Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Meckenbeuren hat für die Post „Modellcharakter“
SZ-Serie „Vor 50 Jahren“: Im Dezember 1968 soll die Neuordnung der Postversorgung den Kreis Tettnang stärken
MECKENBEUREN - Im Zuge ihrer Serie „Vor 50 Jahren“beleuchtet die SZ diesmal die Neuordnung der Postversorgung, für die im Dezember 1968 Meckenbeuren als Modell galt.
Geht es heute darum, welche Dienste die Deutsche Post AG (1995 als privates Unternehmen aus der früheren Behörde hervorgegangen) in der Fläche anbietet, so beschäftigte die Postversorgung auch vor 50 Jahren die Gemüter. Im Kreis Tettnang sollte sie neu geordnet werden. Das Ziel dabei: Jeder Gemeinde ein eigenes Postamt oder eine eigene Poststelle zu bescheren, von der aus sie versorgt werden sollte – was „als Tendenz“laut SZ „erstmalig in der Bundesrepublik“versucht wurde.
Der Plan war im Sommer 1968 ausgearbeitet worden und wurde im Dezember vorgestellt. Meckenbeuren kam dabei Modellcharakter zu: In der Ernst-Lehmann-Straße war ein Postamtsgebäude neu erstellt worden, das die damals noch nicht mit Kehlen fusionierte Gemeinde zustellmäßig bediente.
Zur Vorgeschichte, wie sie Josef Friedel im Jahr 2000 in der Veröffentlichung des Kulturkreises Nummer 4 („Die staatliche Post in Meckenbeuren“) skizzierte: 1861 wurde die Post als zentraler Verteilungspunkt fürs Umland im Bahnhof eröffnet. Sie ist dem Dienstbereich der KöniglichWürttembergischen Staatseisenbahn zugeordnet – eine enge Verzahnung, die über Jahrzehnte bestand.
1906 zog die Post ins EisenbahnDienstwohngebäude gegenüber am Bahnhofsplatz. 1965 erfolgte der Umzug in die Ernst-Lehmann-Straße, in der die Post 42 Jahre angesiedelt war. Ende 2007 war es Zeit für die „Rückkehr“der Post ins Bahnhofsgebäude, in dem sie 1861 ihre Anfänge hatte.
Am 3. Dezember 2007 öffnete die Postfiliale in der Ernst-LehmannStraße letztmals. Wenige Meter weiter dient seit dem 4. Dezember 2007 das Reisebüro im Bahnhof, der sich ja seit 2007 im Gemeindebesitz befindet, als Postagentur.
Doch zurück in den Dezember 1968, als Postrat Rilling die Pläne für den Kreis Tettnang vorstellte: Für die Gemeinde Meckenbeuren waren in den Teilorten Liebenau und Brochenzell nur noch Annahmestellen verblieben. „Das Modell Meckenbeuren hat sich betriebstechnisch gut bewährt“, hieß es in der Bewertung, weshalb es auf den gesamten Kreis übertragen werden könne.
Weiter hieß es in der SZ: „In Kehlen, wo bereits ein schönes und beachtenswertes Gemeindezentrum entstanden ist, wird auch eine neue Poststelle notwendig sein und zwar in diesem Raum“– was das heutige Dorfgemeinschaftshaus meinte.
Rilling deutete zudem an, dass – je nach der Entwicklung, die Kehlens Einwohnerzahl nimmt – auch an ein Postamt gedacht werden könnte. Zunächst aber genügte die Zentralisierung: „Der gesamte Zustelldienst für die Gemeinde Kehlen wird von der Poststelle Gemeindezentrum aus durchgeführt“, sodass die bisherigen Poststellen Kehlen und Reute aufgehoben werden könnten.
Einen Sonderfall bildete Gerbertshaus: „Im Raum Gerbertshaus/ Lochbrücke wird eine Annahmestelle im Haus der Familie Reusch belassen. Sie soll im Lauf der kommenden Jahre zu einer Poststelle mit festen Schalterstunden ausgebaut werden. Die Annahmestelle bleibt, um den Bewohnern der Ortsteile Gerbertshaus und Lochbrücke den weiten Weg über die stark befahrene B 30 zu ersparen“, führte SZ-Redakteur Gerhard Rogge aus.
Die Hintergründe der Reform blieben nicht unbeleuchtet: Laut Rilling „habe sich die Post nicht ausschließlich von wirtschaftlichen Gedanken leiten lassen“. Vielmehr stehe im Fokus, „die Gemeinden des Kreises Tettnang auch in postalischer Sicht als Einheit zu behandeln“– wofür die Post in Einzelfällen auch Mehrkosten in Kauf nehme.
Freilich wollte Rilling einen „Pferdefuß“nicht verschweigen. Für einen Teil der Bevölkerung ergebe sich „eine gewisse Verschlechterung“, weil „für sie der Weg zur Post unter Umständen weiter wird“.
Appetit machte der Postrat mit dem Ausblick, dass in solchen Fällen ein Teil als Annahmestellen erhalten blieben. „Es ist aber auch daran gedacht, mehr Münzfernsprecher einzurichten und sie mit ,stummen Postämtern’ auszustatten – dann braucht man nicht wegen jeder Postmarke lange Wege zu gehen.“
Vier Jahre später sollte alles anders sein – als zum 1. Januar 1973 der Bodenseekreis an die Stelle des Kreises Tettnang trat.