Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Gebrauchsanweisung für den Gottesdienst
Mit dem Zeitgeist – so wird es ihr seit Jahrtausenden vorgeworfen – habe sie es nicht so, die katholische Kirche. Für viele Gläubige wie Nichtgläubige verkörpert sie das Gegenteil des Begriffs Moderne, was viele gut und richtig finden. Denn am Markenkern der christlichen Lehre ist auch im 21. Jahrhundert nach Christi Geburt nicht zu rütteln, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass auch zutiefst weltliche Naturen Weihnachten und Ostern durchaus feiern – und dann sogar in die Kirche gehen.
Klar – das Amen in derselben erahnen noch die meisten. Nun ist es aber so, dass ein Gottesdienst einer ganz bestimmten Dramaturgie folgt, gerade auch an hohen Feiertagen, mit der die Kirchgängerlaien naturgemäß überfordert sind. Das beginnt schon bei der korrekten Sitz-, Steh- oder Kniehaltung. Früher gab es wenigstens noch sogenannte Knackfrösche, mit denen ein Gottesdienstroutinier unauffällig knacken konnte: Einmal knacken hieß aufstehen, zweimal knacken hinknien – und wieder einmal, zurück in Sitzposition.
Das Bistum Essen geht seit einiger Zeit einen äußerst modernen Weg, um Eucharistieanfänger auf den bisweilen komplizierten Gottesdienst vorzubereiten: mittels Videoanleitung nämlich. Dabei beweist die Diözese jede Menge gottesfürchtiger Ironie. Denn die Instruktion wird von einer Stewardess ganz im Duktus der Sicherheitseinweisung in einem Flugzeug vorgenommen. Am Ende ist der Rat, den das Video vermittelt, fast so alt wie die Kirche selbst: Man solle sich am Tun erfahrener Gottesdienstbesucher orientieren. Amen. (nyf)