kind von Emerald Hill
Die heute 27-Jährige kam mit sechs Jahren als Halbwaise ins Kinderheim und unterstützt es heute selbst
TETTNANG/HARARE - Der Vater von Gloria Karawira ist gestorben, da war sie gerade sechs Jahre alt. Die Mutter konnte ihre drei Kinder nicht ernähren, ohne Ausbildung, ohne Arbeit. Wer weiß, was aus dem Mädchen geworden wäre, wenn es das Kinderheim Emerald Hill in der Nähe der simbabwischen Hauptstadt Harare nicht gegeben hätte? Jenen Ort, den Tettnanger seit langem über die Sternsinger mit Spenden unterstützen. Mit denen ermöglichen sie Wege wie den der heute 27-Jährigen.
„Emerald Hill gibt Kindern die Möglichkeit, intellektuell, emotional, spirituell, körperlich und sozial zu wachsen“, sagt Gloria Karawira heute im Rückblick. Verließen diese später das Heim, seien sie dank der vermittelten Fähigkeiten in der Lage, ihr Leben selbst zu bewältigen. Normalerweise würden die Menschen Heimkinder bedauern, erklärt sie. „Doch ich habe mich gesegnet gefühlt, ein Teil der Emerald-Hill-Familie sein zu können.“
Diesem Ort verdankt sie, dass sie überhaupt eine Chance hatte. Mittlerweile arbeitet die 27-Jährige im 300 Kilometer südlich von Harare gelegenen Masvingo für ein pharmazeutisches Unternehmen und ist dort unter anderem für die Marktforschung verantwortlich. An der University of Zimbabwe machte sie zuvor nach dem Bachelor- auch noch den Masterabschluss in Wirtschaftsgeschichte. Ein Weg, der ohne Emerald Hill sicher anders vorgezeichnet gewesen wäre.
Dem Zuhause etwas zurückgeben
Das ist Gloria Karawira sehr wohl bewusst. Ihr letztes Gehalt hat sie, wie sie sich äußert, „mit ihren Brüdern und Schwestern von Emerald Hill“geteilt. Sie werde ihr Bestes tun, dies auch weiter so zu machen. „Ich hoffe, dass ich meinem Zuhause etwas zurückgeben kann, welches meinem Leben eine Bedeutung gegeben hat.“Sie verweist auf einen Ausspruch von John D. Rockefeller Jr., dass Wohltätigkeit schädlich sei, wenn sie dem Empfänger nicht helfe, davon unabhängig zu werden. „In diesem Sinne hat Emerald Hill mir Fisch gegeben, aber mich auch gelehrt, wie man selbst angelt“, erklärt sie.
Sie sei als junges Mädchen dort hingekommen und habe das Heim, das ihr Zuhause wurde, „als Erwachsene“ verlassen. Hier hätten auch die Ordensschwestern einen großen Anteil gehabt. So auch Schwester Gabriele, die die Einrichtung leitet: Diese habe ihr immer gesagt, dass sie das schaffen könne, was sie wirklich wolle. „Das ist die Philosophie, die mich immer vorangebracht hat, denn ich möchte meine Träume erreichen.“ Schwester Gabriele habe sie auch immer ermutigt, sich selbst nicht als die „arme Waise“zu betrachten, sondern vielmehr als ein Kind, das ebenso begabt und talentiert sei wie jedes andere, das aus einem ganz normalen Zuhause stamme.
Mutmachende Worte in einem Land, in dem ein guter Teil der Bevölkerung ohne Arbeit ist. Die Statistiken hierzu variieren allerdings sehr stark: So weist das renommierte CIA World Factbook – eine umfangreiche Sammlung von Länderstatistiken eine jeweils geschätzte Arbeitslosenquote von 80 Prozent für 2005 und von 11,3 Prozent für 2014 aus. Diese Schwankungen hängen auch damit zusammen, dass die die zugrundeliegenden Daten sehr ungenau und aus diesem Grund wenig aussagekräftig sind. In der Tat wird die Statistik auch noch dadurch verfälscht, dass etliche Menschen in Simbabwe nicht in normalen Arbeitsverhältnissen tätig sind, sondern im informellen Sektor. Das umfasst ein weites Feld von Gelegenheitsjobs über die unbezahlte Arbeit für Familienangehörige bis hin zum Betrieb von Kleinstunternehmen.
Auch wirkt sich die aktuelle politische Entwicklung aus: Das hatte Schwestern Gabriele bereits Anfang Dezember in einer E-Mail nach Tettnang geäußert. Darin war von Problemen im Wirtschaftssystem die Rede, von langen Warteschlangen für Grundnahrungsmittel oder Benzin. Und das, nachdem es ursprünglich die Hoffnung gegeben habe, dass mit der Wahl von Präsident Emmerson Mnangagwa im letzten Jahr ein „neues“, ein anderes Simbabwe verbunden sein könne.
Gloria Karawira glaubt daran, dass viel auch davon abhängt, wie jeder sein eigenes Leben gestaltet: „Es liegt an den Kindern selbst, die Möglichkeiten zu nutzen, die Ihnen durch ihr Zuhause gegeben werden.“Das sagt sie ganz allgemein, unabhängig davon, ob es das Elternhaus ist oder eine Einrichtung wie Emerald Hill, in der Kinder eine Chance bekommen, die sie sonst nicht hätten.
Ein Ausdruck tiefen Glaubens
Wichtig für sie ist dabei auch ihr Glaube. „Alles was ich heute bin, bin ich nur durch Gottes Gnade“, sagt die 27-Jährige. Schon als Kind sei sie sehr gläubig gewesen, ihre Familie sei an jedem Sonntag mit den Kindern in die Kirche gegangen. Als sie nach dem Tod des Vaters nach Emerald Hill kam, sagt Gloria Karawira, sei Glaube weiter ein wichtiger Teil ihres Lebens gewesen, zumal das Heim von Dominikanerinnen geleitet würde. „Ich habe Gott durch sie in meinem Leben wirken sehen“, sagt sie.
Das ist für sie kein Lippenbekenntnis oder eine schöne Floskel. Als ihr Vater gestorben sei, berichtet sie, habe sie gedacht, dass ihr Leben zu Ende sei. Und doch sei sie nach Emerald Hill gekommen. Und obwohl die Wirtschaft in ihrem Land derzeit unter Druck sei, könne sie mit ihren Fähigkeiten ein normales Leben führen. Sie habe immer auf Gott vertrauen können.