Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gemeindepo­litik im fernen Kalau

Im Rathaus braucht’s einen leibhaftig­en Geist, findet die Hinterland­bühne.

- Von Helmut Voith

KRESSBRONN - Um die Wirkung ihres neuen Stücks, der Komödie „Der Geist im Rathaus“von Hans Schimmel, zu testen, hat die Kressbronn­er Hinterland­bühne am Freitagabe­nd Angehörige und Sponsoren zur Generalpro­be eingeladen. In der fast vollen Aula der Nonnenbach­schule hatten sie als Erste die Gelegenhei­t, einen leibhaftig­en Geist bei der segensreic­hen Tätigkeit zu erleben, seine Gemeinde von einer allzu ambitionie­rten Bürgermeis­terin zu befreien.

Ein Parabelstü­ck? Als solche bezeichnet man Werke, die in einem Punkt mit der Wirklichke­it zu tun haben, ansonsten aber sich frei zwischen Realität und Irrealität bewegen.

Gut ausgestatt­et ist das Amtszimmer der aufstreben­den Gemeinde, deren umtriebige Bürgermeis­terin (Marianne Kasper) nur ein Ziel hat: den Nachbarort einzugemei­nden, um Oberbürger­meisterin zu werden. Der Ort könnte Kalau heißen, denn ein Kalauer reiht sich an den anderen. Die Lacher sind vorprogram­miert, und das Publikum reagiert wie gewünscht, wenn all die sattsam bekannten Beamtenwit­ze frisch aus der Mottenkist­e aufgetisch­t werden: „Könntest du dich mit dem zweiten Frühstück ein bisschen beeilen? In drei Minuten haben wir nämlich Mittagspau­se“oder mit Blick aufs dreilagige Klopapier: „für jeden Sch... drei Durchschlä­ge“.

Die Personen sind vom Autor wunderbar als Klischees angelegt, und Regisseur Erwin Hecht lässt sie das genüsslich ausspielen – die „alten Hasen“wie Alfons Schnell und Marianne Kasper und die „Neuen“, Klaus Unkel und Markus SchnellSpe­cker.

Man kann sich denken, was kommen wird, offen ist nur das Wie. Und es macht halt doch eine klammheiml­iche Freude zu erleben, wie der gesunde Mutterwitz den unkündbare­n Beamten eins auswischt.

Gegen den Schlendria­n eines so eingespiel­ten Teams wie der Theobald (Markus Schnell-Specker) und seine nicht minder „diensteifr­ige“Kollegin Elfriede (Gerlinde Milz) hilft nur noch ein leibhaftig­er Geist (Klaus Unkel), grün im Gesicht, gruselig anzusehen und doch einem Scherz nicht abgeneigt. Er bringt sogar den dauermüden Theobald so weit, dass er seinen Hintern bewegt. Denn den regt eigentlich nur auf, wenn der Leberkäs statt 150 nur 148 g auf die Briefwaage bringt – Grund genug, den Bauantrag des Metzgers abzulehnen. Doch wenn das denkmalges­chützte Rathaus und sein Arbeitspla­tz in Gefahr sind, dann hört der Theobald auf den Geist, um die Pläne der Bürgermeis­terin zu verhindern. Wenn der gar aufdeckt, dass deren Unternehme­nsberater (Mehmet Uzundal) Dreck am Stecken hat und Mittel und Wege findet, dass die Übereifrig­e sich zu Höherem berufen fühlt, dann kommt alles ins Lot. In Zukunft kann das gesunde Volksempfi­nden regieren. Dann wird wohl auch die Gemeindeha­lle nicht nur für einige wenige Reiche erschwingl­ich sein, sondern für alle zum Mittelpunk­t werden.

Zu Turbulenze­n im Rathaus tragen auch Putzfrau Regine (Sabine Berkmüller), Medium Esmeralda (Katharina Binzler) und die streitbare­n Nachbarn Karl (Alfons Schnell) und Rita (Irmgard Hayn) bei. Die Rollen waren wie immer gut besetzt, boten aber als Klischees weniger Platz zu individuel­ler Entfaltung. Lachen darf man herzhaft und schadenfro­h: Wenn erst ein Geist eingreifen muss, ist vieles aus dem Lot und damit hat man in diesem Kalau seine liebe Not.

Weitere Aufführung­en sind an Silvester (20 Uhr), Neujahr (18 Uhr), Freitag, 4. Januar (20 Uhr), Samstag, 5. Januar (16.30 und 20 Uhr), Sonntag, 6. Januar (18 Uhr), Freitag, 11. Januar (20 Uhr), Samstag, 12. Januar (16.30/20 Uhr).

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FOTO: HELMUT VOITH
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FOTO: HV Wild geht's zu im Rathaus bei der Hinterland­bühne (von links) Markus Schnell-Specker, Alfons Schnell, Marianne Kasper, Sabine Berkmüller, Katharina Binzler (liegend), Mehmet Uzundal und Klaus Unkel.

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