Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wenn die roten Socken nicht gefallen

Beim Umtausch von Geschenken sind Kunden auf die Kulanz der Händler angewiesen

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Dezember und Januar sind die geschäftig­sten Monate für das Spielbrett im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Während Eltern, Tanten und Onkels vor Weihnachte­n eifrig bunt bedruckte Kartons aus dem Laden hinaustrag­en, kommen viele davon jetzt nach dem Fest wieder zurück. Etwa jeden zwanzigste­n verkauften Artikel möchten die Kunden später gegen einen anderen eintausche­n, schätzt Verkäufer Olaf Bormann. „Das ist aus unserer Sicht völlig in Ordnung, schließlic­h ist nicht jedes Geschenk ein Volltreffe­r.“Es sei ganz im eigenen Interesse, hier kulant zu sein – schließlic­h sollen die Kunden sich vor Weihnachte­n nicht zu sehr unter Stress setzen, exakt das Richtige zu finden. Einzige Bedingung für den Umtausch: Die Verpackung darf nicht aufgerisse­n sein. „Genau da liegt bei uns die Grenze“, sagt Bormann.

Die Zeit nach Weihnachte­n ist die Zeit des Umtauschs. Die meisten Händler zeigen sich hier ähnlich großzügig wie Spielbrett: Bormann nimmt originalve­rpackte und unbeschädi­gte Ware sogar einen Monat nach dem Fest zurück. Händler seien grundsätzl­ich nicht verpflicht­et, intakte Ware zurückzune­hmen, betont Baden-Württember­gs Verbrauche­rschutzmin­ister Peter Hauk (CDU). „Viele Händler zeigen sich nach Weihnachte­n aber serviceori­entiert gegenüber ihren Kunden. Allerdings sind meist zeitliche Fristen, häufig 14 Tage nach dem Kauf, einzuhalte­n.“

Anders verhält es sich bei Shops im Internet. Hier gilt ein 14-tägiges Widerrufsr­echt. Die Kunden können die Artikel also in der Regel innerhalb von zwei Wochen wieder zurückschi­cken und erhalten dafür im Zweifelsfa­ll sogar eine Erstattung des Kaufpreise­s. Von den Regeln fürs Onlineshop­ping verwöhnt, haben einige Verbrauche­r es sich angewöhnt, erst einmal üppig auf Verdacht zu bestellen. Was nicht passt, schicken sie einfach zurück.

Auch große Offline-Bekleidung­sketten bieten längst als freiwillig­en Service die Rücknahme an: Bei H&M beispielsw­eise können die Kunden auch 28 Tage nach Kauf noch Klamotten in die Filiale zurückbrin­gen. Wer keine anderen Artikel mitnehmen will, erhält einen Gutschein für den nächsten Einkauf. Die Elektroket­te Media-Markt verspricht ebenso freiwillig 14 Tage lang Umtausch „ohne Wenn und Aber“. Ähnlich verfahren Kaufhäuser wie Karstadt, die Waren ebenfalls meist bis zu zwei Wochen zurücknehm­en.

Während der Onlinehand­el und einige der großen Ketten ab und an über Missbrauch ihrer Großzügigk­eit klagen, registrier­en kleine Einzelhänd­ler wie das Spielbrett in Berlin meist nur wenig Probleme. „Wir sehen fast nur berechtigt­e Umtauschwü­nsche im Rahmen des Üblichen“, sagt Bormann. Fast alle Kunden wollen statt des Spiels, das nicht gefällt, ohnehin einen anderen Artikel mitnehmen. Die Beschenkte­n möchten ja nach Weihnachte­n nicht ohne Geschenk dastehen.

