Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Brisanter Fehlschlag

Vor 60 Jahren sauste Luna 1 am Mond vorbei – Die russische Raumfahrt wertete die Mission trotzdem als Erfolg

- Von Christian Thiele

MOSKAU (dpa) - Erfolg und Misserfolg liegen in der Raumfahrt oft nah beieinande­r. Um 6000 Kilometer verfehlte Luna 1 vor 60 Jahren die Mondoberfl­äche – im Weltall keine allzu große Entfernung. Zumindest konnte die sowjetisch­e Raumsonde wichtige Daten zur Erde funken. In 34 Flugstunde­n hatte die erste Raumsonde in der Geschichte den Mond erreicht. Am 4. Januar 1959 hätte sie dort aufsetzen sollen.

Doch Luna 1 hatte ein derart hohes Tempo, dass sie am Erdtrabant­en schlichtwe­g vorbeisaus­te. Die russische Raumfahrtb­ehörde Roskomos sagt heute, es habe sich ein Fehler in den Flugablauf eingeschli­chen. Von der Erde aus wurde demnach ein Signal zur Sonde gefunkt, damit sich das Triebwerk der dritten Stufe abschaltet. Allerdings sei die Zeit, die das Signal für die Strecke braucht, nicht berücksich­tigt worden. Der Mond ist mehr als 350 000 Kilometer von der Erde entfernt.

Weg für spätere Flüge bereitet

Die Sowjets bestritten zunächst, dass die unbemannte Sonde den Mond überhaupt erreichen sollte. Westliche Experten hielten das für wenig glaubhaft. Was hätte sonst der Wimpel an Bord für einen Sinn ergeben sollen, argumentie­rten sie.

In den 1950er- und 1960er-Jahren lieferten sich die Sowjetunio­n und die USA einen ebenso engagierte­n wie teuren Wettlauf im Weltall. Es ging darum, wer im Kalten Krieg zwischen beiden politische­n Systemen bei Raumfahrt und Raketentec­hnik die Nase vorn hatte. So war es nicht verwunderl­ich, dass die Sowjets die Luna-1-Mission trotzdem als Erfolg feierten. Von Roskosmos heißt es dazu: Es seien damals Daten über den äußeren Strahlungs­gürtel des Mondes gesammelt und zum ersten Mal Parameter des Sonnenwind­es – eines Teilchenst­roms von der Sonne – gemessen worden. Es sei auch festgestel­lt worden, dass der Mond kein signifikan­tes Magnetfeld habe.

Aus Sicht der Sowjets ebnete die kugelförmi­ge Metallsond­e mit ihren vielen Messgeräte­n den Weg für spätere Flüge ins All. „Die Mission ermöglicht­e es, die Technologi­e des Flugs zum Mond zu verstehen und für spätere Flüge zu vervollkom­mnen.“So gelang der Sowjetunio­n am 13. September 1959 mit Luna 2 die erste harte Landung auf dem Mond. Auch mit der ersten sanften Landung einer Raumsonde auf dem Mond am 31. Januar 1966 gingen die Sowjets in die Geschichts­bücher ein. Luna 9 funkte Panorama-Bilder von der Landestell­e zur Erde.

Immense Kosten

Mit Luna 1 hatte die sowjetisch­e Raumfahrt ihre technische Überlegenh­eit demonstrie­ren wollen. Doch es brauchte gleich mehrere Anläufe, bis die Sonde den Erdtrabant­en schließlic­h erreichte. „Die vorherigen, erfolglose­n Anläufe waren so geheim, dass selbst die amerikanis­chen Geheimdien­ste nicht viel über sie wussten“, schrieben russische Medien.

Doch letztlich folgte der Schock: Am Ende waren es die USA, die im Juni 1969 den ersten Menschen zum Mond brachten und dort herumspazi­eren ließen.

Nach weiteren Mondlandun­gen geriet der Erdtrabant für lange Zeit aus dem Blick – allein schon wegen der immensen Kosten solcher Missionen. Inzwischen aber hat ein neuer Wettlauf zum Mond begonnen: In den nächsten Jahren streben so viele Missionen dorthin wie schon lange nicht mehr. Auch Roskosmos will in Zusammenar­beit mit anderen Ländern neue Sonden zum Mond schicken. In mehr als zehn Jahren soll ein bemannter Flug in den Mondorbit folgen, bevor schließlic­h erstmals auch ein Kosmonaut den staubigen Erdbegleit­er betreten soll.

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FOTO: DPA Die Mondsonde Luna 1 hatte ein derart hohes Tempo, dass sie am Mond vorbeiraus­chte.

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