Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Im Ruhestand zum Doktortite­l

Lilo Rademacher, ehemalige IG-Metall-Chefin in Friedrichs­hafen, hat ein hohes Ziel

- Von Kirsten Lichtinger

FRIEDRICHS­HAFEN - Wer in Rente geht, steckt sich meist neue Ziele: Mehr Reisen, ein besonderes Hobby oder Zeit für sich und die Enkelkinde­r. Neue Ziele hat auch Lilo Rademacher, die bis 2012 Erste Bevollmäch­tigte der IG Metall in Friedrichs­hafen war und 2014 in den Ruhestand gegangen ist. 2015 hat sie die Arbeit an ihrer Doktorarbe­it aufgenomme­n: „Es war schon immer ein Traum von mir, zu promoviere­n.“

Das Thema ist nicht weit weg von ihrer berufliche­n Tätigkeit. „Es geht um den ERA-Tarifvertr­ag, unter geschlecht­erspezifis­chen Gesichtspu­nkten betrachtet“, erklärt Rademacher. Die Frage: Werden Frauen im ERA-Geltungsbe­reich, also in metallvera­rbeitenden Betrieben, genau so bezahlt und befördert wie Männer?

Dazu gebe es bisher so gut wie keine Informatio­nen oder Quellen. Aus ihrer Zeit als ehemalige Chefin der IG Metall verfügt sie noch über gute Kontakte. Einige Unternehme­n in der Region haben sich bereiterkl­ärt, sie zu unterstütz­en. Dafür sind Gespräche mit Verantwort­lichen in der Personalab­teilung und den Betriebsrä­ten erforderli­ch, für die sie zwei Fragebögen entwickelt hat. Schließlic­h sind für die Promotion belastbare Daten erforderli­ch.

Seminare in Darmstadt

Ab und zu trifft sich Rademacher mit anderen Doktorande­n aus Weingarten zu einer Lesegruppe. Unterstütz­ung bekommt sie für ihre Arbeit von Professor Ulrich Brinkmann von der Technische­n Universitä­t Darmstadt. Der Soziologe betreut sie als Doktorvate­r. Dafür fährt sie etwa vier- fünfmal im Jahr nach Darmstadt, wo am Wochenende Seminare für Promoviere­nde stattfinde­n. Die größte Herausford­erung? „Ich muss mich selbst völlig zurücknehm­en, das ist mir besonders am Anfang sehr schwer gefallen“, gibt Rademacher zu. Überhaupt sei sie zu Beginn sehr ehrgeizig gewesen, aber zwischenze­itlich habe sie eine gute Balance gefunden.

Bis ihre Promotions­arbeit fertig ist, rechnet sie noch mit zwei Jahren. Auch sonst ist die 70-Jährige viel unterwegs. Sie ist immer noch als Schiedsste­llenvorsit­zende tätig und trägt damit zur außergeric­htlichen Lösung von betrieblic­hen Konflikten zwischen Unternehme­n und Beschäftig­ten bei. Außerdem arbeitet sie im Beirat einer Zeitschrif­t. Als Vorsitzend­e des Bundes der Antifaschi­stinnen und Antifaschi­sten Bodensee-Oberschwab­en organisier­t sie viele Veranstalt­ungen, darunter die jährliche Gedenkvera­nstaltung für die Opfer des Nationalso­zialismus auf dem KZ-Friedhof Birnau.

Bleibt da noch Zeit übrig? „Klar, schließlic­h gehe ich zwei- bis dreimal wöchentlic­h ins Fitnessstu­dio“, sagt sie. Zum Freizeitpr­ogramm gehört im Winter Skifahren und im Sommer Bergwander­touren, gerne auch mehrtägig. Über Silvester geht’s ins Montafon zum Skifahren. Die Promotion hat solange Pause.

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FOTO: LICHTINGER Lilo Rademacher arbeitet im Ruhestand an ihrer Promotion.

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