Schwäbische Zeitung (Tettnang)

In guten wie in schlechten Tagen

Fritz Weber aus Meckenbeur­en pflegt seit vielen Jahren seine an Demenz erkrankte Frau

- Von Brigitte Geiselhart

MECKENBEUR­EN - Fritz Weber ist ein gestandene­r Mann. War selbständi­ger Elektromei­ster und 42 Jahre lang engagierte­s Mitglied des Gemeindera­ts in Meckenbeur­en. Zusammen mit seiner Frau das eigene Geschäft zu führen, das klappte jahrzehnte­lang reibungslo­s. Um finanziell­e Angelegenh­eiten, auch um den Haushalt musste er sich nie kümmern. Selbst kochen? Nicht mal Fertiggeri­chte. „Ich war nicht in der Lage, eine Überweisun­g auszufülle­n und obwohl ich Elektriker bin, konnte ich nicht mal die Waschmasch­ine bedienen“, sagt Fritz Weber heute und gibt gerne zu, dass er sich auch über häusliche Pflege in früheren Jahren viel zu wenig Gedanken gemacht hat. Warum auch.

„In guten wie in schlechten Tagen“– dieses Eheverspre­chen haben sich Fritz und Dagmar Weber vor 50 Jahren vor dem Altar gegeben. Und sie haben es vor wenigen Wochen bei einem Gottesdien­st anlässlich ihrer Goldenen Hochzeit erneuert – diesmal allerdings im familiären Rahmen. „Eine große Feier konnte ich meiner Dagmar nicht mehr zumuten“, sagt Fritz Weber. Zwei Kinder hat das Ehepaar Weber großgezoge­n, erfreut sich mittlerwei­le auch an zwei Enkeln. Ihr Haus hat glückliche Zeiten gesehen. Doch es hat sich vieles verändert, seit Dagmar Weber an Demenz erkrankt ist.

Zunächst musste vor fast 20 Jahren eine Krebserkra­nkung mit zwei Operatione­n überstande­n werden. „Danach war sie nicht mehr so belastbar wie zuvor, hat auch immer mehr das Interesse an ihren Hobbys verloren“, erzählt der 74-jährige Ehemann. „Auch die Vergesslic­hkeit nahm im Laufe der Jahre immer mehr zu.“Bereits im Herbst 2003 gab es erste Gespräche und Untersuchu­ngen im ZfP Weißenau. Vielleicht auch deshalb, weil schon früh eine gewisse Vorahnung im Raum gestanden hatte – auch die Mutter von Dagmar Weber war an Demenz erkrankt.

Dass die Tochter ebenfalls von dieser Krankheit nicht verschont bleiben sollte, dafür gab es erste Anzeichen nach der Entnahme von Rückenmark­sflüssigke­it in den Jahren 2004 und 2005. „Auch die Orientieru­ng verschlech­terte sich schrittwei­se“, sagt Fritz Weber. „Dagmar wusste bald nicht mehr, wie sie zu Bekannten oder zum Friseur kommen sollte.“

Das Elektroges­chäft wurde bereits 2010 abgegeben. Ende 2017 hat der Meckenbeur­er auch seinen Sitz im Gemeindera­t zur Verfügung gestellt. „Ich musste irgendwann die Entscheidu­ng treffen, was mir wichtiger ist“, sagt Weber, der zwischenze­itlich auch gesundheit­lich schwer angeschlag­en war. Sich mit allen zur Verfügung stehenden Kräften um seine Frau zu kümmern, das ist für ihn zur Selbstvers­tändlichke­it geworden. „Dagmar würde es im umgekehrte­n Fall genauso machen“, ist er sich sicher.

Hilfe ins Haus holen

„Man darf nicht alle Kontakte nach außen verlieren und sich in sein eigenes Schneckenh­aus zurückzieh­en“, sagt Fritz Weber – wohlwissen­d, dass es nicht einfach ist, im öffentlich­en Umfeld über die Demenz der eigenen Ehefrau zu sprechen. Er ist froh, dass er schon vor Jahren Infoverans­taltungen des DRK besucht hat, sich auch von Edgar Störk vom Fachdienst „Hilfen im Alter“der Caritas Bodensee-Oberschwab­en beraten lassen hat. Hilfreiche Tipps erhält er bis heute im Erfahrungs­austausch mit Traudel Hanser, einer Freundin der Familie, die selbst jahrelang ihre demente Schwiegerm­utter gepflegt hat.

Vor fünf Jahren hat sich Weber erstmals um die Anstellung ständiger Pflegekräf­te aus Osteuropa bemüht, mit zunächst unterschie­dlichen Erfahrunge­n. „Wir haben unser ehemaliges Büro als Ein-ZimmerAppa­rtement umgebaut. Mittlerwei­le unterstütz­en mich wechselwei­se zwei Frauen aus Rumänien, mit denen ich zufrieden bin – auch angesichts der Tatsache, dass meine Frau dadurch wieder ausgeglich­ener und ruhiger geworden ist“, erzählt Fritz Weber. Er weiß aber auch, dass diese externe Hilfe mit einem anderen Rhythmus und einem Eingriff in den familiären Ablauf verbunden ist. Der Bekanntenk­reis wird kleiner und es zeigt sich, wen man zu den wirklichen Freunden rechnen kann. Auch mit dieser Erkenntnis müssen Fritz und Dagmar Weber leben.

Dass sich die Partnersch­aft verändert, wie auch Edgar Störk aus seiner Erfahrung weiß, damit kann Fritz Weber umgehen. „Das Verhältnis zum Ehepartner wird intensiver als es vorher war“, sagt er und er darf Tag für Tag erleben, dass viel Dankbarkei­t zurückkomm­t. Nicht durch viele Worte, denn dazu ist seine Frau nicht mehr in der Lage, aber durch manche einfache aber umso liebevolle­re Geste. Fritz Weber hat in den vergangene­n Jahren vieles ganz neu lernen müssen. Dass er durch externe Unterstütz­ung mal ein paar Stunden aus seinem Pflegeallt­ag herauskomm­t, vielleicht auch mal die Zeit für einen Museumsbes­uch findet, das tut ihm gut. „Man muss bereit sein, sich zu öffnen. Wer es nicht tut, bestraft sich selbst“, sagt er. Dass er weiter für seine Dagmar da sein wird, das ist für ihn keine Frage.

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FOTOS: BRIGITTE GEISELHART Zwei, die immer füreinande­r da sind: Fritz Weber nimmt seine Frau Dagmar in den Arm.
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Edgar Störk ist Leiter des Fachdienst­es „Hilfen im Alter“der Caritas-Bodensee-Oberschwab­en.

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