Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Künstler auf Nordlandfahrt
Augustinermuseum Freiburg zeigt die prachtvolle Ausstellung „Faszination Norwegen“
FREIBURG - Majestätische Fjorde, idyllische Holzhütten am Ufer – die Gemälde des Norwegers Johan Christian Dahl lösten im 19. Jahrhundert eine wahre Skandinavien-Begeisterung aus. Die Freiburger Doppelausstellung erzählt davon mit Bildern Dahls und weiterer Künstler und präsentiert darüber hinaus einen Querschnitt von Edvard Munchs druckgrafischem Werk.
Der Titel klingt wie die Reklame eines Reiseveranstalters: „Faszination Norwegen“. Doch das passt, will das Augustinermuseum Freiburg doch zu einer Reise verführen. Einer Zeitreise mit den Augen in zwei Stationen: In der großen Ausstellungshalle sind 50 Gemälde von Johan Christian Dahl bis Edvard Munch zu sehen, im Haus der Graphischen Sammlung dazu noch 20 Druckgrafiken Munchs.
Die meisten Exponate kommen vom Museum Kunst der Westküste in Alkersum auf der Nordseeinsel Föhr. Das Augustinermuseum steuert zu dem herrlichen Bilderbogen eine gute Handvoll Exponate aus den eigenen Beständen bei. Dass Petter Ølberg, norwegischer Botschafter in Deutschland, die Schirmherrschaft für die beiden Ausstellungen mit Freuden übernahm, man versteht es auf den ersten Blick.
Sehnsucht nach Skandinavien
Auch die ausgestellten Werke, die Gemälde zumal, verdanken sich dem Reisen. Denn bevor sie gemalt wurden, mussten die so einfühlsam dargestellten erhabenen und idyllischen Landschaftenersteinmalbereistwerden. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Johan Christian Dahl durch die Landschaftsbilder seiner Heimat in ganz Europa bekannt. Er, der in Kopenhagen Kunst studiert hatte und seit 1824 Professor in Dresden war, inspirierte und motivierte mit seinen spektakulären Naturansichten zahlreiche Künstler dazu, selbst nach Norwegen zu reisen und die majestätischen Fjordlandschaften, pittoresken Wasserfälle und Gebirgsketten zum Gegenstand stimmungsvoller Gemälde zu machen. Unter den Norwegenfahrern befanden sich viele Deutsche, wie Friedrich Thöming und Louis Gurlitt oder Christian Morgenstern. Der Großvater des Dichters brach 1827 als einer der Ersten in den Norden auf. Die Norwegen-Begeisterung, die Dahl bei seinen Künstlerkollegen entfacht hatte, erfasste dank der daraus erblühenden üppigen Bildproduktion bald auch das Kunstpublikum. Das wiederum kurbelte den Tourismus an, der seinerseits der Konjunktur dieser Norwegen-Malerei neue Nahrung gab. Eine Art Schneeballsystem.
Schnee und Eis gibt es reichlich auch in den Gemälden, so in den drei farblich delikaten Stadtlandschaften von Frits Thaulow mit ihrem Impressionismus der ganz eigenen Art. In den weichkurvigen Landschaftsformen der „Schneeschmelze“von 1887 glaubt man bereits die Formensprache seines Vetters Munch zu erkennen.
Fjordlandschaften werden als Bildmotiv ihrer pittoresken Qualitäten wegen eindeutig favorisiert. Das Wasser der Meeresbucht mit den steil aufragenden Felsen eines Fjords vor der zerklüfteten Gebirgslandschaft des Hintergrunds – gleich anderen Gemälden verlockte Johannes Duntzes „Norwegische Landschaft“von 1882 zahlreiche Kunstliebhaber dazu, die Erhabenheit nordischer Natur mit eigenen Augen zu erleben. Idyllische Szenerien mit Staffagefiguren wie Fischern im Boot und urigen Holzhütten, aus deren Schornstein Rauch aufsteigt, weckten die Sehnsucht nach einem ursprünglichen, naturgemäßen Leben.
Idyllische Szenerien am Wasser bieten auch zwei frühe Gemälde von Edvard Munch. Durchweg der reifen Schaffenszeit gehören die rund zwanzig Druckgrafiken im Haus der Graphischen Sammlung an. Radierungen wie „Zwei Menschen. Die Einsamen“von 1894 und Lithografien wie „Anziehung I“von 1896 entfalten Landschaft als Spiegel seelischen Geschehens. Die Radierungen der Serie „Alpha und Omega“von 1908/09 oszillieren demgegenüber zwischen Humor und einer Tragik, in deren Schatten das Geschlechterverhältnis bei dem Norweger fast durchgängig getaucht ist
Augustinermuseum
Augustinerplatz, Freiburg. Bis 17. März, Di. bis So. 10-17 Uhr.
Telefon (0761 / 201-2531)