Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Und Steve Vai schaut ihr immer zu
Wie Yasi Hofer zu einer der besten E-Gitarristinnen im Rock geworden ist
KRONBURG - Wovon träumt ein Mädchen mit zwölf Jahren? Mit Pferdle und Planwagen Abenteuer zu erleben? Yasmin Ines Hofer hatte schon als Zwölfjährige einen anderen Traum: so gut E-Gitarre zu spielen wie Steve Vai. Der amerikanische Musiker zählt zu den besten Gitarristen der Welt.
Ein Hausbesuch bei Yasi kommt ganz unkompliziert zustande. Die 26-Jährige nimmt sich Zeit, ist im Gespräch offen. Sensibel, ohne Allüren. Die überzeugte Veganerin wohnt mit den Eltern und zwei Hunden in einer Teilgemeinde von Kronburg, zwischen Leutkirch und Memmingen. Großformatige Fotos der Vierpföter – beide gerettet – zieren das ganze Haus. Dieses liegt am Ortsrand, wegen des Sounds, der oft aus ihrem Kellerstudio tönt. Von Dornstadt bei Ulm ist die Familie wegen der Großbaustelle der Bahn weggezogen. Und weil es im Allgäu halt schön ist.
Im Oktober 1992 geboren, wächst Yasi, so wird sie in der Familie genannt, durchaus behütet auf. Der Vater arbeitet in einem staatstragendem Beruf. Er liebt die Musik der 60er und 70er, hat das Dreieralbum „Woodstock“im Plattenregal. Yasi bekommt schon mit sechs Jahren Geigenunterricht, spielt aber lieber Fußball. Als sie mit zwölf im Radio Steve Vai hört, den Hochgeschwindigkeits-Gitarero, ist es um sie geschehen. Der dreifache Grammy-Gewinner aus Long Island/New York ist keiner dieser Lederhosen-Machos, die breitbeinig, ihre „Axt“in Begattungspose, immer dieselben Riffs runterorgeln. „Steve Vai lässt die Gitarre singen“, so empfindet es Yasi Hofer. Unterm Weihnachtsbaum liegt eine Coxx-Gitarre aus China, Anfänger-tauglich.
Die Zwölfjährige findet einen Gitarrenlehrer, übt, übt, übt. Nicht nur eine Stunde, eher zehn Stunden am Tag. Zu dieser Zeit beginnt Youtube die Welt miteinander zu vernetzen. Yasi nimmt sich selbst beim Üben auf, mailt die Videos auf den YouTube-Kanal von Steve Vai. Der antwortet, gibt Tipps. Erstaunlich. Als Steve Vai im Jahr 2007 zum Ulmer Zelt kommt, lädt er Yasi zum Mitspielen ein. „Answers“heißt das Stück, die Resonanz ist gewaltig. Das Publikum im Zelt tobt, die Zeitungen berichten fast aufgeregt. Hei, ein Gitarrenwunderteenie!!
Wenige Tage später steht ein großer Karton vor der Tür. Absender: Die Gitarrenfirma Ibanez, für die Steve Vai Instrumente entwickelt. „Eine unheimlich tolle, teure Gitarre“schwärmt Yasi noch heute. Natürlich wird sie später auch andere tolle Gitarren spielen, Suhr, Fender, die Schmuckstücke sind säuberlich in ihrem Studio aufgereiht. Mittlerweile ist sie fix bei Ibanez, als Vorzeigegitarristin.
Yasi übt und übt auf der neuen EGitarre, paukt dazu Harmonielehre. Die Schule wird zunehmend uninteressant, „stiehlt nur kostbare Zeit“. Also geht sie in der zehnten Klasse vom Schubert-Gymnasium Ulm ab, ohne Abschluss, bewirbt sich an der Musikhochschule Stuttgart. Sonderbegabtenprüfung. 60 Musikerinnen und Musiker treten an, zwei werden genommen. Eine davon heißt Yasmin Ines Hofer.
