Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Tierische Probleme bei der Wohnungssuche
Von unbezahlbaren Appartements, neugierigen Vermietern und schlaflosen Nächten
LANGENARGEN - Eine 100-Quadratmeter-Wohnung mit zwei Balkonen, die nur an ein älteres Paar vermietet wird, ein Appartement ausschließlich für Wochenendheimfahrer, weil die Vermieter darüber wohnen und ihre Ruhe haben wollen, eine Doppelhaushälfte, die eine Million Euro kostet: Der Immobilienmarkt in der Bodenseeregion ist bekanntermaßen sehr schwierig und speziell. Wie sehr, das hat jetzt ein Langenargener zu spüren bekommen, der mit seinem Hund auf der Suche nach einem neuen Zuhause war. Sein Fazit: „Ich habe mich bei Besichtigungsterminen zum Teil wie ein Verbrecher gefühlt, der verhört wird.“
Angefangen hat alles mit einem Ende: Nach der Trennung von seinem Freund musste eine neue Bleibe her. Dass die Suche beziehungsweise das Finden nicht einfach werden würde, war dem 27-Jährigen klar, zumal er ein Familienmitglied mitbringt: Mischlingshund Ellie, etwa so groß wie ein Jack Russell Terrier und dem Herrchen zufolge „äußerst lieb“. Ende September ging es los, „ganz klassisch“, wie der Langenargener erzählt, sprich: mit der Recherche auf einschlägigen Internetportalen à la Immobilienscout 24 und im Gemeindeblatt Montfortbote.
Eine Zwei-Zimmer-Wohnung bis zu 750 Euro warm und in der Gegend sollte es sein, nicht zu weit weg von Freunden und Arbeitsplatz, etwa 50 Quadratmeter groß. Ein Zimmer sei ihm zu wenig, weil er nicht in einem Raum mit seinem Hund leben, schlafen, arbeiten, kochen und für 20 Quadratmeter auch noch 500 Euro zahlen wolle. „Wenn ich das Wort Single-Appartement nur lese, könnte ich schon durchdrehen.“Auch Alleinstehende hätten ein Recht auf ein Zuhause, in dem sie sich wohlfühlen.
Schnell war aber klar, viel gibt es in seiner Preisklasse nicht. Dabei verdiene er als selbstständiger Hochzeitsplaner und festangestellter Eventmanager durchaus ordentlich nicht zuletzt, weil ihm sein Chef aufgrund der neuen Lebenssituation eine Gehaltserhöhung zugestand. „Ich habe also schöne und individuelle Bewerbungstexte für die paar Angebote verfasst und rausgeschickt“, berichtet der 27-Jährige.
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst
Eine Erfahrung, die er gemacht hat: „Du musst schnell und flexibel sein.“Denn zum einen verschwinden Wohnungen oft noch am selben Tag wieder aus dem Netz, weil sich innerhalb kürzester Zeit so viele Bewerber melden, und zum anderen werden Besichtigungstermine von heute auf morgen angesetzt. Auf etwa 40 Angebote reagierte er, zehn Wohnungen hat er sich in Lindau, Tettnang oder Meckenbeuren angeschaut. In Langenargen war keine einzige dabei: „Hier herrscht absolute Ebbe auf dem Wohnungsmarkt. Was es gibt, sind Vier-Zimmer-Appartements, die sich kein Mensch leisten kann, oder Ferienwohnungen, die nur über den Winter längere Zeit vermietet werden.“Sein großes Glück: Bis er was findet, kann er bei seinem Expartner wohnen.
Wenn es zu einer Besichtigung kam, seien die Termine mit Maklern sachlich, die mit Vermietern meist kurios gewesen. Denn Letztere hätten Fragen gestellt, wie: Warum der Langenargener umzieht, ob es sein kann, dass er wieder mit seinem Partner zusammenkommt und dann wieder auszieht, ob er raucht, ob er mal geraucht hat, warum er nicht in eine Gegend zieht, in der die Mieten niedriger sind oder ob sein Hund etwa bellt? Er habe nicht nur die Verhöre über sich ergehen lassen, sondern sei topvorbereitet gewesen: „Ich war rücksichtsvoll, höflich und hatte Arbeitsvertrag und SchufaAuskunft dabei. Immerhin hat niemand auch noch ein Leumundszeugnis gefordert.“
Alpträume inklusive
Ellie, die naturgemäß hin und wieder bellen würde, jedoch insgesamt leiser sei als er, begleitete ihn immer und wartete im Auto, für den Fall, dass die Vermieter den Hund kennenlernen wollten – was aber kaum der Fall gewesen sei. Nicht nur das bedauert der 27-Jährige. Was ihm außerdem fehlt, sind Begründungen für Absagen: „Es war anstrengend, nie zu erfahren, warum es nicht geklappt hat.“Seine Vermutung: „selbstständig und ein Hund – oje.“Da habe wohl nicht einmal seine Festanstellung weitergeholfen. Noch schwerer hätten es bei der Wohnungssuche wahrscheinlich alleinerziehende Mütter.
Nahezu drei Monate, inklusive einiger schlafloser Nächte, Alpträume von Obdachlosigkeit und vieler sorgenvoller Momente, dauerte es, bis der Langenargener einen Vermieter beziehungsweise dessen Maklerin von sich überzeugen konnte – und war damit „eh noch schnell“. Inzwischen ist der Vertrag unterschrieben, Einzug wird im Februar sein, und zwar in zwei Zimmer auf 55 Quadratmetern in zentraler Lage in Lindau mit Tiefgaragenparkplatz, Kostenpunkt: 785 Euro pro Monat warm.
Natürlich seien Vermieter keine barmherzigen Samariter, doch würden viele den angestrengten Wohnungsmarkt ausnutzen. Als der zukünftige Lindauer von einem Makler wissen wollte, wo eigentlich die Menschlichkeit bleibe, habe die vielsagende, wenig erbauliche Antwort gelautet: „Was man machen kann, das macht man.“