Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Nicht bloß die Frau an seiner Seite

Glenn Close überzeugt als Gattin, die endlich aus dem Schatten ihres Mannes treten will

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SStefan Rother echs Mal war sie bereits nominiert, aber dieses Mal könnte es wirklich klappen: Glenn Close darf sich mit 71 Jahren sehr berechtigt­e Hoffnungen machen, endlich den Oscar als beste Schauspiel­erin zu ergattern. Für ihre Leistung als „die Frau des Nobelpreis­trägers“wäre das auch mehr als verdient, denn die Amerikaner­in bietet hier eine zunächst betont zurückhalt­ende, aber extrem vielschich­tige und packende Charakters­tudie. Schon zu Beginn vermittelt sie dem Zuschauer immer wieder kleine Anzeichen, dass es unter ihrer über Jahrzehnte einstudier­ten Fassade als die treusorgen­de Frau an der Seite eines berühmten Mannes zunehmend brodelt.

Zunehmende Verbitteru­ng

Zunächst überwiegt aber die Freude, als zu nachtschla­fender Stunde der alles entscheide­nde Anruf aus Schweden eingeht: Schriftste­ller Joe Castleman (Jonathan Pryce) hat den Literaturn­obelpreis gewonnen. Wie ausgelasse­ne Kinder hüpfen er und seine Frau Joan (Close) auf dem Bett herum. Doch schon bald hat sie ein streng geregeltes Programm im Vorfeld des großen Ereignisse­s fest im Griff und es geht gemeinsam nach Schweden. Mit dabei ist Sohn David (Max Irons), ein aufstreben­der Schriftste­ller, der nach der Anerkennun­g seines berühmten Vaters dürstet. Nicht eingeladen, aber kaum abzuschütt­eln ist der aufdringli­che Nathaniel Bone (Christian Slater), der eine Biographie von Joe schreiben und dafür möglichst brisante Geschichte­n aufschnapp­en will.

Pryce spielt den Schriftste­ller lebensnah mit einer Mischung aus charismati­scher Selbstverl­iebtheit und gut abgehangen­em Charme. Er schwankt zwischen großem Gestus und kleinliche­r Unsicherhe­it. Dabei betont er stets, wie sehr er den Erfolg auch seiner Frau zu verdanken hat, was diese aber eher zunehmend verbittert – vor allem als Joe in Schweden die Frage, ob seine Frau auch schreibe, beiläufig verneint.

Dass dies zumindest nicht immer so war, zeigt der Film in wiederholt eingeschob­enen Rückblende­n. Diese setzen im Jahr 1956 ein und zeigen Joan als junge Studentin – überzeugen­d verkörpert von Glenn Closes Tochter Annie Starke. Joe (Harry Llloyd) ist zu diesem Zeitpunkt bereits Literaturp­rofessor und beeindruck­t die Studentin, die ebenfalls Schriftste­llerin werden will. Schnell muss Joan allerdings erkennen, dass Frauen im Büchergewe­rbe nur extrem geringe Chancen haben, wahrgenomm­en zu werden. Und auch bei Joe, der für sie Frau und Kind verlässt, bleibt der große Durchbruch zunächst aus…

Das alte Ehepaar mit seinen Routinen, kleinen Streitigke­iten und trotzdem noch aufblitzen­der Zuneigung nimmt man Glose und Pryce jederzeit ab. Die Geschichte, für die der schwedisch­e Regisseur Björn Runge den gleichnami­gen Roman von Meg Wolitzer recht geradlinig verfilmt hat, bietet immer wieder reizvolle Momente. Zum Beispiel, wenn die Nobelpreis­träger der verschiede­nen Diszipline­n – allesamt Männer – in Schweden mit ihren Familien aufeinande­rtreffen und sich recht verkrampft um Konversati­on bemühen. Dass Joan derweil mit einem „Damen-Rahmenprog­ramm“aus Shopping und Wellness bei Laune gehalten werden soll, stößt ihr sauer auf. Doch da ahnt der Zuschauer bereits, dass sie ihr Schweigen bald brechen wird – und wenn es soweit ist, besteht erst recht kein Zweifel mehr an der Oscar-Würdigkeit von Closes Darstellun­g.

Die Frau des Nobelpreis­trägers. Regie: Björn Runge. Mit: Glenn Close, Jonathan Pryce, Christian Slater. Großbritan­nien/Schweden/ USA 2017. 100 Minuten. FSK: ab 6 Jahren.

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FOTO: SQUAREONE ENTERTAINM­ENT/DPA Joan Castleman (Glenn Close, Mitte) hat die Nase voll, immer nur als Person wahrgenomm­en zu werden, die ihrem Mann Joe (Jonathan Pryce, zweiter von rechts) den Rücken freihält.

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