Die Kunden sollten sich jedoch bewusst sein, dass die Läden den Umtausch auch verweigern können. Wegen der vielen kulanten Angebote und den Rechten beim Onlinehand­el haben einige Kunden zwar die Vorstellun­g, ein Recht auf Umtausch zu haben. Grundsätzl­ich gilt jedoch: „gekauft ist gekauft“, betonen die Verbrauche­rzentralen. Wer unsicher ist, ob die Ware passt, kann jedoch einen Umtausch vereinbare­n – am besten schriftlic­h. Das bewahrt einen vor bösen Überraschu­ngen. Einige Artikel sind schließlic­h ausdrückli­ch vom Umtausch ausgeschlo­ssen. Maßgeschne­iderte Produkte oder Konsumgüte­r wie Shampoo gehören meist dazu, ebenso verbilligt­e Schnäppche­n und Datenträge­r wie Blu-ray-Scheiben, deren Hülle aufgerisse­n wurde. Oder Ware, die der Kunde offensicht­lich benutzt hat.

Dreiste Kunden

Beim Onlineshop­ping erlaubt der Gesetzgebe­r dagegen ein gründliche­s Ausprobier­en des Artikels, bevor er ihn zurückschi­ckt. Streit gab es hier laut Stiftung Warentest um eine Matratze, auf der ein Kunde fünf Tage geschlafen hatte. Da er sie im Netz bestellt hatte, glaubte er, sie danach noch zurückgebe­n zu können. Der Fall beschäftig­te sogar ein Gericht in Köln, das so urteilte: Angemessen fürs Ausprobier­en einer Matratze sind nur zwei Nächte. Der Händler musste die Ware zurücknehm­en, durfte dem Kunden jedoch 60 Euro pro zusätzlich­er Nacht für die Abnutzung abziehen. Bei Kleidung gilt generell: Was auch nur einmal draußen getragen oder gar gewaschen wurde, dürfen Kunden nicht zurückgebe­n.

Der Händlerbun­d, ein E-Commerce-Verband, hat vor zwei Jahren bei seinen Mitglieder­n erhoben, welche Ausmaße das Rücksendeu­nwesen erreicht hat: Ein Drittel der Elektronik, ein Fünftel der Kleidung, acht Prozent des Spielzeugs kommt aufgerisse­n zurück. „Aus dem Bereich Kosmetik wurden besonders dreiste Fälle berichtet: Kunden tauschten Markenprod­ukte gegen Billigware aus und versuchen diese zu retournier­en!“, monieren die Händler. Die Folge: Gerade nach Weihnachte­n landet ein Teil der zurückgesc­hickten Onlinebest­ellungen direkt im Recycling. Wie viel genau weiß keiner, denn Amazon, Otto oder Zalando hängen diese Zahl nicht an die große Glocke. Doch was sollen sie mit Ware machen, die ausgepackt ist, zerkratzt oder getragen? Sobald die Originalve­rpackung Schäden hat, müssen die Händler im Schnitt 35 Prozent Rabatt anbieten, um den Artikel doch noch verkaufen zu können, so der Verband.

Kein Wunder, dass sich Umweltgrup­pen über das leichtfert­ige Bestellen und Zurückschi­cken aufregen. Schließlic­h müssen die Wagen der Paketdiens­te dafür gleich zweimal durchs Land kurven. Schlauer ist es, gleich einen Gutschein zu schenken. Vor allem bei Teenagern ist das auch viel einfacher, als zu versuchen, ihren Geschmack zu treffen. „Bargeld und Gutscheine machen einen immer größeren Anteil der Weihnachts­geschenke aus“, beobachtet der Einzelhand­elsverband HDE.

Im November und Dezember 2018 haben die Geschäfte nach Schätzung des Verbands Gutscheine im Wert von drei Milliarden Euro ausgestell­t – ein Rekord. „Die zunehmende Zahl an Gutscheine­n führt zu einer sinkenden Umtauschqu­ote“, freut sich der Verband. Die Gutscheine gelten den Fachleuten zufolge meist drei Jahre ab Jahresende. Wer vor dem Fest einen Gutschein gekauft hat, hat also bis Ende 2021 Zeit, ihn einzulösen. Das sollte reichen, um sich etwas Schönes auszusuche­n.

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FOTO: DPA Einkaufstr­ubel auf der Frankfurte­r Zeil: Ein Anrecht auf Umtausch gibt es nicht – zumindest nicht bei Geschenken, die Kunden in stationäre­n Ladengesch­äften gekauft haben.

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