Stipendium in Boston
Da ist sie 15 Jahre jung. Mit 16 beginnt sie ihr Studium, Wohnung in der Zentralschwaben-Metropole. Ihr Dozent ist ein feiner Typ, ihr aber zu jazzlastig. Drei Semester studiert Yasi eifrig. Neue Horizonte. Dann nimmt sie in Freiburg an der Aufnahmeprüfung für das Berklee College of Music Boston teil. Auch Steve Vai ist dort Student gewesen, hat damals all die komplexen Gitarrensoli von Frank Zappa auf Noten transkribiert. Irre. So hat Vai es in die Zappa-Band geschafft. Von da an immer weiter.
Die Gitarrenfrau, nun ja, eigentlich immer noch Teenie, gewinnt ein großzügiges Teilstipendium für Berklee. Eine grandiose Zeit. Ringsherum so viele Musiker! Legenden geben Workshops, auch Steve Vai. Sie lernt, wird inspiriert. Nach einem Jahr hat sie Ideen, Entwürfe für mindestens drei CDs. Dann geht das Budget zur Neige. Boston ist trotz Stipendiums ganz schön teuer. Als „internationaler Student“darf sie in den USA keine Gigs spielen, keinen einzigen Dollar verdienen. Sie will jetzt live auftreten, kehrt nach Deutschland zurück.
Hier sucht sie sich eine Band, Bass, Drums, Gitarre, Keyboard. Nimmt ihre erste CD auf, die komplexeste der bisherigen drei, diese heißt schlicht „Yasi“. Eigene Stücke, eigene Songs. Im Studio bei Jürgen Schlachter in Leipheim lernt sie Hellmut Hattler (Kraan, Tab Two) kennen, die Basslegende ist bei einigen Tracks dabei. Hört sich alles ganz easy an, ist es aber nicht. Yasi Hofer jobbt nebenbei in Coverbands, „für die Live-Erfahrung“. Vor der CD-Release-Party, sie hat dazu das Roxy in Ulm gemietet, schiebt sie mächtig Bammel. Ein großes Plattenlabel steht nicht im Hintergrund. Kommen ein paar Leute, oder wird das peinlich, und teuer? Wird es nicht, 600 sind da. Begeistert. Sie geht auf Tour, immer noch etwas unsicher. „In dieser Zeit habe ich das Back-Up des Keyboarders und des zweiten Gitarristen gebraucht.“Von ihrer Fixierung auf Steve Vai – der in ihrem Proberaum als lebensgroßes Poster immer zuschaut – hat sie sich bereits etwas gelöst. Die Resonanz ist positiv. „Endlich mal eine deutsche Musikerin, die ihr Handwerk versteht. Unaufgeregte Songs, schöne Stimme und dann diese supergeilen clean-Gitarrensounds!“heißt es in einer Bewertung. Wohl wahr – singen kann sie nämlich auch. Sie ist keine Shouterin, auch keine Janis Joplin. Hat eine klare Stimme. Schnörkellos.
Neue CD kommt am 10. Januar
Das zweite Album „Faith“, 2016, verkauft sich noch besser als das erste. Wirklich hörenswerte Musik, auch mit sanfteren Klängen, natürlich immer mit viel Strom. Jetzt ist das dritte Album fertig, „Freedom“. CD-Release ist am 10. Januar in der Kultbox der Bigbox Kempten. Yasi Hofer traut sich viel mehr zu als zu Beginn ihrer Live-Auftritte. Spielt jetzt im Trio, Christoph Scherer an den Drums, Steffen Knaus am Bass, sie an Gitarre und Mikro.
Nach dem Release-Konzert geht es auf Tour, Deutschland, Österreich, Ungarn, die Niederlande. Wo sie am liebsten spielt? „Ich freue mich immer auf Wien, da ist über der Location ‚Reigen‘ eine riesengroße Bandwohnung“. Und sie tritt gerne im Osten Deutschlands auf. „Die Leute dort haben eine andere Wertschätzung für die Musik.“Außerdem würde sie gerne einen Auftritt mit anderen Gitarrenladys organisieren, vielleicht auch mit Gretchen Menn von der kalifornischen Band Zeparella.
Man wird von ihr wohl noch viel hören. Von der Powerfrau, die schon mit Zwölf genau gewusst hat, was sie will. www.yasihofer.com