Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Optimisten auf dem Rückzug
Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft geht der Aufschwung 2019 weiter, verliert aber an Kraft
BERLIN - Zölle und Handelskriege, Dieselkrise und Brexit – mit jeder Menge Sorgen und Belastungen geht die deutsche Wirtschaft in das nächste Jahr. Gemessen daran sind die Perspektiven noch erstaunlich gut. In einer Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) gaben 27 von 48 Verbänden an, in ihren Branchen mit einer höheren Geschäftstätigkeit in 2019 zu rechnen. Elf stellen sich auf ein Minus ein. Im Vergleich zu dem sehr optimistischen Ausblick von vor zwölf Monaten ist die Zuversicht aber zurückgegangen.
Eintrübung ja, aber kein Ende des Aufschwungs und allen negativen Nachrichten zum Trotz schon gar keine Rezession: Dieses halb freundliche, halb trübe Konjunkturbild ergibt sich, wenn man die Selbsteinschätzung der wichtigen Wirtschaftszweige zugrunde legt. Sieben der 48 befragten Verbände sprechen von einer besseren Wirtschaftslage im Vergleich zum Vorjahr. Im Dezember 2017 hatten noch 26 Prozent der Branchenorganisationen den Daumen gehoben. Dagegen bewerten aktuell 21 die gegenwärtige Situation als schlechter – vergangenes Jahr waren es zwei gewesen.
Schwächelnde Industrie: Gerade der traditionelle Motor der deutschen Wirtschaft verliert an Tempo. Zum einen bremst die weniger stark wachsende Weltkonjunktur den Export von Fahrzeugen, Maschinen und Chemieprodukten. Zum anderen wirken bei den Autoherstellern die Produktionsausfälle des Sommers nach, die durch die mangelnde Vorbereitung auf ein neues Abgas-Prüfverfahren zustande kamen. Dies hatte Folgen auch für die Metall- und Chemieindustrie. Skepsis ebenfalls beim Bauernverband, der auf die Dürre im zurückliegenden Sommer verweist.
Zwar sind die Optimisten noch in der Mehrheit. Aber sie werden weniger. Und vor allem fällt bei den meisten der Blick in die Zukunft nur noch verhalten positiv aus. Mit der Bauindustrie und dem Handwerk gehen nur zwei Wirtschaftszweige von einer wesentlich höheren Geschäftstätigkeit aus. Die anderen 25 optimistischen Verbände wie der Maschinenbau, die Automobil- und Elektroindustrie oder die Pharmaindustrie sehen nur leichte Zuwächse. Unter den Pessimisten befindet sich mit der Chemie eine besonders große Branche. Zu dem Problem der Autokonzerne als wichtigem Abnehmer kommen die Beeinträchtigungen durch das Niedrigwasser auf dem Rhein hinzu.
Auch beim Arbeitsmarkt gilt: Der Aufschwung geht weiter, verliert aber an Kraft. 18 von 48 Verbänden wollen mehr Leute einstellen, acht planen mit einem Personalabbau. Dies betrifft etwa die Finanz- und Versicherungswirtschaft sowie die Leder- und Druckindustrie. Dennoch spricht alles dafür, dass die Beschäftigung 2019 erneut einen Rekordwert erreichen wird.
Bundesbank korrigiert Prognose
Stimmungswechsel im zu Ende gehenden Jahr: Lange hatten die Experten die Konjunkturerwartungen für Deutschland immer weiter nach oben geschraubt. Dann die Trendwende im Sommer, als der Handelskonflikt mit den USA, die hausgemachten Schwierigkeiten der Autokonzerne und äußere Belastungen wie Brexit und die Schuldenpolitik Italiens dem Aufschwung den Schwung nahmen. Entsprechend korrigierte beispielsweise die Bundesbank ihre Konjunkturprognose für 2019 von 1,9 Prozent auf 1,6 Prozent herunter. Diesem Trend folgen fast alle Fachleute. Auch das ifo-Institut und viele andere blicken pessimistischer in die nähere Zukunft. Die Münchner rechnen für das kommende Jahr inzwischen mit einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um nur noch 1,5 Prozent statt 1,9 Prozent.