Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Schwieriger VfB-Spagat
Gentner meistert sein emotionales Spiel mit Bravour – Stuttgart bleibt dennoch blass
WOLFSBURG (dpa/SID) - Der Spagat fiel allen Beteiligten sichtlich schwer. Auf der einen Seite waren Mitspieler, Trainer und sogar der Gegner bemüht, Christian Gentner aufrichtig Respekt für seinen Umgang mit der Trauer zu erweisen. Andererseits würde der VfB Stuttgart das Thema vom Tod des Vaters seines Kapitäns in der sportlichen Krise am liebsten schnell von der öffentlichen Agenda streichen. Besonders deutlich brachte dies VfB-Innenverteidiger Timo Baumgartl auf den Punkt: „Christian war komplett fokussiert auf das Spiel. Wir wollten eine gute Leistung für ihn bringen, das hat aber nicht geklappt“, sagte der 22-Jährige nach dem 0:2 (0:2) beim VfL Wolfsburg und schob nach: „Am besten ist, wir lassen das Thema jetzt endlich mal ruhen. Auch aus Respekt vor der Familie. In unseren Köpfen war das nicht drin.“
Nun, irgendetwas muss in den Stuttgarter Köpfen aber gewesen sein. Anders lassen sich die schweren individuellen Fehler von Antonis Aidonis und Santiago Ascacibar vor den Gegentoren von Josuha Guilavogui (24. Minute) und Wout Weghorst (44.) nicht erklären. Noch am Samstag hatten die nun wieder auf den drittletzten Platz zurückgefallenen Schwaben mit dem 2:1 gegen Hertha BSC Mut im Kampf gegen den Abstieg geschöpft. Kurz nach dem Spiel starb Gentners Vater im Stadion – trotzdem lief der 33-Jährige drei Tage später bei seinem Ex-Club in Wolfsburg auf, mit dem er 2009 Meister geworden war. Dafür erhielt der erstaunlicherweise stärkste Stuttgarter viel Respekt – von allen Seiten.
„Natürlich haben wir ein Gefühl für Gentner. Mein Respekt vor ihm, dass er gespielt hat“, sagte Wolfsburgs Kapitän Guilavogui. „Viel Kraft in der schweren Zeit, Gente“, stand zudem auf einem Plakat in der Wolfsburger Fankurve.
Gentner selbst sprach verständlicherweise nicht über seine private Trauer, dafür andere. „Eine große Tragödie“, nannte VfB-Keeper RonRobert Zieler den Schicksalsschlag für seinen Kollegen kurz vor dem Weihnachtsfest. Dass sich Gentner dennoch in den Dienst des Teams gestellt habe, sei „eine tolle Geste“gewesen. Gentner habe zudem vor dem Spiel noch einige emotionale Worte an die Mannschaft gerichtet. Was der Mittelfeldspieler sagte, wollte Zieler aber nicht verraten. „Man muss nicht immer alles nach außen tragen“, sagte der Keeper, betonte aber auffallend wie die meisten Stuttgarter, die mit Trauerflor aufgelaufen waren, dass dies keinen Einfluss auf die verdiente Niederlage gehabt habe: „Die Mannschaft konnte sich trotzdem konzentriert vorbereiten.“
Angesichts der schweren Patzer auf dem Platz mag man daran Zweifel bekommen. VfB-Coach Markus Weinzierl jedenfalls schimpfte heftig. „Wir pennen und setzen einfach nicht das um, was wir besprochen haben“, befand der 43-Jährige – und: „Nur der Wille reicht nicht.“Sechs von neun Spielen unter Weinzierl seit dessen Amtsantritt Mitte Oktober verlor der VfB mehr oder minder deutlich.
Nach dem abschließenden Hinrundenspiel am Samstag gegen Schalke (15.30/Sky) haben die Schwaben entsprechend viel Arbeit vor sich. Auch deshalb mahnten vor allem die Spieler, dass Gentners persönlicher Schicksalsschlag nun vor allem eines bleiben sollte: privat.